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Auf dem Weg zu unserem Lieblingshaus in den Bergen machten wir Station bei meinem Patenkind. Auch im Süden Deutschlands werfen die Ferien ihre Schatten voraus und das heisst aller Orts „Sommerfest“, „Abschlussfest“, „Sommerabschiedspicknick“ und Gott weiss was noch. All die Festivitäten, die eigentlich keiner – vor allem keine Mutter – braucht, wenn die lang ersehnte Sommerpause vor der Tür steht, und diese auch schon organisatorische Höchstleistungen der Vorbereitung und Planung abverlangt hat, damit der Arbeitsalltag irgendwie auch im Sommer weiterlaufen kann. Aber ähnlich wie an Weihnachten, könnte ja nach dem Sommer die Welt untergehen. Und deshalb muss man sich ja unbedingt nochmal treffen. Deshalb müssen die Kinder unbedingt etwas einstudieren, was sie dann den Eltern zeigen dürfen, die dann hinterher platzen vor Stolz. Deshalb hetzt man sich ab, schiebt andere Termine, obwohl es so gar nicht passt. Nun, das Patenkind wünschte es sich und meine Kinder auch, dass wir zu eben einem solchen, dem Sommerfest meines Patenkindes im Kindergarten mitgingen. Klar, wenn es den Kindern wichtig ist, dann machen wir das. Keine Frage.
Ich buk morgens noch schnell einen Kuchen. Die Mutter meines Patenkinds musste arbeiten und ich – im Ferienmodus – hatte ja Zeit. Die Kita hatte an dem Vormittag geschlossen – die Erzieherinnen mussten für das Sommerfest dekorieren. Und da es leichter war, wenn der große Bruder auch noch mit dabei war, buk ich also an diesem Morgen mit vier Kindern. Den Rest des Vormittags spielten die vier Kinder mehr oder weniger friedlich zusammen. Und sie hätten das auch noch den ganzen Tag tun können. Aber stattdessen lehnte ich ab 12:00 Uhr jeden Ausflug zum Spielplatz ab, zum Mittagessen gab es schnell eine Tomatensuppe, dann wurden alle Kinder fein gemacht und ab ging die Post zum Kindergarten. Die Mutter meines Patenkindes war mehr als dankbar, dass ich ihr um 13:00h vier ausgehbereite Kinder präsentierte und ihr den fertigen Kuchen in die Hand drückte. Auf ging es zur Bushaltestelle und dann mit dem Bus zu der „Eventlocation“ des Kindergartenfestes.
Schon auf dem Parkplatz ahnte ich Interessantes: Allein der Fuhrpark war schon sehr beeindruckend. Nein, nicht die klassischen Familienkutschen und zweckmäßigen Mittelklassewagen. Da reihte sich eine Luxuskarosse neben die nächste. Natürlich die großen Familienkompatiblen Modelle. Meist in schwarz mit getönten Rückscheiben. Doch gerne auch der sportliche Zweisitzer. Für einen Moment zweifelte ich, ob wir an der richtigen Örtlichkeit angekommen waren, oder ob dies nicht eher das wöchentliche Treffen der Damen aus einem noblen Golfclub war. Aber das immer lauter ertönende Kindergeschrei bestätigte, dass wir richtig waren.
Auf dem Gelände des Kindergartenfestivität bot sich mir ein ungewohntes Bild. Schmunzelnd dachte ich an Nadeschdas Abschiedsfest in der Schule zurück, das ja nur wenige Wochen zurücklag. Alle Kinder hatten zweckmäßige bequeme Kleidung an. Meist noch die ohnehin schon vom Schulvormittag dreckigen Shorts und T-Shirts, auf denen man ablesen konnte, dass es zum Mittagessen einmal wieder Nudeln mit Tomatensauce gegeben hatte. Auch wir Eltern hatten uns nicht außergewöhnlich fein gemacht, sondern waren locker und leicht geblieben mit bequemen und strapazierfähigem Schuhwerk. Denn wir tanzten auf dem von der Hitze aufgeheizten, staubigen Schulhof Reigen und Tänze. Lediglich vereinzelte Väter, die direkt aus dem Büro zu Nadeschdas Abschiedsfest kamen, schwitzten in ihren Anzügen in der nachmittäglichen Hitze. Doch wir alle interessierten uns wenig für unser Äußeres, sondern das gemeinsame Erleben stand im Vordergrund. Wir hatten Spaß. Und alles andere war unwichtig.
