Verwöhne ich meine (Adoptiv-)Kinder zu viel?

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Photo by Andrew Neel on unsplash.com

Einige Zeit vor Weihnachten war bei Sherrie Eldridge wieder einmal ein spannender Post zu lesen. In „Why Adoptive and Foster Parents must resist over the top giving“ schildert sie sehr einfühlsam aber auch deutlich, warum es nicht förderlich ist, sondern ganz im Gegenteil, Adoptivkinder zu sehr zu verwöhnen mit einem zu viel von allem: Geschenke, Essen, Süßigkeiten, aber auch Fürsorge und zu viel Freiraum.

Als ich in den Tagen vor Weihnachten die Geschenke für Maxim und Nadeschda verpackte, musste ich an Sherrie’s Beitrag denken. Es war gut, sich noch einmal kritisch zu überprüfen. Nein, in diesem Jahr hatten wir ein gutes Maß bei den Geschenken gehalten. Aber auch das mussten wir erst lernen. Ich erinnere mich an unser erstes Weihnachten, wo natürlich das ganze Zimmer überladen war mit Geschenken. Maxim und vor allem Nadeschda waren schnell restlos überfordert, so dass wir das Auspacken der Geschenke abbrechen und auf die kommenden Tage weiter verteilen mussten. Auch danach in den folgenden Jahren hatten wir zwar den Vorsatz, es mit den Geschenken nicht zu übertreiben, doch dann wurde es am Ende wieder viel zu viel. Irgendwann ging ich dann dazu über, einige Geschenke schon im Vorhinein zurückzuhalten für irgendwann. Erst in diesem Jahr ist es nun gelungen, die Geschenkflut wirklich einzudämmen. Und der Heiligabend gab uns recht. Statt großer Geschenkschlacht, konzentrieren sich Maxim und Nadeschda auf ihre zwei, drei Geschenke. In aller Ruhe bauten wir sie auf und spielten bis abends spät. Wunderbar!

Doch weiter beschäftigt mich der Gedanke an zu viel Fürsorge für meine Kinder. Im ersten Momente dachte ich: Meine beiden Kinder haben so viel entbehren müssen. Und immer noch sind sie emotional betrachtet wiederkehrend in einem seelischen Stadium, dass sie eigentlich nie genug Fürsorge bekommen könnten. Sie saugen alles Umsorgen und alle Zuwendung auf wie ein trockener Schwamm. Es kann eigentlich nie zu viel sein, denn es ist ja oft noch nicht einmal genug. Für mich ist es eine schmale Gratwanderung, denn ich darf Nadeschda und Maxim auch nicht zur Unselbständigkeit erziehen. Manchmal weiß ich, dass sie bestimmte Dinge, bei denen sie genießen, dass ich ihnen helfe, durchaus selbst bewältigen können. So kann sich Nadeschda durchaus alleine an- und ausziehen. Aber sie genießt es, wenn ich dies morgens für sie übernehme. Es ist so ein kleiner Moment der Exklusivzeit, in der sie dann ihren Arm um mich legt und mir ins Ohr flüstert: „Meine Mami ganz alleine.“ Sollte ich ihr das nehmen? Auf der anderen Seite gibt es Aufgaben, die die Kinder durchaus übernehmen können sollten. So ist es Maxim’s Verantwortung, dass er seine Schulsachen alle beieinander hat. Die Sporttasche sollte ich ihm nicht mehr hinterher tragen. Oder doch?

Jetzt mit dem nahenden Neuen Jahr steht ohnehin für uns an, mit den Kindern noch einmal zu überlegen, welche Aufgaben sie für sich , aber auch hier im Haushalt übernehmen können und sollen. Sherrie’s Beitrag wird uns dabei sicherlich noch weiter begleiten.

