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Charlotte’s Sonntagslieblinge (46)

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Mit freundlicher Unterstützung von Pixabay

Der Regen in dieser vergangenen Woche bescherte uns eine intensive Pause von unseren Ferienaktivitäten. Viel genossen wir die Zeit zuhause. Vor allem Maxim tat das, was man bei Regenwetter tatsächlich am besten macht: Er lag halbe Tage im Bett und las. Nun er musste zudem sein Schlafdefizit vom Zeltwochenende nachholen. Mittlerweile sind wir schon bei unserem zweiten Reiseziel in diesen Ferien angekommen. Die Landschaft Graubündens um uns herum ist beeindruckend, der Ausblick von unserem Balkon einfach unglaublich und das Hotel ist einfach sehr familienfreundlich und reizend. Wir werden uns hier wohlfühlen und unsere Tage genießen. In dieser zuversichtlichen Urlaubsstimmung sind dies meine heutigen drei Sonntagslieblinge:

  1. Mein Mann, der zum ersten Mal nach all den Urlauben mit Kindern beim Beladen des Autos ganz ruhig blieb und keinen Tobsuchtsanfall bekam. Vielleicht lag es auch daran, dass er zuvor seine Nerven geschont hatte. Denn er hatte Maxim überredet, dass er Richard’s Koffer packt. Das tat Maxim tatsächlich auch, allerdings mit meiner Hilfe…
  2. Meine Kinder, die in dieser vergangenen Woche den besten Apfelkuchen gebacken haben, während ich mich ein wenig um die Urlaubsvorbereitungen kümmern konnte. Und dies ganz alleine. Beim nachmittäglichen Spielbesuch bei einer Freundin mit ihren Kindern waren Maxim und Nadeschda die Helden. Der mitgebrachte Kuchen wurde bis auf den letzten Krümel verzehrt.
  3. Und letztendlich bin ich heute so unglaublich stolz auf mich und meine innere Gelassenheit und Ruhe. Auf dem Weg nach Graubünden besuchten wir liebe Freunde im Schwarzwald und gingen mit ihnen einen Tag Paddeln. Wie immer war das eine harte Probe für Richard’s und meine Beziehung. Bis wir zusammen einen vernünftigen Rhythmus fanden, der das Boot auch in die richtige Richtung brachte, dauerte es eine ganze Weile. Nicht umsonst hatten unsere Freunde auch die lange Paddeltour von sechs Stunden gebucht. „Damit Ihr die Fahrt auch etwas mehr genießen könnt, wenn Ihr dann mal in den Tritt gekommen seid.“ hieß es schmunzelnd. Nun, im Gegensatz zu den vorangegangenen Malen bekam ich keine hysterischen Anfälle, sondern bleib ganz ruhig, konzentrierte mich auf das Lenken und hatte dann irgendwann auch den Dreh raus.

Habt noch einen wunderbaren Sonntag, am vorletzten Tag des Juli, genießt Eure Zeit und habt einen wunderbaren Start in die neue Woche!

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Ein Kindergartenfest der anderen Art – ein Ausflug in eine andere Welt

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Danke an Pixabay

Auf dem Weg zu unserem Lieblingshaus in den Bergen machten wir Station bei meinem Patenkind. Auch im Süden Deutschlands werfen die Ferien ihre Schatten voraus und das heisst aller Orts „Sommerfest“, „Abschlussfest“, „Sommerabschiedspicknick“ und Gott weiss was noch. All die Festivitäten, die eigentlich keiner – vor allem keine Mutter – braucht, wenn die lang ersehnte Sommerpause vor der Tür steht, und diese auch schon organisatorische Höchstleistungen der Vorbereitung und Planung abverlangt hat, damit der Arbeitsalltag irgendwie auch im Sommer weiterlaufen kann. Aber ähnlich wie an Weihnachten, könnte ja nach dem Sommer die Welt untergehen. Und deshalb muss man sich ja unbedingt nochmal treffen. Deshalb müssen die Kinder unbedingt etwas einstudieren, was sie dann den Eltern zeigen dürfen, die dann hinterher platzen vor Stolz. Deshalb hetzt man sich ab, schiebt andere Termine, obwohl es so gar nicht passt. Nun, das Patenkind wünschte es sich und meine Kinder auch, dass wir zu eben einem solchen, dem Sommerfest meines Patenkindes im Kindergarten mitgingen. Klar, wenn es den Kindern wichtig ist, dann machen wir das. Keine Frage.