Anders bei diesem Fest. Die Mehrzahl der Kinder zwischen zwei und sechs Jahren waren äußerst adrett gekleidet. Die Jungen in weißen Hemden und dunklen oder kakifarbenen Bundfaltenhosen. Die Haare frisch gewaschen und mit Gel gestylt. Die Mädchen in blumigen oder weißen Sommerkleidchen. Ihre Füßen zierten meist rosafarbene oder weiße Ballerinas. Die Haare adrett zu kunstvollen Zöpfen geflochten. Drumherum wuselten geschäftig Damen mittleren Alters, alle gekleidet in seidenen Etuikleidern oder weißen Leinenhosen mit edlen Blusen. Alle mit frisch lackierten Fingernägeln und top gestylten Haaren, als kämen sie gerade frisch vom Friseur. Mit dem nahenden Start der Darbietungen der Kinder stieg auch die Zahl der männlichen Gäste auf dem Gelände. Auch hier ein ungewohntes Bild. Wenige Anzugsträger fanden sich ein, sondern auch hier wurde das Luxus-Poloshirt mit einer angesagten Bundfaltenhose und Designerturnschuhen kombiniert. Offenbar war der Grund für das späte Eintreffen weniger eine Besprechung im Büro, die nicht pünktlich beendet war, sondern der Umweg über das Zuhause, um sich noch schnell umzuziehen, die Haare frisch zu gelen und etwas Rasierwasser aufzutragen. Es war eine illustre Gesellschaft. Und während ich noch dachte „Das ist aber beeindruckend, wie viele Tanten und Onkels hier zum Zuschauen kommen.“, wurde mir langsam klar, dass diese topgestylten Gestalten die Eltern waren. Sie waren die Eltern der Zwerge, die hier rumsprangen und sich als einzige noch irgendwie normal verhielten. Denn auch die weißen Hemdchen und Kleidchen zeigten bereits nach wenigen Minuten graue und braune Spuren vom Toben auf dem Rasen und in den Büschen.
Nach der Begrüßung der Kindergartenleiterin begann die Vorstellung der Kinder. Die Darbietungen der Kinder waren sehr nett gemacht und man spürte, wie viel Mühe in den Vorbereitungen gesteckt hatte. Dennoch viel sehen konnte ich nicht. Denn ich hätte meinen Kopf über ein Meer an filmenden Smartphones heben müssen, um alles sehen zu können. – Wie schade, denn anstatt die Vorführung der Kinder wirklich mitzuerleben, sahen die meisten Eltern die Darbietungen nur durch den kleinen rechteckigen Ausschnitt ihres Displays. – Zudem war das Publikum um so faszinierender für mich. Nun saßen wir Erwachsenen alle dichtgedrängt zusammen. Die Nähe erlaubte einen zweiten Blick auf die Elterngestalten über ihre Kleidung hinaus. All das Styling konnte bei einigen Damen nicht über eine faltige Augenpartie hinwegtäuschen, die dann doch verriet, dass die reiche Vorstadtmutter keine dreißig mehr war. Auffällig waren dagegen dann die glatten und wohlgeformten Mundpartien. – Neben dem Friseurtermin und Maniküre war dann wohl auch noch Zeit für eine frische Dosis Botox gewesen.- Die Väter schienen durch die Bank weg alle deutlich älter zu sein, als ihre Frauen, beziehungsweise die Damen, mit denen sie stolz, ihre Kinder beobachteten. Wahrscheinlich war es bei einigen der zweite Durchgang.
