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#bestofElternblogs April 2019

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Die liebe Anja von der Kellerbande hat einmal wieder zu ihrer beliebten Blogparade #bestofElternblogs April 2019 aufgerufen. Da mache ich doch gerne endlich einmal wieder mit. Vielleicht auch mit dem Wunsch, in diesem nun neu beginnenden Monat ein paar Beiträge mehr wieder zu veröffentlichen. – Die Zahl der begonnenen, aber bisher unvollendeten Beiträge wächst stetig auf meinem Rechner…

Wieder einmal erleuchtend und interessant war der Blick in die Zahlen. Denn diesmal war es mein Beitrag aus der vergangenen Woche zu „Du bist nicht meine echte Mutter!“, der mit relativ großem Abstand zu den anderen Beiträgen diesmal die meisten Klicks verzeichnete. Hier schildere ich von der Begebenheit, an der mein Sohn mir zum ersten Mal wütend an den Kopf warf: „Du bist nicht meine echte Mutter!“ und wie wir beide einen guten Weg aus diesem Wutanfall fanden. Aber lest selbst hier

Habt lieben Dank für’s Lesen, Liken und Kommentieren!

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„Du bist nicht meine echte Mutter!“

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Photo by The HK Photo-Company on unsplash.com

Da war er dann da der Tag, vor dem sich so viele Adoptivmütter vielleicht fürchten. Vor Jahren wurden sie vielleicht im Zuge des Adoptionsprozesses darauf vorbereitet. Doch dann liefen die Jahre nach der Ankunft des Kindes so dahin, man wuchs zu einer Familie zusammen. Ja, die Adoption war natürlich immer wieder ein Thema, auch die Tatsache, dass das Kind zwei Mütter hat, manche würden von einer Herzmama und einer Bauchmama sprechen – ich persönlich finde diese Begrifflichkeit immer noch unglücklich, habe aber bis zum heutigen Tag keine andere oder bessere Begrifflichkeit gefunden. Wir umgehen sie, in dem wir von der Mama in Russland sprechen, die unseren Kindern das Leben geschenkt hat, sie manchmal bei ihrem Vornamen nennen, und von mir, als der deutschen Mama, der Mama, die nun für Maxim und Nadeschda sorgt und sie durch das Leben begleitet. Doch alles geht so seinen Gang, Herkunft und Wurzeln sind wichtig, mal mehr mal weniger. Vielmehr überlagern immer wieder andere Themen unseren Alltag. Und dann ist er da, der Tag, an dem mein Sohn wutschnaubend vor mir steht und mir mit tiefster Inbrunst ins Gesicht brüllt: „Du hast mir gar nichts zu sagen. Du bist NICHT MEINE ECHTE MUTTER!!!!!“

Ich schlucke erst einmal und halte die Worte zurück, die ich darauf vielleicht genauso impulsiv wie mein Sohn hätte antworten wollen. Ich gucke ihn ein paar Momente an und verlasse das Zimmer. Innerlich gehe ich die Treppe herunter, von der so viele Traumtherapeuten sprechen, zähle nicht bis zehn, sondern bis zwanzig und dann auch noch einmal rückwärts. Ich konzentriere mich nur auf meinen Atem. Und dann kommt mir plötzlich in den Sinn, dass ich nun die Chance habe, mich endlich einmal wirklich so zu verhalten, wie es diese unzähligen Ratgeber einem immer sagen, man es aber ganz ehrlich im Eifer des Gefechts dann doch nicht immer hinbekommt. Ich gehe zurück zu meinem Sohn, bleibe ganz ruhig, bringe ihm sein Wasser und seinen Snack, um den es vor dem Streit und seinem Wutausbruch ging und erwähne seinen wütenden Ausruf mit keiner Silbe. Verdutzt schaut er mich an, denn es ist wahrscheinlich wirklich das erste Mal, dass ich auf seinen Wutausbruch gar nicht eingehe. Ich spiele das Spiel nicht mit, ich tanze den Tanz nicht mit. Denn er würde uns beide nur verlieren lassen. 

Erst am Abend in einem ruhigen Moment greife ich das Thema der echten Mutter wieder auf. Ruhig erkläre ich Maxim, dass er eben zwei Mütter hat, das ist etwas besonderes in dem Sinne, dass er damit anders ist als die meisten Kinder in seiner Klasse. Aber ich könnte sehr gut verstehen, dass ihn das wie so vieles andere auch manchmal unendlich wütend und traurig macht. Seine russische Mutter habe ihm das Leben geschenkt – wofür wir ihr sehr dankbar sind – und ist insofern seine echte Mutter, ich bin die Mutter, die ihn ins Leben begleitet und immer für ihn da ist So bin ich auch seine echte Mutter. Es gäbe eben kein echt und unecht oder kein richtig und falsch. Wir beide wären seine Mütter, aber mit unterschiedlichen Aufgaben. Wie so oft hörte mein Sohn mir nur stumm zu, doch ich merkte, dass es in ihm anfing zu arbeiten….

