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Charlotte’s Sonntagslieblinge (161) am Montag – Verspätete Gedanken zu den Corona-Lockerungen

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Mit freundlicher Unterstützung von Fotolia

Nun kehren wir angeblich immer mehr in eine „neue Normalität“ zurück. Neue Normalität? Was ist neu daran, wenn man sich auf einmal wieder mit mehr als 10 Personen treffen darf, wenn nun versuchsweise die Jüngsten in unserem Bildungssystem in volle Klassen in den kommenden Woche zurückkehren dürfen? Wenn Schwimmbäder wieder öffnen? Ja, da gibt es dann die viel besprochenen Hygienevorschriften und Abstandsregeln. In den Schulen werden diese aber nun auch immer mehr fallen gelassen. Öffnung der Grundschulen für die gesamten Klassen, ohne Abstandseinhaltung. – Wäre ja auch mit dem Abstand nicht möglich. Es sei denn, man stellt schnell ein paar Container auf den Schulhof und zaubert über Nacht ein paar zehntausend Lehrkräfte aus dem Hut. – Ist all das nicht eher der verzweifelte Versuch, zu einer alten Normalität zurückzukehren? Alles ist wieder gut, und nun können wir allmählich wieder so irre weitermachen wie vor der Krise. Immer höher, schneller, weiter? Und zuvor probieren wir das mal aus, ob das auch alles wirklich so wieder funktionieren kann, indem wir die Jüngsten in unserer Gesellschaft als Versuchskaninchen benutzen und sie unter dem fadenscheinigen Argument, die Familien müssten nun endlich in der Betreuung entlastet werden, für die letzten Wochen vor den Ferien in die Schule geschickt werden unter vermeintlich „normalen“ Bedingungen. Wenn es schief geht, kann man immer noch sagen: „Nun, wir wollten Euch ja wirklich entlasten. Ihr als Eltern habt das ja nicht hinbekommen mit der Betreuung, mit der Schule, mit der Bildung. Ach ja, und tut uns leid, dass Ihr nun Corona habt und 14 Tage in Quarantäne gehen müsst. Hoffentlich geht es Ihrem Kind und Ihnen bald besser. Und das nun aus dem Urlaub nichts wird, nun ja…“

Ich halte die Öffnung der Grundschulen nun in einem hektischen Schritt so kurz vor den Sommerferien für eine schlechte Idee. Im Gegenteil. Ich halte es für verantwortungslos, die Jüngsten und Verwundbarsten in unserer Gesellschaft nun als Versuchskaninchen für eine vermeidliche neue Normalität zu benutzen. Was, wenn es schief geht? Ja, es ist eine willkommene Gelegenheit, um wieder einmal Erfahrungen mit dem Virus zu sammeln. Aber müssen das nun ausgerechnet die Kinder sein? Noch dazu gerade die Jüngsten? Ketzerisch hatte ich den Gedanken, doch eher zwei Bundesliga-Samstage in vollen Stadien zu spielen. Einer würde wahrscheinlich reichen. Und dann sehen wir sehr schnell, was der Virus macht. Genau dasselbe, was er schon gemacht hat, als er noch mehr unentdeckt war: sich verbreiten. Ich halte die vielen Lockerungen für viel zu voreilig. Ja, wir müssen neue Daten sammeln, Erfahrungen machen, uns aus der Angststarre befreien. Ewig können wir nicht in der Isolation leben. Irgendwie muss es ja wieder weitergehen. Aber ausgerechnet so wie zuvor?

Ich habe mich zuerst furchtbar aufgeregt, als ich von den neuen Lockerungen in einigen Bundesländern gehört habe. Wollte erst böse Briefe schreiben. Doch dann habe ich mich erst einmal besinnt, habe gelesen und bin gelaufen. Jetzt sehe ich klarer, was mich stört. Ich vermisse Ideen und Bilder, wie denn eine „neue Normalität“ tatsächlich aussehen könnte. Zu sehr scheinen wir alle gefangen zu sein in einem ständigen Reagieren auf den Virus, auf Fallzahlen, auf wirtschaftliche Entwicklungen, etc. Aber wir agieren nicht. Wir bleiben passiv und warten, was der unsichtbare Feind macht. Stattdessen gälte es jetzt, neue Ideen zu entwickeln, unter der Prämisse, dass der Virus einfach noch eine Weile unter uns bleiben wird. Um bei den Öffnungen der Grundschulen zu bleiben: Werden unsere Kinder genauso wieder unterrichtet wie vor der Coronakrise? Machen wir einfach da weiter, wo wir im März aufgehört haben? Kann ja eigentlich nicht sein. Wenn wir davon ausgehen, dass uns der Coronavirus durch eine echte Krise geschickt hat, dann muss sich nun etwas ändern. Viel ändern. Sonst war es keine Krise.