Ich buk morgens noch schnell einen Kuchen. Die Mutter meines Patenkinds musste arbeiten und ich – im Ferienmodus – hatte ja Zeit. Die Kita hatte an dem Vormittag geschlossen – die Erzieherinnen mussten für das Sommerfest dekorieren. Und da es leichter war, wenn der große Bruder auch noch mit dabei war, buk ich also an diesem Morgen mit vier Kindern. Den Rest des Vormittags spielten die vier Kinder mehr oder weniger friedlich zusammen. Und sie hätten das auch noch den ganzen Tag tun können. Aber stattdessen lehnte ich ab 12:00 Uhr jeden Ausflug zum Spielplatz ab, zum Mittagessen gab es schnell eine Tomatensuppe, dann wurden alle Kinder fein gemacht und ab ging die Post zum Kindergarten. Die Mutter meines Patenkindes war mehr als dankbar, dass ich ihr um 13:00h vier ausgehbereite Kinder präsentierte und ihr den fertigen Kuchen in die Hand drückte. Auf ging es zur Bushaltestelle und dann mit dem Bus zu der „Eventlocation“ des Kindergartenfestes.

Schon auf dem Parkplatz ahnte ich Interessantes: Allein der Fuhrpark war schon sehr beeindruckend. Nein, nicht die klassischen Familienkutschen und zweckmäßigen Mittelklassewagen. Da reihte sich eine Luxuskarosse neben die nächste. Natürlich die großen Familienkompatiblen Modelle. Meist in schwarz mit getönten Rückscheiben. Doch gerne auch der sportliche Zweisitzer. Für einen Moment zweifelte ich, ob wir an der richtigen Örtlichkeit angekommen waren, oder ob dies nicht eher das wöchentliche Treffen der Damen aus einem noblen Golfclub war. Aber das immer lauter ertönende Kindergeschrei bestätigte, dass wir richtig waren.

Auf dem Gelände des Kindergartenfestivität bot sich mir ein ungewohntes Bild. Schmunzelnd dachte ich an Nadeschdas Abschiedsfest in der Schule zurück, das ja nur wenige Wochen zurücklag. Alle Kinder hatten zweckmäßige bequeme Kleidung an. Meist noch die ohnehin schon vom Schulvormittag dreckigen Shorts und T-Shirts, auf denen man ablesen konnte, dass es zum Mittagessen einmal wieder Nudeln mit Tomatensauce gegeben hatte. Auch wir Eltern hatten uns nicht außergewöhnlich fein gemacht, sondern waren locker und leicht geblieben mit bequemen und strapazierfähigem Schuhwerk. Denn wir tanzten auf dem von der Hitze aufgeheizten, staubigen Schulhof Reigen und Tänze. Lediglich vereinzelte Väter, die direkt aus dem Büro zu Nadeschdas Abschiedsfest kamen, schwitzten in ihren Anzügen in der nachmittäglichen Hitze. Doch wir alle interessierten uns wenig für unser Äußeres, sondern das gemeinsame Erleben stand im Vordergrund. Wir hatten Spaß. Und alles andere war unwichtig.

