Der PFAD Bundesverband hat in dieser Woche auf einen spannenden Beitrag des rbb Berlin auf seinem Blog hingewiesen, in dem die Ursachen für die rückläufigen Bewerberzahlen bei Adoptionen in Deutschland unter die Lupe genommen werden. Im Falle von Berlin, wo die Zahlen drastisch zurück gegangen sind, liegt es auch daran, dass das Jugendamt seine eigenen Praktiken nicht an die inzwischen in Deutschland verbreitete spätere Familienplanung angepasst hat. Aber lest selbst…(hier)
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„Wunschkinder“ im FilmMittwoch in der ARD – Filmrezension einer Adoptivmutter
Im Rahmen des FilmMittwoch zeigte die ARD gestern „Wunschkinder“, die Verfilmung von Marion Gaedickes Roman „Wunschkind – Geschichte einer Adoption“. Es ist die Geschichte von Marie und Peter, die sich nach Jahren, in denen ihr Kinderwunsch unerfüllt bleibt, für die Adoption eines Kindes aus Russland entscheiden. Es folgen Monate der Vorbereitung, des Bangens und Wartens auf den Kindervorschlag. Als sie endlich zum ersten Mal nach Russland reisen, um ihre Adoptivtochter kennenzulernen, trifft die Begegung sie mitten ins Herz. Aber ihr Adoptionsantrag wird vom russischen Gericht aufgrund eines Verfahrensfehlers abgelehnt. Die Heimleiterin schlägt ihnen ein zweites Mädchen zur Adoption vor. Doch Marie drängt auf ein Anfechten des Gerichtsurteils. Der Kampf um das Erfüllen von Maries und Peters Lebenstraum wird zur Zerreißprobe für ihre Partnerschaft.
Richard und ich haben „Wunschkind“ während unseres Adoptionsprozesses gelesen und waren vor unseren eigenen Erfahrungen in Russland von dem Buch gefesselt. „Das ist unsere Geschichte.“ sagte Richard einmal. Das Buch bereitete mich auf viele Unwägbarkeiten in unserem eigenen Adoptionsprozess vor. Es hinterließ das bestärkende Gefühl, dass, egal welche Schwierigkeiten uns auch in Russland begegnen würden, es sich lohnt, für unseren eigenen Lebenstraum zu kämpfen. Gespannt war ich gestern auf die filmische Umsetzung. Denn wie transportiert man ohne Vorurteile zu bedienen, die Kinderlosigkeit, den Weg der Auslandsadoption, zudem noch aus Russland, die Herausforderungen des Adoptionsprozesses und die Belastungen für die werdenden Eltern, nicht nur faktischer Natur, sondern auch emotional in der Paarbeziehung in nur 90 Minuten? Und das ohne sich plakativer Klischees zu bedienen?
„Wunschkinder“ fand eine berührende Antwort auf diese Fragen. Den Filmemachern um Drehbuchautorin Dorothee Schön, Regisseurin Emily Atef und Produzent Michael Polle war es mit sicherlich viel bedachtem und prägendem Einfluss der Buchautorin gelungen, einen bewegenden Abschnitt im Leben eines kinderlosen Paares realistisch in einen Film zu verwandeln, der nüchtern den Blick auf ein Nischenthema in der Gesellschaft wirft. Wie Ralf Wiegand in der Süddeutschen gestern schrieb:
„Wunschkinder verliert in keiner Sekunde den Respekt vor den Menschen, die der Film beschreibt – und auch nicht vor jenen Zuschauern, die im echten Leben ähnliche Erfahrungen gemacht haben und nun zufällig an diesem Mittwoch vor dem Fernseher sitzen. Auch wenn der Film ausdrücklich keiner über Adoption sein will, sondern die Liebesgeschichte von Marie und Peter erzählt, einem kinderlosen Paar, das für seinen Traum von einer Familie weit geht: Er nimmt diese Adoption doch ungeheuer ernst.“
Gleichzeitig ist dieser Film so persönlich, denn er erzählt eine wahre Geschichte: Nicht nur die von Marion Gaedicke, ihrem Mann und ihren zwei Töchtern, sondern die von hunderten von Familien mit Kindern und Jugendlichen, die in den vergangenen Jahrzehnten aus Russland (oder anderen Ländern) adoptiert wurden.