Doch vielleicht sollten wir keine Rettung und keine Vorgaben von der Politik erwarten, sondern stattdessen muss jeder von uns selbst schauen, welche Veränderungen diese Krise nun für jeden von uns mit sich bringen wird. Jeder muss selbst für sich herausfinden, was sich nun vielleicht nachhaltig ändern sollte, oder auch schon geändert hat. Das ist schwierig, denn damit verlassen wir ja die Komfortzonen unserer Gewohnheiten. Auch wenn wir diese schon in Teilen in den vergangenen Monaten verlassen mussten, so fällt es schwer, Liebgewohnenes loszulassen oder den Mut zu haben, nun eben nicht zu alten Gewohnheiten wieder zurückzukehren. Auch ich bin hier erst am Anfang eines Prozesses. Ich weiß noch nicht, wo er mich hinführen wird. Ich weiß nur, dass ich nicht mehr nur reagieren will, egal wo, Zuhause, in der Schule, im Unterricht, bei meinen Kindern,… Und so bin ich zunächst einmal dankbar für diese Sonntagslieblinge:

  1. Ich bin dankbar für ein wenig mehr Zeit, in der ich tatsächlich wieder zum Lesen gekommen bin. In den gesamten 9 Wochen des Lockdowns und der Schulschließungen habe ich vielleicht zwei kurze Bücher gelesen. Mehr war nicht drin. Nicht weil ich keine Muße hatte, sondern schlicht und ergreifend keine Zeit. Das scheint sich jetzt ein wenig zu ändern. Aus der Unzufriedenheit heraus habe ich mich tatsächlich etwas mehr mit der Coronakrise und der Zukunft danach beschäftigt. Das frisch erschienene Buch von Matthias Horx „Die Zukunft nach Corona“ hat hier denkwürdige Impulse gesetzt. Doch auch Beiträge von waldorfpädagogischen Kolleg*innen haben mir neue Ideen zu einer vielleicht anderen Unterrichtsgestaltung gegeben.
  2. Mittlerweile gelingt es mir tatsächlich drei bis viermal in der Woche wieder laufen zu gehen. Ich hoffe, das hält sich wieder so. Es ist ein gutes Gefühl, nicht mehr ständig gegen den inneren Schweinehund zu kämpfen, sondern schon im Vorfeld zu wissen, dass es gut tut.
  3. Mein dritter Liebling ist ein kleiner kinderphilosophischer Nachklapp zu meinen Lieblingen bzw. meiner Vorrede dazu aus der vergangenen Woche: Hier gibt es diese Werbung zu einem Bier, die ungefähr so lautet: „Mutter Natur, Vater Brauer…“ Meine Tochter meinte neulich dazu, als wir eines dieser Plakate passierten: „Mama, das ist ja wie im wahren Leben. Die Mutter kümmert sich um die Nahrung und stellt das Essen auf den Tisch, der Vater setzt sich und trinkt ein Bier…“ Nicht dass das Rollenmodell ist, was wir ihr hier vorleben. Dennoch: Kindermund tut doch Wahrheit kund, wo auch immer sie es her hat….

Kommt gut und wohlbehalten durch diese Woche! Bleibt besonnen und zuversichtlich!