Anders bei diesem Fest. Die Mehrzahl der Kinder zwischen zwei und sechs Jahren waren äußerst adrett gekleidet. Die Jungen in weißen Hemden und dunklen oder kakifarbenen Bundfaltenhosen. Die Haare frisch gewaschen und mit Gel gestylt. Die Mädchen in blumigen oder weißen Sommerkleidchen. Ihre Füßen zierten meist rosafarbene oder weiße Ballerinas. Die Haare adrett zu kunstvollen Zöpfen geflochten. Drumherum wuselten geschäftig Damen mittleren Alters, alle gekleidet in seidenen Etuikleidern oder weißen Leinenhosen mit edlen Blusen. Alle mit frisch lackierten Fingernägeln und top gestylten Haaren, als kämen sie gerade frisch vom Friseur. Mit dem nahenden Start der Darbietungen der Kinder stieg auch die Zahl der männlichen Gäste auf dem Gelände. Auch hier ein ungewohntes Bild. Wenige Anzugsträger fanden sich ein, sondern auch hier wurde das Luxus-Poloshirt mit einer angesagten Bundfaltenhose und Designerturnschuhen kombiniert. Offenbar war der Grund für das späte Eintreffen weniger eine Besprechung im Büro, die nicht pünktlich beendet war, sondern der Umweg über das Zuhause, um sich noch schnell umzuziehen, die Haare frisch zu gelen und etwas Rasierwasser aufzutragen. Es war eine illustre Gesellschaft. Und während ich noch dachte „Das ist aber beeindruckend, wie viele Tanten und Onkels hier zum Zuschauen kommen.“, wurde mir langsam klar, dass diese topgestylten Gestalten die Eltern waren. Sie waren die Eltern der Zwerge, die hier rumsprangen und sich als einzige noch irgendwie normal verhielten. Denn auch die weißen Hemdchen und Kleidchen zeigten bereits nach wenigen Minuten graue und braune Spuren vom Toben auf dem Rasen und in den Büschen.

Nach der Begrüßung der Kindergartenleiterin begann die Vorstellung der Kinder. Die Darbietungen der Kinder waren sehr nett gemacht und man spürte, wie viel Mühe in den Vorbereitungen gesteckt hatte. Dennoch viel sehen konnte ich nicht. Denn ich hätte meinen Kopf über ein Meer an filmenden Smartphones heben müssen, um alles sehen zu können. – Wie schade, denn anstatt die Vorführung der Kinder wirklich mitzuerleben, sahen die meisten Eltern die Darbietungen nur durch den kleinen rechteckigen Ausschnitt ihres Displays. – Zudem war das Publikum um so faszinierender für mich. Nun saßen wir Erwachsenen alle dichtgedrängt zusammen. Die Nähe erlaubte einen zweiten Blick auf die Elterngestalten über ihre Kleidung hinaus. All das Styling konnte bei einigen Damen nicht über eine faltige Augenpartie hinwegtäuschen, die dann doch verriet, dass die reiche Vorstadtmutter keine dreißig mehr war. Auffällig waren dagegen dann die glatten und wohlgeformten Mundpartien. – Neben dem Friseurtermin und Maniküre war dann wohl auch noch Zeit für eine frische Dosis Botox gewesen.- Die Väter schienen durch die Bank weg alle deutlich älter zu sein, als ihre Frauen, beziehungsweise die Damen, mit denen sie stolz, ihre Kinder beobachteten. Wahrscheinlich war es bei einigen der zweite Durchgang.

Belustigt ließ ich meinen Blick durch den Saal streifen. Das hier war eine Welt, die der meinen so fremd war. Faszinierend und irgendwie abschreckend zu gleich. Alles wirkte so künstlich und wenig empathisch. Nur dominiert von Äußerlichkeiten und gesellschaftlichen Konventionen. Bilderbuchkonform wurden alle Klischees bedient und sogar teilweise übererfüllt. Aber vielleicht waren es nur meinen eigenen Vorurteile. Denn wer sagte denn, dass man in einem Designerkleid oder einer weißen Leinenhose nicht mit den Kindern im Sand spielen kann. Und nur weil die Fingernägel frisch lackiert sind, heißt dies auch nicht direkt, dass die Mama nicht beim Sackhüpfen und Kinderschminken mitmachen kann. „Ob diese Kinder glücklich waren?“ fragte ich mich dennoch. Aber ich musste zugeben: „Ja, auf diesem Fest waren sie es.“ Denn obwohl sie in unkindliche Kleider gezwängt waren, ließen sie sich ihr kindliches Spiel nicht nehmen. Sie hatten Spaß an ihren Vorstellungen und Auftritten. Sie waren stolz, ihren Eltern etwas zeigen zu dürfen und – wenn auch verzerrt durch die Kameras der Smartphones – für einen Moment die fast ungeteilte Aufmerksamkeit ihrer Eltern zu haben. Noch waren sie frei von den gesellschaftlichen Konventionen, die in der Welt ihrer Eltern galten. In dieser Welt hier, in die uns unser nachmittägliche Ausflug führte, die nicht besser oder schlechter war als unsere, in der Maxim, Nadeschda und ich unseren Alltag lebten. Sie war nur so anders….