„Wunschkinder“ hat auch unsere Geschichte erzählt. Mit fast jeder Szene wurde ich zurückgeführt in unsere eigene Zeit der Kinderlosigkeit, der Kinderwunschbehandlung, der Fehlgeburten, der Suche nach einem anderen Weg, eine Familie zu gründen. Einzig die Szene im ersten Seminar im Jugendamt ließ mich zucken, als die Jugendamtsmitarbeiterin eine Aussage traf, die bei mir anklang, als sei eine Adoption quasi die Ultimos Ratio, den egoistischen Kinderwunsch zu erfüllen. Diese Auffassung teile ich nicht und uns hat sie auch nicht zu der Adoption unserer Kinder aus Russland geführt. Beeindruckt bin ich aber im Nachhinein, mit welcher Akribie im Detail – und geschickt in vielen kleinen Szenen verpackt- vielen Vorurteilen einer Adoption aus Russland begegnet wurde: Die Motivation von Marie, Russland als Herkunftsland zu wählen, da sie einen positiven Bezug zu diesem Land hatte, das Überprüfungsverfahren in Deutschland mit unzähligen Gesprächen und Formularen unterstützt von einer kompetenten und kooperativen Vermittlungsagentur, mögliche Krankheiten und Behinderungen der Kinder und die Auseinandersetzung der Adoptionsbewerber mit diesen möglichen Herausforderungen, das ordentliche und korrekte Verfahren der Behörden in Russland, die keine Willkür duldeten; selbst der Argwohn der Erzieherinnen im Kinderheim gegenüber ausländischen Adoptionsbewerbern fand seinen Platz. Noch einmal mehr zeigte dies den ernsthaften und respektvollen Umgang mit dem Thema Adoption.
Die Bilder in Russland ließen mich an unser eigenes Adoptionsabenteuer zurückdenken. Der Flughafen, die Birkenwälder entlang der Straßen, die Übersetzerin, das Kinderheim, die Erzieherinnen, die Heimleiterin, selbst die Richterin und der Richter und vor allem die Begegnungen mit den Kindern. Auch wenn ich damals, als wir Maxim und Nadeschda im Heim kennenlernten, die Romantik, die ich aus Gaedickes Buch herausgelesen hatte, vermisste, so weckten die Szenen im Kinderheim gestern eine fast nostalgische Wehmut in mir. Unsere Begegnungen mit Maxim und Nadeschda verliefen ähnlich: Ein kleiner neugieriger Maxim, der erwartungsvoll unser Spielzeug inspizierte und sich so freute, wenn wir mit ihm spielten. Eine ängstlich weinende Nadeschda, die sich zögerlich an meine Brust schmiegte und sich nach ein paar Momenten beruhigte. Die Szenen im Gericht ließen meine eigene Angst vor einem ablehnenden Urteil von damals wieder wach werden. Doch als die Richterin schließlich das filmabschließende Urteil sprach, flossen auch bei mir Tränen der Erleichterung. Tränen, die ich damals im Gerichtssaal vielleicht aufgrund meiner eigenen Anspannung nicht vergossen hatte; Tränen der unendlichen Dankbarkeit, Maxim und Nadeschda in unserem Leben zu haben.
Schwierige Liebe – Über das Bindungsverhalten von Adoptivkindern

Alex Blajan, unsplash.com
In Vorbereitung auf unsere Adoption zeigte eine Seminarleiterin uns einen Teddybären. Er hatte unzählige abgeschnitten Fäden an Armen und Beinen. „So wird ihr Kind zu ihnen kommen,“ erläuterte sie uns, „mit all seinen abgeschnittenen und gekappten Bindungen, die aus seinem früheren Leben nicht weitergingen. Seine leiblichen Eltern, möglicherweise Geschwister, Erzieherinnen im Heim, die irgendwann nicht mehr da waren, andere Kinder aus der Heimgruppe, die aus welchen Gründen auch immer irgendwann nicht mehr da waren etc. etc. etc.“ An diesen Teddybären muss ich in der letzten Zeit wieder denken.