 

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Charlotte’s Sonntagslieblinge (159)

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Photo by Chattersnap on unsplash.com

Still ist es geworden auf meinem Blog. Das hat mit so vielem zu tun, was mein Leben mittlerweile bewegt, auch manchmal mit neuen und anderen Prioritäten, mit deutlich weniger Zeit, und so vielem mehr. Nun steht schon wieder Weihnachten vor der Türe. Ruhig ist es nun in unserem Leben geworden. Wir haben ein paar Gänge heruntergeschaltet. Nicht erst seit dem Ende der Woche, an dem die Ferien begonnen haben. Drei Wochen war ich krank Zuhause, konnte und durfte nicht viel machen. Den Alltag mussten wir reduzieren, und das Pflichtprogramm mit Mann, Kinderfrau und Bruder irgendwie am Laufen halten. Irgendwie passte es aber auch ganz gut, es war auch eine wunderbare Entschuldigung, sich an so vielen Versuchungen des vorweihnachtlichen Stresses diesmal nicht zu beteiligen. Nun geht es wieder besser, und Weihnachten wird in Freude erwartet.

Heute habe ich mit Maxim noch Batterien für die Lichter an unserem Weihnachtsbaum besorgt. Als wir an der Kasse standen, fragte mein Sohn mich: „Mama, warum ist das so wichtig, dass wir irgendwelche Markenbatterien kaufen?“ Ich: „Nun, damit wir vielleicht ein wenig mehr sicher gehen, dass die Lichter dann auch jeden Abend leuchten.“ Er, inzwischen leicht präpubertär, der zurecht – oft – oder zu unrecht – manchmal – alles in Frage stellt, was wir Erwachsenen so tun: „Aber warum ist das so wichtig? Dann bleibt der Baum halt dunkel. Ja, und?“ Ich: „Weißt Du, MIR ist das einfach wichtig. Für mich gehört zu Weihnachten ein schön leuchtender Baum. Erinnerst Du Dich noch an unser allererstes Weihnachten? Da wart Ihr mit dem Papa unterwegs und ich habe heimlich den Baum geschmückt. Als ich die Lichterkette angebracht hatte und sie anmachen wollte, ging sie nicht mehr. Völlig verzweifelt habe ich den Papa angerufen. Und er hat noch am Heiligen Abend eine neue Lichterkette besorgt. Denn ich wollte unbedingt, dass dieser Baum leuchtet und strahlt, wenn das Christkind da war und ihr dann in das Zimmer kommt.“ Mein Sohn etwas nachdenklich: „Nee, da kann ich mich nicht mehr erinnern. Aber es stimmt, es ist immer schön, in dieses erleuchtete Zimmer mit dem Baum und den Geschenken zu kommen.“ – Morgen werden die Kinder und ich wieder den Baum schmücken und dann wird auch meinen Sohn die Vorfreude auf Weihnachten ergreifen. Dessen bin ich mir sicher. Nadeschda hingegen ist schon seit Tagen furchtbar aufgeregt…. Und so bin ich an diesem Sonntag vor Heiligabend für diese drei Sonntagslieblinge dankbar:

  1. Dankbar bin ich, wie mein Mann und meine Kinder den Alltag hier zuhause während meines Ausfalls bewältigt haben. Froh bin ich vor allem, dass meine Kinder keine weitreichenden Folgen davon getragen haben. Im Gegenteil, sie sind noch einmal ein Stück weit selbstständiger geworden, so dass ich nun eher lernen muss, loszulassen.
  2. Die viele Zeit für mich war auch in gewisser Weise ein Geschenk für mich. Nicht nur habe ich endlich wieder viel gelesen, sondern diese Zeit hat auch einen Prozess in Gang gesetzt, noch einmal mein Leben zu überdenken. Neuer Input hat den Wunsch nach Veränderung geweckt. Was ich damit mache, weiß ich noch nicht. Mal sehen, wo mich der Weg hinführt.
  3. Wenn ich nun vor Weihnachten auf dieses vergangene Jahr zurückblicke, dann bin ich so unendlich dankbar einmal wieder für den Entwicklungsweg, den meine beiden Kinder gegangen sind. Nun werden sie wirklich groß und selbstständig. Nicht erst in den vergangenen drei Wochen. Das entlastet so ungemein, beschenkt mich mit dem Gefühl „Ja, das war und ist alles gut so.“ Und dann ist es genauso wieder schön, wenn ein leises Stimmchen nachts sagt: „Mami, ich habe noch Durst. Kannst Du mir Wasser bringen.“ oder ich überraschend eines meiner Kinder in meinem Bett vorfinde, das in dem Moment, als es spürt, dass ich da bin, sich zu mir hindreht und seine Arme und Beine um mich schlingt.

