Die wunderbare Klabauterfrau hat zur Blogparade zu „Familienzusammenführung und Patchworkfamilie“ aufgerufen. Aufgrund meiner eigenen Familiengeschichte, von der ich an der ein oder anderen Stelle hier schon erzählt habe , greife ich den Aufruf zur Parade gerne auf.
In den vergangenen Jahren sehen wir eine zunehmende Diskussion über das Leben in Patchworkfamilien, deren Zahl kontinuierlich wächst, auch wenn genaue Statistiken nicht vorliegen. Sie gehören inzwischen in unseren Alltag und sind in unserer Gesellschaft Normalität geworden. Stiefmütter versuchen in Buchform oder im Internet ihr „böses“ Image aus Grimm‘s Märchen aufzupolieren, Erziehungsratgeber für Patchworkfamilien sprießen wie Pilze aus dem Boden. Immer wieder finden sich in einschlägigen Frauen-Hochglanzmagazinen farbenprächtige Reportagen über das glückliche Zusammenleben in eben diesen Familienkonstellationen. Prominente und Staatsoberhäupter bieten dafür eine willkommene Vorlage. Nicht zuletzt Christian Wulff und auch sein Nachfolger Joachim Gauck haben den Versuch angetreten, zu beweisen, dass „Frauen mit Vergangenheit und Männer mit Zukunft auch mit Anhang eine ideale Mischung ergeben.“, so war es mal in einschlägigen nationalen Tageszeitungen zu lesen.
Doch genauso mehren sich Veröffentlichungen, die aufzeigen, dass das Konzept von Patchworkfamilien häufig nicht funktioniert, ja oftmals scheitert und vor allem für die betroffenen Kinder zu einer traumatischen Belastung wird. Oft sind sie zwischen ihrer Herkunftsfamilie und der neuen Familie hin- und hergerissen. Scheidungsauseinandersetzungen werden auf ihrem Rücken ausgetragen. Die Folgen für die Kinder sind meist verheerend. Schwierigkeiten in der Schule in Zeiten der Pubertät sind noch die milderen Konsequenzen, vielmehr zeigen Kinder aus Patchwork-Familien im Erwachsenenalter oftmals Anzeichen von Depressionen und Bindungsstörungen. Melanie Mühl beschreibt das sehr treffend und klar in ihrem Buch „Die Patchwork-Lüge“. Mich hat die Lektüre des Buches erschüttert, denn es zeigte mir die Folgen meiner eigenen Patchwork-Erfahrung.
Ich selbst komme aus einer Patchwork-Familie, die es inzwischen nicht mehr gibt. Meine Eltern trennten sich, als ich achtzehn war, mein Vater zog mit einer neuen und jüngeren Frau zusammen, bekam Kinder mit ihr und heiratete sie. Über zwanzig Jahre hatte ich eine Stiefmutter, die allen Klischees der bösen Märchenwelt entsprach. Erst recht nachdem sie eigene Kinder mit meinem Vater hatte. Ich war für sie eine Bedrohung, nicht nur weil ich ihr ja den Mann wegnehmen, sondern auch weil ich ihren Kindern in der Liebe unseres Vaters den Rang ablaufen könnte. Da ich mit dem Scheitern der Ehe meiner Eltern ohnehin auszog und mein Studium begann, war ich mit meiner Stiefmutter nun während der Besuche am Wochenende und in den Semesterferien konfrontiert. Ein alltägliches Zusammenleben hätte mit ihr nicht funktioniert. Und je erwachsener ich wurde, um so weniger wurden die Begegnungen mit ihr. Genauso wenig hat sich aber auch meine leibliche Mutter mit Ruhm bekleckert. Über Jahrzehnte wurde sie nicht müde, den Scheidungskrieg mit meinem Vater und ihre persönlichen Verletzungen auf meinem Rücken auszutragen. Ich saß immer zwischen den Stühlen. Auch hier bin ich auf Distanz gegangen. Große Distanz. Denn je älter ich wurde, um so weniger wollte ich der Spielball von Erwachsenen sein, die mit ihren eigenen Unzulänglichkeiten nicht umgehen können. Doch immer schwang auch ein schlechtes Gewissen mit. Es war doch meine Familie, da müsste man sich doch irgendwie arrangieren können.
Spannenderweise brauchte es erst mein eigenes Mutterwerden und mein Hineinfinden in meine eigenen Rolle als Mutter, dass ich mich von meiner Herkunftsfamilie gänzlich frei machen konnte. Mir wurde noch einmal bewusst, dass das, was man mir als Jugendliche und junge Erwachsene zugemutet hatte, keinem Kind antun darf. Und ich beschloss für mich, dass ich meine eigenen Kinder vor meinen Eltern und meiner Stiefmutter schützen und bewahren muss. Letztendlich sorgte meine Stiefmutter ohnehin für einen endgültigen Bruch. Ein Jahr später verließ sie dann meinen Vater für einen anderen Mann. Die zweite Scheidung lief, als mein Vater starb. In der darauffolgenden Erbauseinandersetzung lieferten wir uns noch einmal blutige Auseinandersetzungen, die mir aber im Rückblick wie ein Befreiungsschlag vorkamen. Heute gibt es keinen Kontakt mehr, weder zu ihr noch zu meinen Halbgeschwistern. Denn nur weil wir einen Teil der Gene mit einander teilen und über denselben Mann verbunden waren, müssen wir uns nicht verstehen, geschweige denn Zeit mit einander verbringen. Wenn keine gemeinsame Basis vorhanden ist, ist mir meine Zeit zu schade, an einer Patchwork-Familie zu hängen, die es nicht gibt.
Solange also die sich trennenden und neuen Partner in ihren Verletzungen verharren und keinen vernünftigen Umgang mit einander finden, wird meiner Meinung nach keine Patchwork-Familie funktionieren. Eine gesunde Patchwork-Familie zu haben, erfordert einen erwachsenen und reifen Umgang untereinander. Der ist leider oft nicht gegeben. Und die, die darunter leiden, sind immer die Kinder.
Das hast du gut beschrieben…aus der anderen Sicht oder Lage. Ich glaub wenn bei uns die leibliche Mutter nicht so fiese gemeine Sachen über mich und deren Vater erzählt hätte,heute noch,hätte es klappen können….hätte….
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Ein toller Beitrag! Mir geht es genauso, ich bin mittlerweile 29 und hänge noch immer zwischen den Stühlen.. Da wäre ich auch gern so stark wie du um zu sagen, ihr seid erwachsen, lasst mich da raus..
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