
Photo by Leen on unsplash.com
Maxim’s neurologische Ausschlussdiagnostik ist weitestgehend abgeschlossen. Nach einem unauffälligen MRT war auch sein EEG Ende der vergangenen Woche ebenso ohne klaren Befund. Der Neurologe im Sozialpädiatrischen Zentrum unserer Stadt mag dies vielleicht noch ein wenig anders sehen – muss er doch auch den wirtschaftlichen Fortbestand des Zentrums mit sichern und wohlmöglich die ein oder andere Therapie für Maxim vorschlagen. Doch physisch ist mein Sohn gesund. Bis auf den verschobenen Halswirbel, den mittlerweile Maxim’s Physiotherapeutin erfolgreich wieder ins rechte Lot bringt. Aber auch er ist nicht die Ursache für die Kopfschmerzen, unter denen mein Sohn leidet. Vielleicht ein wenig, aber nicht ausschließlich.
Nachdem der Kinderarzt uns eine neurologische Ausschlussdiagnostik nahegelegt hatte, und ich mich spätestens bei der Terminvereinbarung mit dem Sozialpädiatrischen Zentrum an alte Zeiten erinnert fühlte, wusste ich eigentlich schon, dass uns das alles nicht weiter bringt. Nicht wirklich. Vielmehr galt es, wieder die alten Register zu ziehen, die uns schon einmal geholfen hatten. Auch wenn ich es nicht wahrhaben wollte, es war wieder Zeit für eine Runde Kunsttherapie. Ich schrieb unserer Kunsttherapeutin, schilderte ihr unsere Situation und bekam sehr schnell einen Termin. Schon nach zwei Sitzungen war Maxim fast wie ausgewechselt.
Ein zwischenzeitliches Diagnostikgespräch bestätigte meine schon lange im Tiefen schlummernden Vermutungen und Befürchtungen. Es war nicht das alte Gespenst der Epilepsie, dass uns nach all den Jahren wieder heimsuchte. Nein, es war der Alarm im Kopf meines Sohnes, der in mehrfach belastenden Situationen in der Schule schon vor den Sommerferien immer wieder losschrillte, und genauso nach den Ferien wieder aktiviert wurde. Und wohlmöglich permanent schrillt!
Die Stimmung und das Lernklima in der Klasse müssen in den vergangenen Wochen aussergewöhnlich laut gewesen sein. Kein Wunder, dass mein Sohn vom Rechenlernstoff nichts, aber auch gar nichts mitbekam. Er konnte die Erläuterungen der Lehrerin nicht verstehen, geschweige denn ihr folgen. Es war einfach viel zu laut in der Klasse. In der Folge saß er vor seinen Rechenblättern und wusste nicht, wo er anfangen sollte. Die Frustration setzte ein und spätestens zu diesem Zeitpunkt ging der Alarm los. Wenn nicht schon längst vorher, weil allein der Lärm in der Klasse ihn überforderte und Maxim das tat, was alle traumatisierten Kinder tun, wenn sie überfordert sind, dissoziieren. Einfach aus der Situation aussteigen, weil sie anders nicht zu ertragen wäre. Von da ab rauschte das Unterrichtsgeschehen nur noch dumpf an ihm vorbei. – Wenn ich mir vorstelle, ich würde im übertragenen Sinne permanent das Geräusch eines Feueralarms in meinem Kopf hören, bekäme ich auch Kopfschmerzen.
Verstärkt wird dieses Gefühl bei meinem Sohn noch, da es unter den Jungen in der Klasse wieder Verschiebungen in den Freundschaften gibt. Unser altes Sorgenkind Leander steht ebenso einmal wieder auf dem Tapet. Maxim würde sich gerne aus dieser ganzen Gruppe, die sich zwar über den vergangenen Winter arrangiert hatte, lösen, doch die anderen lassen ihn nicht gehen. Und mein Sohn ist (noch) nicht stark genug, und hat zu viel Angst vor der eigenen Einsamkeit, um sich selbst aus dieser ungesunden Konstellation zu lösen.