Habt einen zauberhaften 4. Advent, lasst Euch nicht verrückt machen von all den Vorweihnachtsvorbereitungen und startet wohlbehalten in eine hoffentlich dann doch für Euch alle ruhige und besinnliche Weihnachtswoche.

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Selbstbewusste erwachsene Adoptivkinder…

Sherrie Eldridge begeistert und erleuchtet seit beinahe Jahrzehnten vor allem die amerikanische Adoptionsszene mit ihren unterschiedlichen Büchern zu „20 Things…“, „20 Things Adoptited Kids Wish Their Parents Knew“ oder auch „20 Things Adoptive Parents Need to succeed“. Auch in ihrem Blog greift sie diese Themen aus ihren Büchern immer wieder auf. Und bei einem ihren letzten Beiträge stieß ich auf diese zwei jungen erwachsenen (adoptierten) Herren, die über YouTube vloggen, und im Moment die amerikanische Adoptionsszene „rocken“. Oder um mit Sherrys Worten zu sprechen: „Two Korean adoptees who take the world of Adoption by storm….“

Als ich diesen Beitrag sah, habe ich bei allem, was sie schonungslos sagten und kommentierten „Ja!“ sagen müssen. Vor allem aber wünsche ich mir seitdem so sehr, dass meine Kinder auch irgendwann dieses Selbstbewusstsein und diese Gelassenheit und diese Abgeklärtheit, aber auch den Humor haben, wie diese beiden sie an den Tag legen…Einfach großartig und bewundernswert! Aber schaut selbst:

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Von der Gestaltungsmacht über das eigene Leben

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Photo by Alice Achterhof on unsplash.com 

Oft fühlte ich mich in den vergangenen Wochen von unserem Alltag mit Schule, Arbeiten, Arzt- und Therapieterminen überrollt und zuweilen zu sehr eingenommen. Häufig blieb mir zu wenig Zeit für die Dinge, die ich wirklich tun wollte, oder mich mit den Themen zu beschäftigen, die mir wichtig sind und am Herzen liegen. Doch dann erinnerte ich mich wieder an die Gestaltungsmacht über mein eigenes Leben:

Schaut man Kindern beim Spielen zu, erleben wir häufig einen unermesslichen Schatz an Ideen, Phantasie und Vorstellungen gepaart mit dem unumstößlichen Glauben, wirklich alles im Leben zu erreichen. Da werden Verbrecher gejagt, da wird der Pferdestall immer größer, Reitturniere werden gewonnen. Man ist König über ein unendlich großes Königreich und alle Untertanen tun, was man will. „Mama, wenn ich groß bin, dann fahre ich einen Sportwagen und einen Traktor.“ oder „Mama, ich werde Tierärztin, dann habe ich auch einen großen Reiterhof mit vielen Pferden und kann sie alle gut versorgen.“ Oder einfach: „Ich bin so stark! Ich bin so groß! Ich kann werden, was ich will.“ mag man (hoffentlich) oft aus einem Kinderzimmer hören. Noch ist das Spiel wenig getrübt von den Realitäten und Zwängen eines Alltags. Einzig der Glaube an die Gestaltungsmacht über das eigene Leben ist präsent.

Doch irgendwann wendet sich das Blatt. Zunächst haben einen die selbst gewählten Verantwortlichkeiten des Lebens mit Job, Familiengründung und Kindererziehung – die vermeidlichen Träume eines erfüllten Lebens – fest im Griff. Diese Zwänge nehmen dann irgendwann wieder ab. Das Haus ist abbezahlt, die Kinder werden groß. Dann nimmt man immer wieder mehr an den Stammtischen oder auch in vertrauten Wohnzimmerrunden Aussagen wahr wie: „Ach, wäre ich nur 10 Jahre jünger, dann würde ich noch einmal…“, „Ach, nee, dafür bin ich nun wirklich zu alt.“, „Ach, als ich jung war, hatte ich so viele Träume. Und was ist nun daraus geworden?“ Irgendwann im Leben gibt es einen Punkt, an dem wir die Gestaltungsmacht über unser Leben abgeben. Die Sachzwänge des Alltags haben uns fest im Griff. Da bleibt kein Raum mehr für Träume, für neue Ideen. Wir laufen in unserem Hamsterrad. Die Arbeit, der Job müssen gut laufen, das Haus muss abbezahlt und in Schuss gehalten werden, die Kinder müssen versorgt sein, sie müssen groß gezogen werden, damit sie hoffentlich gut auf eigenen Beinen stehen. Jahr um Jahr geht ins Land. Aber die Träume oder die Gestaltungsmöglichkeiten werden vergessen. Muss das so sein?