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Warum Adoptionsbewerberzahlen auch sinken….

Der PFAD Bundesverband hat in dieser Woche auf einen spannenden Beitrag des rbb Berlin auf seinem Blog hingewiesen, in dem die Ursachen für die rückläufigen Bewerberzahlen bei Adoptionen in Deutschland unter die Lupe genommen werden. Im Falle von Berlin, wo die Zahlen drastisch zurück gegangen sind, liegt es auch daran, dass das Jugendamt seine eigenen Praktiken nicht an die inzwischen in Deutschland verbreitete spätere Familienplanung angepasst hat. Aber lest selbst…(hier)

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Die andere Dimension der Wut

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Foto von Sarah Mak auf unsplash.com

Nadeschda’s Wut hält an. An manchen Tagen mehr, an anderen weniger. Klar, wir sind immer noch in dieser Phase zwischendrin. Und auch wenn Maxim nun wieder die Zeit mit uns verbringt, wir in der Zeit in den Bergen viel zusammen waren, so sind wir immer noch in der Übergangsphase der Ferien. Die Schule mit ihren neuen Herausforderungen schwebt immer noch wie ein umkonkretes Phantom über Nadeschdas Kopf. Dennoch, die viele Zeit zusammen hilft. Sie tut Nadeschda gut, sicher und fürsorglich umhüllt zu sein, sie gibt ihr den Raum, auch über ihre Angst hin und wieder zusprechen. Und sie gibt mir die Chance, die quälende Angst zu verstehen und nachzuerleben. Denn es ist nicht nur die Ohnmacht vor dem Phantom „Schule und 1. Klasse“. Da schwelt noch eine ganz andere Wut in ihr.

Unser Lieblingshaus in den Bergen gehört einer lieben Freundin, die nach der Ankunft von Maxim und Nadeschda ihre zwei Kinder bekommen hat. Beide Schwangerschaften haben meine Kinder miterlebt und auch beide Kinder als Säuglinge und nun mittlerweile Kleinkinder bzw. Kindergartenkinder. Nun ist auch noch eine weitere Freundin schwanger. Überraschend und unverhofft, nachdem sie sich vom natürlichen Kinderwunsch verabschiedet hatte und wie wir ein Kind aus Russland adoptiert hat. Was unmöglich schien, ist nun passiert: Sie ist schwanger und ein Baby wächst in ihrem Bauch. Nadeschda beschäftigt das ungemein. Wie kann das sein? Sie konnte doch genauso wie Du keine Babys bekommen. Warum ist da jetzt ein Baby in ihrem Bauch?

Manchmal bricht Nadeschda ihre Fragen schlagartig ab und zieht sich zurück. Dann knallen wieder mal Türen und Spielzeug fliegt durch Gegend oder es wird mutwillig ein Streit mit dem großen Bruder vom Zaun gebrochen. Oder Nadeschda wird ganz anhänglich, krabbelt auf meinen Schoß und will nur noch gehalten und getragen werden. In diesen Momenten kommt sie durch, die Wut und die Trauer, nicht in meinem  Bauch gewachsen zu sein, die Trauer und der Schmerz, nicht bei der Mama sein zu dürfen und zu können, die sie in ihrem Bauch getragen hat. In diesen Momenten macht sich die Traurigkeit breit, verlassen worden zu sein. Gepaart mit einer so schmerzhaften und unermeßlichen Wut, nicht das Glück gehabt zu haben, in eine wohlbehütete Welt hineingeboren worden zu sein.

Vielleicht wird diese Wut und der Schmerz irgendwann einmal weniger. Ich wünsche meiner Tochter so sehr, dass sie irgendwann ihr Schicksal so annehmen kann und damit leben kann, ohne sich so ohnmächtig zu fühlen. Für den Augenblick kann ich sie nur halten, ihre Wut aushalten und ihren Schmerz mit ihr tragen.