Es steht außer Frage, dass meine Kinder ein verletztes Bindungsverhalten hatten, als sie zu uns kamen. Das brachte ihre Geschichte mit sich. Genauso wie sie kein Urvertrauen entwickeln konnten, haben sie auch nicht lernen dürfen, sich an eine verlässliche Bezugsperson zu binden. Beide zeigten Verhaltensmuster von unsicher vermeidender Bindung, wie in der Fachliteratur Bindungstypen bei Kindern klassifiziert werden, (sie demonstrieren eine Pseodunabhängigkeit, bzw. Autonomie und ein zuweilen auffälliges Kontakt- und Vermeidungsverhalten) und einer unsicheren ambivalenten Bindung (ein Schwanken zwischen klammerndem und aggressiv-ablehnendem Verhalten).
Als Maxim und Nadeschda zu uns kamen, taten wir all das, zu dem uns Adoptionsspezialisten und die Fachliteratur geraten hatten: In den ersten Wochen begaben wir uns in die Isolation. Nur wir vier waren ständig zusammen. Kontakte zu Freunden oder anderen Familienmitgliedern gab es kaum und wenn dann nur nach und nach und immer wohl dosiert bei uns Zuhause. So sollten Maxim und Nadeschda lernen, dass Richard und ich ihre wichtigsten Bezugspersonen sind, dass wir immer für sie da sind. Genauso waren Richard und ich die einzigen, die alle „intimen Alltäglichkeiten“ mit ihnen verrichteten. Nur wir wuschen sie, nur wir gaben ihnen zu essen, nur wir zogen sie an, nur wir gingen mit ihnen auf die Toilette, nur bei uns gingen sie an der Hand, nur wir brachten sie ins Bett. Erst nach Monaten ließen wir auch Dritte, wie unsere Kinderfrau oder meinen Bruder, einzelne Aufgaben der Fürsorge übernehmen. Und auch heute noch, Jahre danach ist es ein ungeschriebenes Gesetz zwischen Richard und mir, dass wir maximal an einem Abend in der Woche Maxim und Nadeschda von unserer Kinderfrau oder Daniel ins Bett bringen lassen. Die Konsequenz mit der wir das taten, schien sich auszuzahlen. Denn unsere Kinder schienen recht bald schon an uns gebunden zu sein. Lange glaubten wir, auf einem guten Weg zu sein.
Wenn ich heute in einem Seminar sitze und etwas über die Bindung von Adoptivkindern höre, muss ich manchmal müde lächeln. Da werden die vier unterschiedlichen Bindungstypen erläutert und empfohlen, genau das zu tun, was ich eben beschrieben habe. Auch den Rat, die Entwicklung des Bindungsverhaltens nachzunähren, haben wir befolgt. Wir sind mit Maxim und Nadeschda zurück in ihr Babystadium gegangen – vielleicht bei Maxim zu wenig – aber dennoch wir haben es getan. Doch dem Optimismus, dass nach wenigen Monaten oder einem Jahr, so eine stabile Bindung zwischen Adoptivkindern und -eltern entsteht, kann ich heute nicht mehr teilen.