Ganz ehrlich, das ist kein schönes Gefühl, wenn das eigene Kind sich vor einem aufbaut und aus tiefster Überzeugung mit unendlich viel Wut in der Stimme brüllt „Du bist nicht meine echte Mutter.“ Wenn „ECHT“ gebären und ins Leben bringen heißt, worauf sich das Mutterverständnis meist reduziert, dann wäre es tatsächlich so, dass ich nicht Maxim’s echte Mutter bin, auch wenn ich mir bis heute so sehr wünschte, es gewesen zu sein, um ihm all dieses Leid, dass ihn bis heute in mancherlei Hinsicht noch prägt, erspart haben zu können. Doch das Schicksal wollte es anders. Und es schmerzt, mit all den anderen Mutterqualitäten, mit denen ich meinen Sohn versuche ins Leben zu begleiten, ihm nur so schwer und so langsam diesen Schmerz, Wut und Trauer zu nehmen. Es kommt mir ein wenig vor, als könnte all das, all diese Liebe und Fürsorge nicht oder manchmal nur kaum dieses eine aufwiegen. Das nagt in mir. Immer noch und immer wieder.

Aber auf der anderen Seite war ich sehr stolz auf mich, mit meinem Sohn eine neue Erfahrung für mich gemacht zu haben, eben nicht auf seinen Beziehungskampf einzusteigen, nicht mit ihm zu tanzen, sondern ganz ruhig zu bleiben und an einer ganz anderen Stelle und zu einem ganz anderen Zeitpunkt das Thema mit ihm zu klären. Sein überraschtes Gesicht sprach Bände: „Da reagiert doch die Mama nicht so, wie ich es von ihr gewohnt bin…“ Es scheint, als wären wir erneut ein Stück weiter gerückt in der Entwicklung unserer Beziehung. 

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Die andere Dimension der Wut

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Foto von Sarah Mak auf unsplash.com

Nadeschda’s Wut hält an. An manchen Tagen mehr, an anderen weniger. Klar, wir sind immer noch in dieser Phase zwischendrin. Und auch wenn Maxim nun wieder die Zeit mit uns verbringt, wir in der Zeit in den Bergen viel zusammen waren, so sind wir immer noch in der Übergangsphase der Ferien. Die Schule mit ihren neuen Herausforderungen schwebt immer noch wie ein umkonkretes Phantom über Nadeschdas Kopf. Dennoch, die viele Zeit zusammen hilft. Sie tut Nadeschda gut, sicher und fürsorglich umhüllt zu sein, sie gibt ihr den Raum, auch über ihre Angst hin und wieder zusprechen. Und sie gibt mir die Chance, die quälende Angst zu verstehen und nachzuerleben. Denn es ist nicht nur die Ohnmacht vor dem Phantom „Schule und 1. Klasse“. Da schwelt noch eine ganz andere Wut in ihr.

Unser Lieblingshaus in den Bergen gehört einer lieben Freundin, die nach der Ankunft von Maxim und Nadeschda ihre zwei Kinder bekommen hat. Beide Schwangerschaften haben meine Kinder miterlebt und auch beide Kinder als Säuglinge und nun mittlerweile Kleinkinder bzw. Kindergartenkinder. Nun ist auch noch eine weitere Freundin schwanger. Überraschend und unverhofft, nachdem sie sich vom natürlichen Kinderwunsch verabschiedet hatte und wie wir ein Kind aus Russland adoptiert hat. Was unmöglich schien, ist nun passiert: Sie ist schwanger und ein Baby wächst in ihrem Bauch. Nadeschda beschäftigt das ungemein. Wie kann das sein? Sie konnte doch genauso wie Du keine Babys bekommen. Warum ist da jetzt ein Baby in ihrem Bauch?

Manchmal bricht Nadeschda ihre Fragen schlagartig ab und zieht sich zurück. Dann knallen wieder mal Türen und Spielzeug fliegt durch Gegend oder es wird mutwillig ein Streit mit dem großen Bruder vom Zaun gebrochen. Oder Nadeschda wird ganz anhänglich, krabbelt auf meinen Schoß und will nur noch gehalten und getragen werden. In diesen Momenten kommt sie durch, die Wut und die Trauer, nicht in meinem  Bauch gewachsen zu sein, die Trauer und der Schmerz, nicht bei der Mama sein zu dürfen und zu können, die sie in ihrem Bauch getragen hat. In diesen Momenten macht sich die Traurigkeit breit, verlassen worden zu sein. Gepaart mit einer so schmerzhaften und unermeßlichen Wut, nicht das Glück gehabt zu haben, in eine wohlbehütete Welt hineingeboren worden zu sein.