7 Gedanken zu “Verwöhne ich meine (Adoptiv-)Kinder zu viel?

  1. Liebe Charlotte, ich gebe es zu: wir verwöhnen unsere Kinder auch. Zum einen materiell – einerseits weil uns die Geschenke für unsere Kinder selbst so gut gefallen, dass wir uns nicht entscheiden können und wir zudem auch der Meinung sind, dass es bestimmte Geschenke wie Bücher oder mal einen Film für einen Familienkinoabend auch ohne konkreten Anlass geben darf. Wir genießen es, auch mal etwas großzügiger sein zu können, weil wir das Privileg besitzen, nicht jeden Cent zweimal umdrehen zu müssen. Vor allem verwöhnen wir unsere Kinder jedoch mit Zuneigung und die saugen sie nach all den Jahren noch immer ein Schwamm auf. Gerade in den Ferien haben sie das dringende Bedürfnis bei uns im Bett zu schlafen und natürlich sagen wir ja. Oder das Familienfrühstück mit Kind auf dem Schoß. Oder einfach nur mal eine halbe Stunde still im Arm halten. Hier brauchen unsere Kinder einfach mehr und ein Verwöhnen ist meiner Meinung nach zumindest bei den nicht-matriellen Dingen nicht möglich. Und nicht nur für die Kinder ist es Balsam für die Seelen – auch uns Eltern tut es gut.

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  2. Liebe Charlotte,
    Du bist sehr bewusst mit Deinen Kindern, dass lese ich immer wieder sehr gerne. Zu viele Geschenke, dass hast Du selbst schon gemerkt, sind nichts (wg. Reizüberflutung etc.). Und was die emotionalen Dinge betrifft, kann man ja immer bewusst situativ entscheiden. Ich habe meinen Großen auch immer noch Morgens angezogen, ich sah es wie Du, dass macht den Morgen leichter, wir sahen uns den ganzen Tag nicht, weil ich Vollzeit berufstätig war, habe ich das auch gerne gemacht (Exklusivzeit usw.). In der Familienberatungsstelle war man ob meinem Vorgehen entsetzt. Der Große wäre schon zu groß dafür (damals 7 und der kleine Bruder war gerade geboren und ich alleinerziehend). Heute wäre ich da selbstbewusster und würde ihm weiter beim anziehen helfen. Denn er war ja deshalb nicht unselbständig. Ich mache das auch beim Kleinen so. Im Kindergarten stehen oft die Eltern Morgens und warten bis die Kinder Straßenschuhe ausgezogen haben und Hausschuhe angezogen haben, meist dauert das, die Eltern sind genervt. Ich mag aber, weil wir uns gleich verabschieden, nicht genervt zu meinem Kleinen sein, also ziehe ich an und aus. Er kann das durchaus alleine…….. Aber es ist so schön, sich friedlich zu verabschieden……und irgendwann will er das von alleine nicht mehr….. Einen kleinen Einwand habe ich noch. Es ist schlimm, was Deine Kinder durchgemacht haben und sie haben alle Fürsorge verdient….., aber nicht, weil sie so viel durchgemacht haben, sondern, weil sie wertvolle Menschen sind. Der Blick ist ein anderer, sie sollen sich ja später nicht nur damit identifizieren, dass sie es schwer hatten und adoptiert wurden. Sie sollen einen guten Selbstwert haben und den bekommen sie, wenn sie sich als wertvollen Menschen wahrgenommen fühlen….. ich hoffe, ich bin Dir damit nicht zu nahe getreten…… Das ist jetzt auch lang geworden……..

    Liebe Grüße, Claire

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    • Liebe Claire,
      nein, Du bist mir nicht zu nahe getreten. Im Gegenteil, es ist ein spannender anderer Blickwinkel. Ja, sich immer wieder auf die Geschichte meiner Kinder zurückzubesinnen, könnte so einen Eindruck von Mitleid haben. Das ist aber nicht. Sondern es ist das immer noch stetige Nachnähren, dass sie nach wie vor brauchen. UND eben auch, wie Du es so schön formuliert hast, Ihnen das Gefühl zu geben, dass sie die zwei wertvollsten Menschen sind. – Darüber hinaus fand ich Deinen Kommentar so beruhigend: Nun weiß ich, dass es auch andere Mütter da draußen gibt, die ihre „Schulkinder“ morgens im Bett anziehen. 😉 Das entspannt mich doch sehr…
      Liebe Grüße
      Charlotte

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      • Liebe Charlotte, ja, die Mütter, die gibt es und wir dürfen als Mütter ruhig mutig auf unser Gefühl hören. Mit dem Nachnähren hast Du absolut recht, ich verstehe Dich schon richtig denke ich. Der andere Blick, dass sie besondere Menschen sind um ihrer selbst willen, sollte als zusätzlicher Aspekt dazu kommen und kann und soll das Nachnähren auf gar keinen Fall ersetzen. Du bist so einfühlsam und bewusst, dass ist das beste für Deine Kinder.
        Liebe Grüße und einen guten Rutsch, Claire

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