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Charlotte’s Sonntagslieblinge (45)

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Mit freundlicher Unterstützung von Pixabay

Heile und wohlbehalten, gestärkt und erholt sind wir aus den Bergen zurück. Wunderbar war es! Und ich freue mich schon auf die Herbstferien, wo wir wieder dort sein werden. Kaum aus den Bergen zurück, ist Maxim schon wieder unterwegs. Mein Sohn ist zum ersten Mal mit zwei Freunden und deren Vater alleine Zelten. Zwei Nächte. Noch nie war mein Sohn so lange alleine von Zuhause weg. Ich bin gespannt, wie er nachher zurückkommt. So sind also dies meine Sonntagslieblinge:

  1. Richard und ich haben das Wochenende genutzt und haben endlich alles für Nadeschdas Start in die erste Klasse vorbereitet. Mit ihrem Zimmer und neuem Schreibtisch habe ich jetzt auch alle Sachen genäht, die sie neben den Schulranzen für den Schulbeginn braucht.
  2. Nadeschda freut sich schon jetzt wieder auf die Schule und vor allem darauf, ihre Freundinnen wiederzusehen. Zwei waren am Wochenende zu einer kleinen „Poolparty“ da. Es war einfach bezaubernd, die drei kleinen Damen beim Schwimmen, Plantschen und in der Sonne sich aufwärmen, naschen und erzählen zu beobachten.
  3. Maxim wird immer größer und selbstständiger. Zum Zelten hat er seine Sachen ganz alleine gepackt. „Mama, ich mach das schon.“ Und zum Abschied nahm er mich in den Arm und lehnte seinen Kopf an mich, schaute dann hoch zu mir und sagte: „Mama, bald bin ich so groß wie Du.“

Habt noch einen wunderbaren Sonntag! Ich widme mich jetzt meinem mittlerweile zurückgekehrten müffelnden Zeltindianer und seinen nach Lagerfeuer riechenden Klamotten… Kommt gut in die neue Woche!

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Unter Kühen – Eine Meditation im Sonnenuntergang

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Heute Morgen beim Laufen über bayrische Kuhweiden musste ich wieder an mein Erlebnis vor ein paar Wochen zurückdenken, meine Erfahrung unter Kühen im Sonnenuntergang. Seitdem ich wieder regelmäßig laufe und damit neue Impulse und Inspirationen bekomme, will ich heute noch einmal zu dieser Kuhherde zurückkehren. Vielleicht unter dem Aspekt, dass gerade im Moment, wo ich merke, wie gut es tut, neben dem Alltag als Adoptivmutter mit zwei fordernden Kindern – auch wenn zur Zeit alles weitestgehend gut läuft, ist nicht immer alles eitel Sonnenschein, nein gerade nicht. Dass es gut läuft ist oft auch harte Arbeit. – und meiner Ausbildung andere ganz persönliche Ressourcen für mich zu haben. Was man dabei in der Natur entdecken darf, ist manchmal eine spannende Erfahrung…

Unter Kühen – Eine Meditation im Sonnenuntergang

Bis zu einem Abend im Frühsommer hatte ich ein gespaltenes Verhältnis zu Kühen. Natürlich sah ich sie, wie es auch schon die Redewendung aus dem Volksmund sagt, als furchtbar dumm an. Doch auch wenn ich ihnen jegliche Intelligenz absprach, so stellten sie für mich auch eine Bedrohung dar. An meiner Laufstrecke musste ich immer an einer Herde von Kühen vorbei laufen. Kaum kam ich dem Zaun der Kuhweide näher, so jagte die Herde auf mich los, als gäbe es kein Halten mehr und folgte mir in rasendem Tempo über die Weide, wenn ich auf der anderen Seite des Zaunes meiner Laufstrecke weiter folgte. Ich war froh, dass zwischen den Tieren und mir ein elektrischer Zaun mich vor dem Wahnsinn der Kühe schützte. In meiner Zeit in Spanien hatte ich Stierkämpfe erlebt und war nachhaltig schockiert von der menschlichen aber auch der tierischen Brutalität. Zudem genährt von der Lektüre Ernest Hemingways „Pamplona“, in dem er den Stierkampf als männliche Demonstration von Mut, Macht und Männlichkeit verherrlicht. Zu den niedlicheren Begebenheiten gehörte ein Kinderbuch von einer verrückten Kuh, die mit dem Postboten zusammen die lustigsten Dinge auf einem Bauernhof erlebte, das meine Kinder mit großer Begeisterung gelesen hatten. Doch auch Lieselotte war für mich nicht ganz bei Trost.

