11. August – Sorgen um Maxim

Neben seinen Wutanfällen zeigen sich bei Maxim zunehmend Seiten in seinem Verhalten, die Richard und mir erste Sorgen bereiten. Bis zum heutigen Tag hat er mit uns kein einziges Wort gesprochen. Er zeigt emotionale Regungen, wie Weinen und Lachen. Aber er spricht nicht. Darauf waren wir vorbereitet. Denn häufig verstummen Adoptivkinder aus dem Ausland in ihrer neuen Umgebung erst einmal, bis sie für sich die neue Sprache verinnerlicht haben. Das kann sich über Monate hinziehen. Dennoch waren wir davon ausgegangen, dass er zumindest auf Russisch mit uns spricht, da ich ihm in Russland die wichtigsten Dinge auf russisch gesagt hatte. Er weiß also, dass ich ihn mit seinen wichtigsten kindlichen Anliegen verstehen kann. Trotzdem hat er sich dazu entschieden, zu schweigen.

Abends vor dem Schlafengehen weint sich Maxim weiter in den Schlaf. Mir zerreißt es innerlich immer wieder das Herz, wenn er sich von mir wegdreht und weinend auf den Schlaf wartet. Es ist jedes Mal der Augenblick, in dem ich an den Moment denken muss, als wir Maxim mit seiner Gruppe aus dem Kinderheim beim Spaziergang sahen und er im Grunde so zufrieden und glücklich wirkte. Jetzt haben wir ihn aus seiner vertrauten Umgebung gerissen und zwingen ihm ein neues Leben auf. Ich wäre wahrscheinlich an seiner Stelle ebenso traurig und wütend. Als seine Mutter wünschte ich, ihm etwas von dieser Trauer und dem Schmerz nehmen zu  können.

Zudem zeigt Maxim eine subtile Ablehnung gegenüber Richard. Natürlich spielt er mit Richard; und es ist großartig und sehr lustig, mit dem Papa Quatsch zu machen, ja sogar zu toben. Doch nur wenn ich in der Nähe bin. Verlasse ich den Raum oder wechsele ich das Stockwerk, unterbricht Maxim sofort jede Aktivität, auch wenn sie noch so spannend ist, und folgt mir. Er weicht den ganzen Tag nicht von meiner Seite. Waschen, auf die Toilette gehen, Füttern, all das lässt er nur von mir zu. Es ist unmöglich für Richard, ihm zu nahe zu kommen, ihn zu waschen, anzuziehen, mit ihm aufs Klo zugehen, geschweige denn ihn ins Bett zu bringen. Gestern hatten wir versucht,  einmal beim Zubettbringen zu tauschen. Ich sollte Nadeschda ins Bett bringen und Richard Maxim. Doch schon vor dem Ausziehen machte Maxim ein solches Theater und schrie sich erneut so in Rage, dass wir den Plan schnell aufgaben. Es ist noch zu früh, ihm einen Stress aufzubürden, den er nicht ertragen muss. Wir müssen uns in Geduld üben und Maxim kommen lassen. Irgendwann wird er merken, dass auch Richard für ihn eine verlässliche Bezugsperson sein kann und wird auf ihn zugehen.

3 Gedanken zu “11. August – Sorgen um Maxim

  1. Liebe Charlotte, wenn ich es richtig verstanden habe, schreibst Du nicht „in Echtzeit“, sondern rückwirkend, oder? Wie lange waren die Kids bei Euch als dieser Beitrag entstand? Ich finde es sehr spannend bei Dir mitzulesen, wir befinden uns gerade in der Warteschleife. Vielleicht hast Du ja Lust, auf meinem Blog Eure Geschichte zu erzählen? Das wäre toll:) Schau doch mal unter meiner Kategorie „Darf ich bitten?“, da haben auch schon andere Adoptiv oder Pflegefamilien von ihren Erlebnissen berichtet. Beste Grüße, FrauBitte

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    • Liebe FrauBitte,
      die Kinder waren zwei Wochen bei uns, als dieser Beitrag entstand. Genau, ich erzähle unsere Geschichte rückwirkend, aber das Tagebuch entspricht den „echten Zeitspannen“.
      Natürlich erzähle ich gerne unsere Geschichte auch auf Deinem Blog. Du kannst ja schon mal schauen – im Juli hatte ich einen Beitrag „Unser Adoptionsabenteuer“ veröffentlicht. Dieser Beitrag gibt Dir einen kleinen Vorgeschmack, wie es war bis wir unsere Kinder abgeholt haben.
      Viele Grüße
      Charlotte

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      • Huhu, das klingt alles super spannend:) Ich finde es toll, dass Du Menschen wie mich an Eurer Geschichte teilhaben lässt. Ich freue mich sehr, wenn Du Lust auf einen Gastbeitrag bei mir hast! Magst Du mir Deine Mailadresse schicken, dann schicke ich Dir mal ein paar Infos;)
        Liebe Grüße,
        FrauBitte

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