Nein. Denn wir vergessen, dass wir die Gestaltungsmacht für unser Leben haben. Alles, was wir tun, tun wir aus freien Stücken. Auch unsere Träume nicht weiter zu verfolgen. Oder sie dann doch wieder zu verfolgen und uns die Gestaltungshoheit in unserem Leben zu bewahren? Eine Freundin von mir entdeckte auf einmal in der Mitte ihres Lebens ihre Leidenschaft für den Sport und das Laufen. Sie erinnerte sich an das Bild, das sie einmal als Studentin vor fast dreißig Jahren in New York hatte: Einmal beim New York-Marathon über die Brooklyn-Bridge laufen. Und sie begann zu laufen und zu laufen und zu laufen. Erst Halbmarathons, dann auch einmal einen ganzen. Im vergangenen Jahr wurde sie 50 und für das kommende Jahr sind die Flüge schon nach New York gebucht. Sie wird ihn laufen, ihren Traum vom New-York Marathon.

Mit der Ankunft unserer Kinder begann für mich ein neuer Lebensabschnitt. Mit vielen Hürden und Herausforderungen. Doch die Entwicklung meiner Kinder so zu begleiten, dass sie irgendwann selbstständig im Leben stehen können, eröffnete mir neue Horizonte. So öffnete ich mich für neue Perspektiven und Ideen. Und so taten sich nach einer Weile auch neue Tore auf für eine berufliche Zukunft. Mittlerweile habe ich eine Aufgabe außerhalb der Familie, die zu meiner Verantwortung als Mutter passt. Es ist kein Jugendtraum, der sich nun verwirklicht, aber ich habe eine Aufgabe gefunden, die mich erfüllt. Denn ich habe meine Gestaltungsmacht über mein Leben nicht abgegeben, sondern sie behalten. Dass der Alltag funktioniert, bedarf nun noch ein wenig Kreativität.

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Von guten Vorsätzen für das neue Jahr…

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Photo by Ian Keefe on unsplash.com

Erneut haben wir ein Jahr hinter uns gebracht und das neue begrüßt uns mit offenen Armen. Ist die Umarmung diesmal wohlwollend? Oder stehen uns erneut so viele Prüfungen und Herausforderungen bevor wie im vergangenen Jahr? Letztes Jahr im Januar habe ich hier stolz geschrieben, dass ich mir keine Vorsätze vornehme oder Pläne schmiede, sondern in Gelassenheit schaue, wo mich das Jahr und seine Zeit hinführt. „Das Ego mag vielleicht einen Vorsatz brauchen. Dein Selbst braucht es nicht.“, las ich damals bei Katja von homeiswheretheboysare. Ja, sie hatte Recht.

Doch mich dem Schicksal ganz ergeben, hat mir im abgelaufenen Jahr nicht gut getan. Auch wenn ich mehr als stolz darauf sein kann, was mir trotz all der Schwierigkeiten, Herausforderungen und Sorgen dennoch gelungen ist. Ich habe meine Ausbildung beendet und erfolgreich abgeschlossen. Ich habe wieder einen festen Job und werde im Laufe diesen Jahres sogar in Vollzeit als Lehrerin anfangen zu arbeiten. Und ich habe ein Stipendium für ein neues Buchprojekt bekommen. Aber die eigene Selbstfürsorge blieb weiterhin auf der Strecke. Zu wenig Sport. Nicht wirklich viel gelesen, zumindest nicht so viel wie ich gehofft hatte. Zu oft zu wenig Schlaf, zu ungesund gegessen. Da war ich schon besser.

