Muttersein reloaded – ein Rückblick auf mein Jahr als Adoptivmutter

hands of the parent and litlle child

Mit freundlicher Unterstützung von Fotolia

Erneut neigt sich ein weiteres Jahr dem Ende zu. Morgen steht das Christkind vor der Türe. Ich genieße diese Woche mit meinen Kindern zuhause, um die letzten Vorbereitungen für das Weihnachtsfest zu treffen. Seit gestern mittag ist alles eingekauft. Der Christbaum steht auf der Terrasse und wartet darauf, ins Warme geholt und geschmückt zu werden. Die letzten Plätzchen und der Stollen sind gebacken. Alle Geschenke gebastelt und verpackt. In stiller Erwartung sehnen wir den Heiligen Abend herbei und ich vor allem dann die ruhigen Tage zwischen den Jahren, um inne zu halten, Ruhe zu tanken und Kraft zu sammeln für all die Aufgaben, die das neue Jahr bereit halten wird.

Oft habe ich in den letzten Tagen zurückgedacht an die vergangenen zwölf Monate. Hinter uns liegt ein Jahr mit vielen Ereignissen, Veränderungen und manchmal auch sehr belastenden Herausforderungen. An vielen Stellen habe ich mir zu viel zugemutet und selten ist es mir gelungen, langsam zu machen, zu entschleunigen, zur Ruhe zu kommen. Das Hamsterrad drehte sich weiter. Auch nach meiner Erkenntnis zur Überforderung im Herbst. Es war nicht gut, was ich mir zugemutet habe. Und mein Kräftekonto ist leer. Mehr denn je, weiß ich, dass ich an meiner Haltung etwas ändern muss. Ich muss nicht für alle zur Verfügung stehen. Oft habe ich das Gefühl – und es ärgert mich maßlos -dass viele Menschen in meinem Umfeld einfach über meine Zeit frei verfügen und keinerlei Rücksicht darauf nehmen, wie voll mein eigenes Tagesprogramm ist. Das darf ich nicht mehr zulassen. Ich muss meine Prioritäten neu setzen.

In einem waren meinen Prioritäten in diesem vergangenen Jahr klar. Meine Kinder Maxim und Nadeschda standen und stehen an allererster Stelle. Sie sind meine oberste Priorität. Alles andere muss sich hinten anstellen und für sie zurücktreten. Selbst mein Mann. Maxim und Nadeschda muss ich allen Raum geben, den ich ihnen nur geben kann. Wenn wir zusammen sind, tritt alles andere in den Hintergrund. Da fällt es mir auch nicht schwer „Nein“ zu sagen, andere Dinge abzulehnen. Der Blick zurück sagt mir, dass dies so gut und richtig ist. Wir drei haben in diesem vergangenen Jahr so viele Hürden gemeinsam genommen, die mich rückblickend mit Freude und Dankbarkeit erfüllen.

Maxim und ich haben uns sprichwörtlich durch seine Versagensängste in der Schule gekämpft. Mit vielem, vielem konsequenten Üben kann er lesen und schreiben wie gemalt. Vor allem aber sitzt er nicht mehr vor einem Wort und sagt: „Das kann ich nicht.“ Dieser Satz scheint aus seinem Kopf verschwunden zu sein. Vielmehr sagt er jetzt: „ Guck mal Mama, das kann ich schon richtig gut!“ Das gleiche zeigt sich beim Trompete spielen. Und wenn ich daran denke, wie er im Sommer heulend vor Wut und Verzweiflung aus einem Ferienzirkusprojekt nach Hause kam, weil er das Jonglieren nicht gleich auf Anhieb hinbekommen hat, und jetzt in der Wehnachtsvorstellung des Schulzirkus wie ein Besessener das Diabolo geschwungen hat, so bin ich stumm und stolz vor Bewunderung für den Willen und den Ehrgeiz meines Sohnes.

Im Frühsommer hatte ich immer noch meine Zweifel, ob Nadeschda nicht völlig verloren in diesem großen Schulgebäude ist, wenn sie dort mit der Vorklasse beginnt. Schon nach wenigen Tagen marschierte sie mit einer Souveränität morgens durch den Eingang und mittags durch die Mensa, als hätte sie nie etwas anderes getan. Ich war mir nicht sicher, ob sie schnell Anschluss in ihrer Klasse findet. Schnell war sie aber im Mittelpunkt des Interesses von vielen anderen Mädchen in ihrer Klasse. Es erwärmt mein Herz, wenn ich sie mittags abhole und sie da Hand in Hand mit zwei bis drei anderen Mädchen steht und auf die Schaukel wartet. Im Ballett hat sie ihren ersten Auftritt gehabt, als Prinzessin in einem kleinen Märchen. Nun will sie auch Klavier spielen lernen. Jeder kleine Schritt in mehr Selbstständigkeit lässt mich immer wieder erstaunen.