Bindungsarbeit hört nicht auf. Auch Jahre danach noch brechen immer einmal wieder alte Wunden auf, und unsere Kinder stellen die Bindung an uns Eltern in Frage. Maxims Wutanfälle sind ein Beispiel dafür, genauso wie Phasen, in denen er den Blickkontakt meidet, mich ignoriert. Nadeschdas Verlustängste, ihr Klammern an mich, um mich dann im nächsten Moment wieder wegzuschieben, ein anderes Zeichen. Manchmal liegt es auf der Hand bei genauerer Betrachtung, warum wieder alte Verletzungen berührt wurden, wie bei meinem Zuspätkommen . Manchmal bleibt mir die Ursache auch über Wochen verborgen. Ich kann dann nur versuchen, meinen Kindern sklavisch penible Verlässlichkeit und Sicherheit zu bieten, wieder zurückzugehen in das Nachnähren früherer Zeiten. Ihnen in jeder Sekunde zu zeigen, dass ich für sie da bin, dass ich sie halte, dass ich nie aus dem Kontakt mit ihnen gehe, egal wie schwierig es vielleicht auch sein mag. Für mich ist die „Bindungsarbeit“ bei Adoptivkindern ein lebenslanger Prozess. Ich wage zu bezweifeln, dass er jemals abgeschlossen werden kann.
Auf der anderen Seite ist er für mich ein Lehrstück in absoluter bedingungsloser Liebe. Er lehrt mich Demut und Achtsamkeit. Und die dann manchmal überraschenden Liebesbekundungen meiner Kinder erfüllen mich mit großer Dankbarkeit. Wenn Maxim mir seinen Hosentasche mit Steinen ausleert und sagt: „Mama, die habe ich alle nur für Dich gesammelt. Für Dich ganz allein, meine Supermama.“ Oder wenn Nadeschda mir in der Schulmensa entgegenläuft und aus vollem Halse ruft: „Meine Mami!“ Dann muss ich wieder an den Teddy denken. Ich lächle innerlich und spüre, dass er auch mit seinen vielen abgeschnittenen Fäden langsam zur Ruhe kommt und neben den vielen losen Enden neuer Halt mit neuen fest verknüpften Fäden wächst.
„Zwei Mamas“ – Vom Umgang mit der leiblichen Mutter
Die leibliche Mutter. In vielen Adoptivfamilien, die aus einer geschlossenen Adoption entstanden sind, ein Phantom. Eine abstrakte Gestalt, zu der es vielleicht einen Namen gibt, manchmal ein Bild. In der Literatur und auch von Spezialisten wird geraten, die leibliche Mutter weder zu verschweigen, noch schlecht über sie zu reden. Das fällt im Anblick von tragischen Lebensgeschichten kleinster Kinder, die in der Konsequenz von ihrer leiblichen Mutter getrennt wurden, schwer.
Lange bin ich von einer Auseinandersetzung mit der russischen Mutter meiner Kinder verschont geblieben. Denn im Gegensatz zu vielen anderen Adoptivkindern fragt Maxim wenig bis gar nicht nach seiner russischen Mutter. Er kennt seine Geschichte. Wir gehen Zuhause offen mit dem Thema seiner Adoption um. Er weiß, dass er zwei Mütter hat, seine russische Mutter, die ihn geboren hatte und mich, die immer für ihn da ist. Fragen kommen von ihm jedoch nicht.
Doch irgendwann kam der Zeitpunkt, vor dem es allen Adoptivmüttern graut. Eines Tages sagte ein Kind beim Spielen zu Maxim: „Die Charlotte ist ja gar nicht Deine richtige Mama.“ und um noch eines oben drauf zusetzen: „Deine richtige Mama ist gestorben.“ Unser Sohn reagierte nach dem ersten Schock großartig: „Nein, ich habe eben zwei Mamas.“ Dennoch spürten Richard und ich, dass Maxim der Angriff des anderen Kindes weiter beschäftigte. Doch mit uns sprechen wollte Maxim nicht. Unsere Versuche, ihm wieder seine Geschichte zu erzählen, tat er mit den Worten ab: „Das weiß ich doch!“
Im Rückblick bin ich mir nicht sicher, ob mich selbst dieser Ausspruch des Kindes „Die Charlotte ist ja gar nicht Deine richtige Mama.“ viel mehr traf als meinen Sohn. Denn mit der Wertung von richtig und falsch fühlte ich mich in meiner Mutterrolle angegriffen. War ich keine richtige Mutter, nur weil ich meine Kinder nicht selbst geboren hatte? Warum war die russische Mutter von Maxim und Nadeschda die richtige Mutter? Das fiel mir schwer zu akzeptieren, wenn ich mir die Lebensgeschichte meiner Kinder vor Augen führte. Ich spürte, dass ich ein Thema mit der leiblichen Mutter meiner Kinder hatte, mit dem ich mich auseinandersetzen musste.