Mit Beginn der Schule nach den Ferien werden wir uns damit auseinandersetzen, wie wir mit dieser Situation umgehen. Dass Maxim’s Kopfschmerzen keine physische Ursache haben, erleichtert auf der einen Seite. Die emotionalen und psychischen Ursachen der Kopfschmerzen aber zu bearbeiten, wird aber ungleich schwerer und langwieriger werden. Die Kunsttherapie werden wir weiter verfolgen. Und sicherlich steht einmal wieder ein Gespräch mit Maxim’s Klassenlehrerin an. Genauso wie wir Maxim weiter Zuhause stärken müssen, neue Freundschaften und Beziehungen einzugehen, und nur die alten Bildungen aufrechterhalten, die ihm gut tun. Und wieder einmal kreisen meine Gedanken zurück zu meiner Idee des Homeschoolings…
Das ist gut so, freue mich für euch! Und es ist richtig, dass eine ausführliche Diagnostik durchgeführt wurde. Ich habe 2 Fälle in meinem Bekanntenkreis, wo eine Epilepsie fast zu eine Trägodie geführt hat- Ertrinkenunfall (mit glücklicherweise doch gerettem Kind) weil erstes Epilepsieanfall nicht ernst genommen wurde und die Eltern wolllten ohne Arztbesuche weiter beobachten, ob noch etwas kommt oder nicht (und es kam in Wasser…) und Arztfehler in einer anderen Familie, wo unklare Kopfschmerzen und Ohnmachtsanfälle des Kindes falschlicherweise sehr lang für Migräne gehalten wurden. Sehr spät durchgeführte MRT zeigte einen grossen, nicht mehr operierbaren Tumor und sie verloren das Kind….Tragischerweise waren Chirurgen einig, dass einen halbes Jahr früher hätten sie operieren und das Kind zu 80% retten können. Deshalb bin ich dafür, dass eine Diagnostik schnell durchgeführt wird, für Kunst- und Psychotherapie, Schulgespräche oder Wechsel usw. hat man dann noch Zeit, wenn Leben nicht gefährdert ist.
Euch alles Gute, schaue unbedingt die Schulsituation konkret an, z.B. könnte dein Mann fragen, ob er einen Tag in der Klasse hospitieren darf und die Klassensituation erleben (wenn du selber in der gleichen Schule arbeitest und es für dich deshalb „politisch“ komplizierter ist).
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Liebe Tina,
hab Dank für Deine Worte. Ich kann jetzt verstehen, warum Du meinem ersten Post zum Gespenst so auf eine Diagnostik gedrängt hast. Die möglichen Auswirkungen, wenn man etwas physisches nicht sofort abklärt, unterschätzt man so oft… Hab auch Dank für Deinen Impuls zur Schulsituation. Das ist eine reizvolle Idee, entweder meinen Mann in der Klasse hospitieren zu lassen, oder vielleicht sogar Maxim’s Therapeutin. Ich werde das weiter in meinem Herzen bewegen. Und dann sehen wir nach einem Gespräch mit der Klassenlehrerin weiter.
Dir auch alles Gute und liebe Grüße
Charlotte
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Liebe Charlotte, ich hoffe, ihr findet einen guten Weg für Maxim. Gibt es eigentlich schon progressive Muskelentspannung für Kinder? Vielleicht wäre das nicht schlecht zur Spannungsregulierung – gerade was die Schule. Eventuell spürt Maxim dann, dass er den Dingen nicht hilflos ausgeliefert ist. Alles Gute für euch. Halt uns auf dem Laufenden. Habt noch ein schönes Wochenende. Ganz liebe Grüße Katja
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Liebe Katja,
auch Dir wie immer von Herzen lieben Dank für Deine Worte. Das mit der progressiven Muskelentspannung muss ich mal die Physiotherapeutin oder unsere Osteopathin fragen. Vielleicht gibt es so etwas. Maxim hat schon zwei Übungen von der Physiotherapeutin, die er machen kann, wenn er morgens verspannt aufwacht, wenn Albträume ihn gequält haben und die sind echt gut…
Dir und Deinen Lieben eine gute Woche und viele liebe Grüße
Charlotte
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Prima, dass Maxim schon ein paar Übungen kennt. Ich wünsche euch so sehr eine unbeschwerte Zeit. Eine Umarmung aus der Ferne und viele liebe Grüße
Katja
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