Ich bin überzeugt davon, dass beide ihren Weg so weiter gehen konnten, weil sie hier Zuhause immer eine verlässliche Basis hatten. Eine Basis in mir und eine Basis in unserer so schrecklich gleichen Routine. Aber genau das hat sich bewährt. Keine Nachmittagsbetreuung, so wenig Unterstützung durch die Kinderfrau wie möglich, die Zeit nach der Schule gehört uns. Und sie verläuft inzwischen immer gleich: Ich hole beide von der Schule ab, Maxim und Nadeschda  haben Zuhause eine halbe Stunde Zeit sich auszuruhen, dann machen wir Hausaufgaben und üben. Manchmal bleibt danach noch Raum zum Spielen und Vorlesen, bevor wir zu einer der vielen nachmittäglichen Freizeitaktivitäten einer der Kinder aufbrechen. Wenn wir am frühen Abend zurückkehren, spielen wir oder lesen wir noch ein wenig oder sie schauen einen kurzen Film, bevor wir das Abendessen vorbereiten. So geht das jeden Tag. – In den letzten paar Monaten waren es zu viel Freizeitaktivitäten. Denn es kam immer etwas neues dazu, aber wir trauten uns nicht Anderes zu streichen. Das werden wir nun aber über die Weihnachtsferien tun. Denn wir alle haben gemerkt, dass die besten Nachmittage die sind, an denen wir nichts mehr vorhaben. Wir stattdessen den kurzen Moment des „Mir ist so langweilig.“ aushalten und warten, was daraus entsteht. Meist waren es kreative und tolle Dinge, die uns allen sehr viel Spaß gemacht haben. Aus Plätzchenteig wurden einfach kleine, große, dicke und dünne Engel geknetet, die Kinder veranstalteten Verkleidungsparties oder schminkten sich für Stunden im Bad. Maxim machte seine ersten architektonischen Zeichnungen von Bauernhöfen. Nadeschda nähte Wichtel oder Sandsäckchen.

Ja, wir hatten auch unsere Tiefen mit vielen Wutausbrüchen, vielen Verlassensängsten und immer wieder neuen Heimsuchungen der alten Kindheitstraumata. Das war anstrengend und kostete die Kinder und mich viel Kraft. Doch wenn ich zurückblicke, so wird mir klar, dass das Muttersein – ganz im Gegensatz zu unserem ersten Jahr – für mich an sich wenig ermüdend und kräftezehrend ist. Im Gegenteil: Für mich ist das Muttersein eine wohltuende Aufgabe, die mir innere Ruhe bringt, in de ich mich -meist- zufrieden fühle. Frustrierend ist es, wenn ich aufgrund meiner anderen Belastungen in meinem Umfeld meinen Kindern nicht mit der erforderlichen Ruhe und Gelassenheit begegnen kann, die sie verdienen. Dann kehrt das Gefühl der schlechten Mutter zurück. Doch wenn es mir gelingt, in der Zeit mit meinen Kindern all das auszublenden, ist es die Zeit mit Maxim und Nadeschda, die mich mit Freude und Energie füllt. Meine Kinder geben meinem Leben einen Sinn. Es ist mehr als ich je erwarten konnte oder zu hoffen gewagt habe. Wahrscheinlich war ich nie mehr Mutter mit Haut und Haaren als in diesem Jahr. Das ist es wert, darauf in Dankbarkeit zurückzublicken.

Möget Ihr ein erfülltes und gesegnetes Weihnachtsfest haben mit etwas Ruhe und Erholung zwischen den Jahren, in denen auch Ihr in Dankbarkeit auf viel Gutes, Schönes und Wunderbares zurückblicken könnt.

7 Gedanken zu “Muttersein reloaded – ein Rückblick auf mein Jahr als Adoptivmutter

    • Dankeschön!!! Ja, ich hoffe wirklich, dass es ein besinnliches Weihnachten wird. Denn leider hat der Plan nicht ganz so funktioniert, wie wir ihn uns ausgedacht haben. Aber nachdem meine wunderbaren Kinder und ich gestern und heute „gearbeitet“ haben wie die Brunnenputzer, wird es ab morgen dann vielleicht wirklich entspannt…. Ich freue mich drauf. Und Dir und Deiner Familie wünsche ich auch wunderbare Weihnachten!!

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  1. Ich finde, du machst es ganz toll. Wie du dich reflektierend in deine Kinder hineinversetzt, das kann nicht jeder. Bei vielen muss das Kind gefälligst funktionieren und parieren. Dass das Kraft und jede Menge Zeit kostet, ist völlig klar. Dafür bewundere ich dich. Schau aber zu, dass DU nicht zu kurz kommst. Das ist leichter gesagt als getan, das weiss ich wohl. Aber auf Dauer auf eigene Bedürfnisse zu verzichten, geht meist nach hinten los. Ich wünsche euch ganz tolle Weihnachtstage 🎄🎄🎄

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    • Danke Dir für Deine Zeilen. Ja, es ist genau das: Wenn ich zu kurz komme, dann leiden auch irgendwann meine Kinder. Und daran muss ich etwas ändern. Das wird wohl mein einziger guter Vorsatz für 2017… Dir auch ein wunderbares Weihnachtsfest! Und ebenso eine geruhsame Zeit zwischen den Jahren!

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  2. Pingback: Meine drei Wünsche für 2017 | Charlotte's Adoptionsblog ©

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