Bewertungen und Rangfolgen der Mütter waren hier fehl am Platze. Das Schicksal hatte es so gewollt, dass meine Kinder zwei Mütter haben, und beide Mütter haben ihre Berechtigung. Um das zu akzeptieren, musste ich in eine andere Haltung gegenüber der russischen Mutter meiner Kinder kommen. Dabei half mir, die russischen Dokumente mir noch einmal vorzunehmen und sie aus der Perspektive zu lesen, dass sie so geschrieben waren, dass die russischen Behörden die Adoption legitimieren konnten. Ich schälte alles schlimme und schmerzliche ab, bis ich in eine neutrale und wertfreie Betrachtung kam. Die russische Mutter meiner Kinder hatte ihnen das Leben geschenkt, weil sie der Überzeugung war, dass sie sie hätte großziehen können. Sie war weise genug, an dem Punkt, als sie dazu nicht mehr in der Lage war, Hilfe zu suchen. Die Behörden hatten ihr geholfen, neue Eltern für ihre Kinder zu finden, die stark genug waren, ihnen ein neues Zuhause zu geben und sie fürsorglich großzuziehen. So könnte es bei Maxim und Nadeschda gewesen sein. Ihre russische Mutter hatte meinen Kindern das Leben geschenkt, ich führte meine Kinder als ihre Mutter in das Leben hinein und begleitete sie auf ihrem Weg in ihr eigenes Leben. In dieser Vorstellung fand ich meinen Frieden mit der Herkunftsmutter meiner Kinder. Ich fühlte mich selbst bestärkt in meiner eigenen Rolle als Mutter meiner Kinder, ohne Schmerz und Wehmut. Zumindest vorerst.
„Geburtserfahrungen“ einer Adoptivmutter
Lange habe ich geglaubt, das mir eine wirkliche Geburtserfahrung mit meinen Kindern fehlt. Sie sind eben auf einem anderen Wege zu mir gekommen. Da es mir in meinem Kinderwunsch nicht primär um das Schwanger werden und sein ging, sondern darum, ein Kind auf seinem Weg ins Leben zu begleiten, belastete mich der Umstand der fehlenden Geburt nicht. Erst im Laufe der Zeit, in der ich mit meinen Kindern zusammengewachsen bin und wir gemeinsam über viele Hürden gegangen sind, um eine enge Bindung zu einander aufzubauen und wachsen zu sehen, bedauere ich es hin und wieder, meine Kinder nicht geboren zu haben.
Doch nun habe ich neulich das bereichernde Buch von Sherrie Eldridge „20 Things Adoptive Parents need to succeed“ gelesen, und stieß dort auf einen spannenden Passus. Gegen Ende des Buches zieht sie die Parallelen zwischen physischer Geburt und Adoption. Wie bei einer physischen Geburt erleben Adoptiveltern, so Eldridge, genau dieselben Stadien von „Empfängnis“, „Geburtswehen“ und tatsächlicher „Geburt“. Adoptivmütter erleben eine ähnliche Euphorie, die leibliche Mütter spüren, wenn sie erfahren, dass sie schwanger sind. Adoptivmütter müssen manchmal durch Höllenqualen unterschiedlichster Art gehen, die körperlich schmerzen wie Wehen. Adoptivmütter werden genauso von einer Glückswelle übermannt wie es eine leibliche Mutter nach der Geburt, wenn sie ihr Kind endlich in den Armen halten.
Was waren meine Erinnerungen an die „Geburt“ meiner Kinder?