Vielleicht wird diese Wut und der Schmerz irgendwann einmal weniger. Ich wünsche meiner Tochter so sehr, dass sie irgendwann ihr Schicksal so annehmen kann und damit leben kann, ohne sich so ohnmächtig zu fühlen. Für den Augenblick kann ich sie nur halten, ihre Wut aushalten und ihren Schmerz mit ihr tragen.

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Biografiearbeit – Über disharmonische Familienkonstellationen

Kinderzeichnung - Familie

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Neulich sprach ich mit einer bekannten Adoptivmutter über „Biografiearbeit“ mit unseren Adoptivkindern. Unsere Kinder werden älter und größer, und das Thema der Herkunft spielt immer öfter eine Rolle. Meistens im Alter zwischen acht und zehn Jahren, wenn der nächstes Identitätsschub kommt und eine stärkere Abgrenzung im Kind vom eigenen Ich zur äußeren Umwelt sich entwicklet, stellt sich das Kind die Frage nach der biologischen Familie und dem, was wirklich Familie ist. Darauf müssen Adoptivfamilien vorbereitet sein. Dabei geht es nicht nur darum, dass wir Geld sparen für einen Flug und eine Reise in das Herkunftsland unserer Kinder, sondern dass wir Antworten auf ihre Fragen haben.

Wer ist meine leibliche Mutter? Warum hat sie mich abgegeben? Warum bin ich nicht aus Deinem Bauch gekommen? Wo lebt sie heute? Lebt sie überhaupt noch? Wie war mein Leben im Kinderheim? Warum habt gerade Ihr mich adoptiert? – Das könnten mögliche Fragen sein. Es geht aber auch darum, welches Bild von „Familie“ wir unseren Kindern transportieren. Dass das Entstehen unserer Familie eine andere war, als bei vielen Familien, die sich im sozialen Umfeld meiner Kinder bewegen, ist die eine Geschichte. Doch wie sieht ihre Familie nun heute aus? Die Mischung aus ihrer biologischen und ihrer sozialen Familie, in der aber auch nicht alles Eitelsonnenschein ist und wenig mit dem Klischee der harmonischen „Rama“- Familie zu tun hat. Das Gespräch mit der Bekannten ließ mich nachdenken. Denn, wenn ich meine Kinder begleiten möchte, einen gesunden Umgang mit ihrer Herkunftsgeschichte und heutigen Familie zu finden, so muss ich selbst noch einmal in meine eigene Biografie zurückgehen und einen Umgang mit meiner eigenen Familie und dem, was daraus für meine Kinder wird, finden.

Wenn Maxim über seine Familie spricht, dann hat diese fünf Mitglieder: Er, Nadeschda, Mama, Papa und Onkel Daniel. Der russische Teil seiner Herkunftsfamilie spielt für ihn im Alltag (noch) keine dominante Rolle. Es sind eher im Moment seine kulturellen Wurzeln , die ihn interessieren. Seine russische Mutter ist in seiner momentanen Wahrnehmung gestorben, sie lebt für ihn im Himmel. Alles andere schiebt er noch ganz weit von sich, ganz zu Schweigen von der Frage, ob wir seine russische Mutter irgendwann einmal suchen werden. Sicherlich würde ich mich mit Maxim, wenn er alt genug ist, auf diese Suche machen. Ich für meinen Teil habe inzwischen eine klare Haltung gegenüber der russischen Mutter und sehe dem – zumindest im Moment – gelassen entgegen. Spannend ist hingegen die Frage nach den Geschwistern, die Maxim und Nadeschda noch in Russland haben. Sollen wir diese jetzt schon suchen? Dank Internet und sozialen Medien dürfte dies nicht schwierig sein. Und ich kenne immer mehr Adoptivfamilien, die beginnen, Kontakte zu den leiblichen Geschwistern zu knüpfen. Doch Maxim und Nadeschda haben noch nicht einmal realisiert, dass sie tatsächlich noch zwei Geschwister in Russland haben. Diese weitere Familie findet nicht statt.