Ich habe meine kranke Mutter nach ihrem Schlaganfall gepflegt und umsorgt, ihr ein neues Zuhause gegeben, sie auf dem Wege der Genesung begleitet. Als es ihr besser ging, hat sie sukzessive den Kontakt abgebrochen, uns nur mit Nicklichkeiten beschäftigt und auf Trab gehalten. Irgendwann ist sie einfach verschwunden. Ohne mir all mein Geld, das ich für sie vorgelegt hatte, zurückzuzahlen, ohne eine Geste des Dankes. Zurückbleiben nur eine Anzeige wegen Hausfriedensbruch und Nötigung. Aber wo sie ist, wissen wir nicht. Und damit ist das Kapitel abgeschlossen. Was die Fürsorge eines alten Elternteils angeht, habe ich meine Schuldigkeit getan. Nun bin ich raus. Endgültig.

Maxim und Nadeschda geht es gesundheitlich inzwischen wieder so weit gut. Wir sind durch die tiefsten Täler der Angst gegangen und haben sie bewältigt. Beim nächsten Mal werden wir damit wieder anders umgehen. Dessen bin ich mir sicher. Es stimmt eben doch, dass man mit seinen Herausforderungen wächst. So hart das klingt, aber beim ersten Fieber von Maxim waren wir völlig hilflos und überfordert. Wenn er heute 40 Fieber hat, bleibe ich gelassen. Sollten wir das nächste Mal mit einer ungewissen Krebsdiagnose konfrontiert sein, werden wir schlucken, aber ich bin mir dessen gewiss, dass es uns nicht mehr so beuteln wird wie in diesem Jahr. Das hatten wir. Wir sind durch diese unermessliche Angst durchgegangen.

Mit Blick auf die Schwierigkeiten mit der Schule, habe ich erneut Maxim’s und Nadeschda’s Lernschwächen erkannt und kann ihnen hoffentlich helfen, damit umzugehen. Erneut habe ich gelernt, mich eben nicht in das System zu begeben. Das hilft nicht. In keiner Weise. Meine Kinder sind eben nicht die Norm. Das habe ich in einer erneuten Lektion mit Nadeschda bitterlich erkennen müssen. Und auch wenn ich mich in das System begebe, bekomme ich nicht die Hilfen, die ich, die meine Kinder brauchen. Ich muss unseren eigenen Weg finden. Auch das haben wir wieder in diesem abgelaufen Jahr geschafft. Für Nadeschda habe ich einen Weg gefunden, den wir jetzt gehen. Und auch für Maxim werde ich einen Weg finden. Das weiß ich. Und das, was meine Kinder in der Schule nicht lernen – was das meiste ist -, haben sie inzwischen von mir gelernt. Wieder war ich beseelt, wie großartig Nadeschda inzwischen lesen kann. Und auch die Dyskalkulie sind wir dabei in den Griff zu bekommen. Am Ende ist klar, ich bin im Tiefsten davon überzeugt, dass meine Kinder ihren Weg durch die Schule gehen. Sie werden sicherlich keinen Nobelpreis gewinnen, aber sie werden einen Beruf erlernen, der sie glücklich und zufrieden macht, der sie ihren Alltag bestreiten lässt.

Die Amerikaner sind immer großartig in Redewendungen. Ich habe mich im vergangenen Jahr entschieden nach allem,was passiert war, nicht mehr die Ausbildung weiter zu gehen, um die Qualifikation für die Oberstufe zu bekommen – die Rahmenbedingungen waren einfach zu ungünstig. Ich sagte mir einfach: „I don’t have to do this anymore.“ Irgendwann ist es gut. Ich habe genug erreicht in meinem Leben. Ich muss mir nicht auch noch das beweisen. Und so gibt es die andere Redewendung: „Why settle for something less?“ Ich werde meinen Kindern nicht den bequemen Weg durch das Schulsystem bieten, ich werden ihnen nicht die Kellerdecke hinhängen, wenn sie sich nach dem Himmel strecken können. Sie werden sich nach dem Himmel strecken, wenn wir ihnen diesen reichen, dessen bin ich mir gewiss. Ich werde ihnen diese Chance niemals nehmen. Egal wie. Dafür bin ich inzwischen bereit sehr weit zu gehen.

Was sind also meine Vorsätze für diese junge, neue Jahr? Habe ich welche? Wäre es gut, welche zu haben? Keine zu haben, hat mich auch nicht glücklich gemacht. Zu sehr ließ ich mich „ablenken“ und zu schnell klein beigeben bei all dem, was dann so im Alltag auf mich einprasselte. Das möchte ich nicht mehr. Vielleicht ist es, wenn ich jetzt so darüber nachdenke, nur ein Vorsatz, den ich mir für dieses Jahr vornehme: Ich möchte meinen eigenen Wünschen und Prinzipien treu bleiben. Und wenn diese gefährdet sind, dann muss ich in meinem alltäglichen Leben etwas ändern. Schneller, als ich das im vorangegangen Jahr getan habe.