Im Herzen empfangen
Es war kein Bild und keine Geschichte, die uns zu unseren Kindern bewegte. Es war die kurze, aber um so überraschendere Mitteilung unserer russischen Koordinatorin auf dem Moskauer Flughafen, dass wir am folgenden Tag einen Jungen UND ein Mädchen kennenlernen würden. Vielleicht fühlte ich mich im ersten Moment so, wie man sich nach einem Schwangerschaftstest fühlt und der Arzt einem noch mitteilt, dass man Zwillinge erwartet. Ich weiß bis heute, dass ich in diesem Moment genau spürte, dass es alles so hätte sein sollen, all die Anstrengungen im vorangegangenen Adoptionsprozess, das Scheitern der ersten Adoption. Ich zögerte keine Minute, dass ich diese zwei Kinder annehmen und lieben lernen würde. – Um mich vor Enttäuschungen im weiteren Prozess zu schützen, ließ ich jedoch nicht vollends zu, dass beide Kinder schon ganz tief in meinem Herzen waren, und ich sie nicht mehr herauslassen würde. Doch im Grunde war es so. Sie wuchsen in meinem Herzen, wo sie immer bleiben würden.
Kontinuierliche Wehen bis zur Gerichtsverhandlung
Selten passiert es, dass eine Adoption kurz vor Abschluss scheitert, so wie bei uns in unserem ersten Fall. Der Schmerz ist unermesslich.
Doch allein der gesamte Adoptionsprozess ist mit Anstrengungen verbunden. Sich immer erneuten Gesprächen zur Überprüfung zu unterziehen, Gutachten erstellen zu lassen, zig Papiere und Dokumente zu besorgen, diese beglaubigen und überbeglaubigen lassen. Wenn es zur Gerichtsverhandlung kommt, noch mehr Papiere beibringen, noch detaillierter die Vermögensverhältnisse darstellen, etc. etc. etc. Immer mit dem drohenden Satz der Vermittlungsagentur im Hinterkopf: „Denken Sie dran, von der Qualität der Papiere hängt die Zukunft ihre Kinder ab.“ Die nervliche Anspannung, wann kommt es endlich zu einem Gerichtstermin. Wird dieser wieder scheitern? In der Zukunft verwischen die Erinnerungen daran. Nach ein paar Jahren denke ich zwar: „Ach, so schlimm war es ja gar nicht.“ Ähnlich wie bei physischen Wehen. Die Euphorie der Geburt legt einen Schleier über die schmerzhaften Wehen des Adoptionsprozesses.
„Geburt“ meiner Kinder
Als der Richter nach einer anstrengenden und strapaziösen Gerichtsverhandlung den magischen Satz sagte: „Heute werden zwei neue Kinder geboren…“ , fühlte sich dies wie die befreiende Wirkung an, wenn die Wehen und der Schmerz endlich nachlassen, wenn man zum ersten Mal spürt, es ist vollbracht, es ist geschafft, all die Anstrengungen sind nun vorbei. Vorerst.
Der wirkliche geburtliche Glücksmoment nach der Ankunft unserer Kinder war auf dem Rückflug von Moskau nach Deutschland. Schon kurz nach dem Start des Flugzeugs waren beide Kinder ermattet aber friedlich eingeschlafen. Maxim lag in meinem Schoß, Nadeschda schlief in Richards Armen. Über unsere Kinder hinweg, sahen wir uns an. Für einen Moment fiel alle Anspannung und Last der letzten Wochen von uns. Wir spürten, wie eine Welle tiefen Glücks über uns hereinbrach und wir uns bewusst wurden: „Dies sind jetzt unsere Kinder! Für immer!“
Adoptivfamilien – die kleine zweite Klasse?
Von Fallzahlen und dem fehlenden politischen Willen

Mit freundlicher Unterstützung von fotolila
Im Vergleich zu unseren europäischen Nachbarländern wie Frankreich und Italien oder Nordamerika ist Deutschland Entwicklungsland in Sachen Adoptionen. In Bezug auf Auslandsadoptionen immer noch eher „Unterentwicklungsland“. Warum ist das so? Lest mehr in meiner aktuellen Kolumne: „Adoptivfamilien – die kleine zweite Klasse? – Von Fallzahlen und dem fehlenden politischen Willen“