Belustigt ließ ich meinen Blick durch den Saal streifen. Das hier war eine Welt, die der meinen so fremd war. Faszinierend und irgendwie abschreckend zu gleich. Alles wirkte so künstlich und wenig empathisch. Nur dominiert von Äußerlichkeiten und gesellschaftlichen Konventionen. Bilderbuchkonform wurden alle Klischees bedient und sogar teilweise übererfüllt. Aber vielleicht waren es nur meinen eigenen Vorurteile. Denn wer sagte denn, dass man in einem Designerkleid oder einer weißen Leinenhose nicht mit den Kindern im Sand spielen kann. Und nur weil die Fingernägel frisch lackiert sind, heißt dies auch nicht direkt, dass die Mama nicht beim Sackhüpfen und Kinderschminken mitmachen kann. „Ob diese Kinder glücklich waren?“ fragte ich mich dennoch. Aber ich musste zugeben: „Ja, auf diesem Fest waren sie es.“ Denn obwohl sie in unkindliche Kleider gezwängt waren, ließen sie sich ihr kindliches Spiel nicht nehmen. Sie hatten Spaß an ihren Vorstellungen und Auftritten. Sie waren stolz, ihren Eltern etwas zeigen zu dürfen und – wenn auch verzerrt durch die Kameras der Smartphones – für einen Moment die fast ungeteilte Aufmerksamkeit ihrer Eltern zu haben. Noch waren sie frei von den gesellschaftlichen Konventionen, die in der Welt ihrer Eltern galten. In dieser Welt hier, in die uns unser nachmittägliche Ausflug führte, die nicht besser oder schlechter war als unsere, in der Maxim, Nadeschda und ich unseren Alltag lebten. Sie war nur so anders….
Oh….Das wäre was für mich gewesen….🤔
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Ist aber nicht typisch Süddeutschland… das ist mir wichtig 😉Denn bei uns war es immer völlig anders und sehr locker.
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Ja, sicherlich findet sich dieses Phänomen in jeder großen Stadt Deutschlands. Wir waren nun mal gerade im Süden. Aber das hätte sich im Norden sicherlich genauso ereignen können…
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Bestimmt….Aber dann ohne uns😉😂
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Man kann von beiden Welten etwas positiv vereinigen. Ich mag nicht die Karroserie- und Marken- Schow. Ich mag aber auch schöne Kleider. Ich mag wandern, Velo fahren, spielen, baden, Zelten, Lagefeuer- und dafür bequeme Kleider, die schmutzig werden dürfen. Aber ich mag auch Konzerte, Oper und Theater in schönen Säalen- und dafür ein schönes Kleid und ensprechend angezogenes Partner. Ich mag, wenn meine Kinder herumtollen- ich mag meiner Tochter aber mal richtig schönes Frisur machen für einen feinen Abend oder Nachmittag. Ich mag, wenn mein Sohn stundenlang Fussball mit Jungs spielt auf der Wiese und komplett schmutzig, aber glücklich nach Hause kommt. Ich mag aber und bringe ihn bei, dass er beim Konzert (spielt 2 Instrumente) oder Choraufführung nicht in Turnschuhen und T-Schirt erscheint, aber in dafür gekauften Schuhen und Hemd und je nach Anlass passenden Hosen. Bei Waldorfs mag ich die Verspieltheit und nähe zu Natur bei den kleineren- würde aber gerne für Nachmittag auch fürs Tanzen ein frisches T-Schirt und frisches bequemes Kleidchen umziehen- einen Fest war eigentlich immer bei Menschen mit etwas besonderem assoziiert- und seit Jahhunderten haben Mensche dafür auch schöne Kleider genäht- was ich auch schön finde. Da ist ein feines Unterschied zum „herausputzen“- und „sich zu Schow stellen“ -das mag ich gar nicht- aber sich ensprechend der Angelegenheit schön machen- das würde mir liegen.
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