Ich muss und will auf mich selbst aufpassen. Mehr, viel mehr, als ich das im letzten Jahr getan habe. Denn nur dann, nur wenn ich wirklich gut zu mir selbst bin, dann kann ich auch meinen Kindern, Maxim und Nadeschda die Mutter sein, die sie in diesem kommenden Jahr brauchen.

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Besinnliches zwischen den Jahren – Von den Rauhnächten

Von den Rauhnächten – Vorboten des neuen Jahres

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Danke an Pixabay

„Weihnachten – erhofft und geliebt, mißlungen, verloren, verspottet und dennoch tief ersehnt.“ habe ich erst vor ein paar Tagen im Buch der 12 Heiligen Nächte von Cordelia Böttcher gelesen. Ihm folgt die lang herbeigesehnte „Zeit zwischen den Jahren“, wie man so schön sagt. Viele streben danach, an diesen Tagen, die mit dem Heiligen Abend beginnen und mit dem Heiligen Drei Königsfest am 6. Januar enden, frei zu nehmen und sich zu erholen. Vielleicht schwingt auch die Sehnsucht nach einem Stück innerer Besinnung mit. Denn dies ist auch die Zeit der Rauhnächte.

Mit den Rauhnächten sind die Nächte vom 25. Dezember bis zum 6. Januar gemeint. Es sind die dunkelsten Nächte des alten und des neuen Jahres. Sechs Nächte liegen im alten Jahr, sechs im neuen. Es sind zwölf Nächte, die nicht existent sind, so die Überlieferung: Denn um die Differenz zwischen zwölf Monaten in den Mondphasen (354 Tage) und dem Sonnenjahr (365 Tage) auszugleichen, fügten die Kelten elf Schalttage ein – und sahen diese Tage nun als außerhalb der Zeit liegend an. Es ist die längste “Zwischenzeit”, die wir kennen.

In diesen Nächten, die außerhalb der Zeit liegen, stehen die Tore zu einer anderen Welt weit offen. Es ist die Zeit der Rückverbindung zu den Ahnen, die Verbindung zu den Lichtwesen, Engeln und Erzengeln. Es ist die Zeit der Orakel, Weissagungen, der Auflösung und des Neubeginns. Oder kurz gefasst: Die Zeit, sein Schicksal neu zu gestallten.

Vor allem geht man davon aus, dass diese zwölf Nächte die Vorboten für das kommende Jahr sind. Jede Nacht für einen Monat. Begehen wir die Rauhnächte wachsam, so können sie die Vorboten für das kommende Jahr sein.  Also, das, was wir in der Nacht zum 25. Dezember wahrnehmen, steht für den Januar, das, was wir am 26. Dezember empfinden oder träumen, für den Februar. Und so weiter. Das, was uns in dieser Zeit widerfährt und begegnet, gerade in Träumen oder in Gedanken in der Stille, sind Hinweise und Zeichen für das, was uns in den kommenden zwölf Monaten des neuen Jahres erwarten wird.

In früheren Zeiten waren die Rauhnächte heilige Nächte. In ihnen wurde möglichst nicht gearbeitet, sondern nur gefeiert, wahrgenommen und in der Familie gelebt. Die Bauern kamen zur Ruhe nach den langen Monaten der Feldarbeit. – Wenn, dann waren sie in dieser Zeit nur im Haus tätig. Die Bezeichnung Rauhnächte kommt auch von Rauch oder Räuchern. Dies nicht nur, weil vermeidlich böse Geister vertrieben und diese im wahrsten Sinne des Wortes ausgeräuchert wurden, sondern auch, weil das Fleisch für den Winter geräuchert wurde. – Vielleicht mag sich nun der ein oder andere in den kommenden Rauhnächten, die uns ab heute Nacht erwarten, wieder ein Stück rückbesinnen auf sich selbst und in achtsamer Erwartung auf das Schauen, was das neue Jahr bereit hält.