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So begab ich mich an einem frühlingshaften Abend mit gemischten Gefühlen auf die Kuhweide eines Bauernhofes in unserer Nähe. Zuvor waren wir bereits über Ackerland gestreift, hatten die Unterschiede zwischen Weide- und Ackerland erfahren dürfen. Und nun sollten wir uns mitten unter eine Herde von an die 80 Tieren mischen. Der Lehrbauer hielt uns zur Ruhe an. Ich dachte, dass wir damit die Kühe nicht aufschrecken sollten und sie sich nicht aggressiv gegen uns wenden würden. Immer noch spukte Lieselotte in meinem Kopf herum, die sich gerne den Spaß erlaubte, ungebetene Gäste auf ihrem Bauernhof zu erschrecken und zu verjagen. Doch weit gefehlt. Sicherlich gab es ein paar Jungtiere, die uns zunächst neugierig beobachteten und auch uns berühren wollten. Doch der Großteil der Herde graste weiter friedlich vor sich hin und ließ sich durch nichts beirren. Ich hatte das Gefühl, dass wir gar nicht wahrgenommen wurden. Die Kuhherde ignorierte uns völlig. Vollständig nach innen gekehrt, grasten sie weiter, umschlangen das Gras mit ihrer riesigen feuchten Zunge und rissen die Halme und Blätter ab, um sie dann zu verschlingen und in ihrem gigantischen Verdauungsapparat zu  verarbeiten. Ruhig blieben die meisten Tiere über eine lange Zeit an ein und derselben Stelle stehen und gaben sich ganz und gar der Nahrungsaufnahme hin. Fast träumerisch nach innen gekehrt, ließen sie sich dabei von nichts und niemandem ablenken. Allein die Nahrungsaufnahme und deren Verarbeitung standen im Interesse dieser an die 600 Kilogramm schweren Wiederkäuer. Irgendwann legte sich das eine oder andere Tier auf den Boden, wartete darauf, dass das gefressene Gras aus einem seiner Mägen wieder hervor gedrückt wurde und nun zum erneuten Male gekaut und wieder in den Verdauungstrakt entlassen werden konnte.

Als ich auf dieser Kuhweide stand und die Kühe beim Fressen beobachtete, wurde es auf einmal ganz still. Um mich herum und auch in mir drin. Eine tiefe Ruhe machte sich in breit, während ich nur noch ab und zu die Verdauungsgeräusche der Tiere leise wahrnahm. Ich erinnerte mich, dass auch in meinen Urlauben in den bayrischen Bergen, wo unser Haus umringt war von Kuhweiden, sich jedes Mal in mir eine unendliche Ruhe ausbreitete, wenn ich morgens auf der Terrasse meinen Kaffee trank und ich im sich lichtenden Morgennebel die Kühe auf den Weiden sah und ihr monotones Glockengebimmel vernahm. Es hatte etwas so beruhigendes und befriedendes, diese Tiere um einen herum zu spüren. Von meiner anfänglichen Angst war nichts mehr zu merken. Im Gegenteil, ich fühlte mich tief verbunden mit der phlegmatischen Ausstrahlung dieser Tiere, die so ganz eine Einheit bildeten mit der Natur um sie herum.

Diese meditative Kraft der Kühe war für mich eine unerwartete Erfahrung. Nicht nur, weil ich mein bisheriges Bild über die Kuh an sich revidieren musste, sondern vor allem weil mir diese meditative Begegnung auf der Weide einen neuen Impuls gab, wie ich zu innerer Ruhe finden könnte. Dass ein ruhiges Innenhalten wichtig ist, ist unbenommen. Doch dass Kühe ein Kraftquell sein können, war für mich neu. Vielleicht werde ich also nun, wenn ich mich auf meinen regelmäßige Laufstrecke begebe, an der Kuhweide anhalten, mich für ein paar Momente ins Gras setzen und für ein paar Augenblicke das Grasen der Kühe verfolgen und mich von ihrer monotonen Ruhe anstecken lassen. Ein Geschenk, dass diese Tiere einem bereitwillig geben, wenn man sich drauf einlässt.