Vielleicht – und hier komme ich dann zu der Auseinandersetzung mit meiner eigenen Biografie – findet bei meinen Kindern diese „erweiterte Familie“ nicht statt, weil sie bei Richard und bei mir auch nicht stattfindet. Denn auch unsere biologischen Herkunftsfamilien sind so viel größer als der harte Kern, den Maxim als seine Familie wahrnimmt. Schon allein, dass im Grunde zu unserer Familie auch noch eine Omi – meine Mutter, die sich immer seltener blicken lässt -, gehört, ist ihm nicht bewusst. Bei näherer Betrachtung kaum verwunderlich, wenn ich mir mein eigenes gespaltenes Verhältnis zu ihr ansehe. Unsere Familie war aber mal viel größer. Oder sollte ich sagen, sie könnte so viel größer sein, würden nicht Neid und Missgunst auf der einen Seite regieren, und ein Mangel an sozialer Empathie auf der anderen Seite herrschen. Denn zu meiner Stiefmutter und meinen Halbgeschwistern habe ich keinen Kontakt mehr. Nachdem wir uns in der Auseinandersetzung um das Erbe meines Vaters endgültig zerfleischt haben, ist jegliche Basis für einen weiteren Kontakt geschwunden. Vielleicht war es aber auch nur, dass wir ohnehin nie eine gemeinsame Basis hatten, und der Kontaktabbruch nur die logische Konsequenz war, als mein Vater nicht mehr als Bindeglied da war. Nur weil wir ein paar Gene mit einander teilen, müssen wir nicht befreundet sein. Jedoch entbehren meine Kinder damit ein paar weitere Onkels und Tanten. Ähnlich auf Richards Seite der Familie: Auch zu seinem Bruder und dessen Familie gibt es keinen Kontakt mehr. Auch hier trennten sich die Wege gänzlich, nachdem meine Schwiegermutter gestorben war. So haben meine Kinder Cousins und Cousinen, von deren Existenz sie nichts wissen.

Manchmal finde ich das schade. Wir werden irgendwann für die Schule mit unseren Kindern einen Stammbaum malen müssen, in dem es viele leere und unbekannte Stellen gibt. Auf der einen Seite macht mich das traurig, denn immer noch trauere ich dem bunten harmonischen Familienbild aus der Margarine-Werbung nach. Doch auf der anderen Seite weiss ich, dass dieses harmonische Familienbild ein Mythos ist. So würde es bei uns nie sein. Wie gesagt, gemeinsame Gene sind nicht die Garantie für ein friedliches und freundschaftliches Miteinander. Muss ich also meinen Kindern diesen Zwang antun? Nein. Dennoch bleibt die Frage, ob ich ihnen nicht den Weg offenhalten kann, ihre spätere Familie so für sich zu definieren, wie sie es für richtig halten und für sich brauchen werden. Dies gilt sowohl für ihre russische Familie als auch für ihre deutsche Familie.

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„Bauchmama“ und „Herzmama“ – Die Suche nach treffenden Begrifflichkeiten

zwei Herzen aus Holz

Mit freundlicher Unterstützung von Fotolia

Es gehört zu der gängigen Unterscheidung zwischen leiblicher Mutter und Adoptivmutter die Begriffe „Bauchmama“ und „Herzmama“ zu benutzen. Die Bauchmama ist die leibliche Mutter, die das Kind im Bauch getragen hat. Die Herzmama ist die Adoptivmutter, die mit ihrem Kind im Herzen „schwanger“ war. Für die Adoptivkinder ist dies früh einleuchtend. Vor allem wenn die Frage kommt, ob das Kind denn bei seiner Mama im Bauch war, so wie alle anderen Kinder um es herum. Ich habe diese Frage meiner Kinder natürlich mit nein beantwortet. Aber dass es da noch eine russische Mutter gibt, bei der sie im Bauch waren und die sie auf die Welt gebracht hat, wollten sie nicht hören oder nicht wahr haben. Eines Tages fand ich auf Maxims Schreibtisch ein Bild von einem Mann mit Baby im Bauch. Der Kommentar meines Sohnes: „Du hast mich ja im Herzen getragen, also war ich dann beim Papa im Bauch.“

So einleuchtend und Kind gerecht die Begriffe von „Bauchmama“ und „Herzmama“ sein mögen, mich stören sie. Deshalb haben wir diese Wörter nie intensiv benutzt, um sie bei unseren Kindern nicht zu festigen. Selbst wenn sie sich so häufig in der Kinderliteratur zu Adoptionen finden. Meine Kinder haben eine russische Mutter, die ihnen das Leben geschenkt hat und mich, die Mama, die sie durch dieses Leben hindurch begleitet. Wie schon in meinem Post „Zwei Mamas“ geschrieben, gilt es als eine der Todsünden, die leibliche Mutter in irgendeiner Form gegenüber dem adoptierten Kind herabzusetzen. Doch tun wir nicht genau dieses, wenn wir von der „Bauchmama“ sprechen? Reduzieren wir die leibliche Mutter nicht – wenn wohlmöglich rein faktisch zurecht – darauf, dass sie ihr Kind ohne Emotionen ausgetragen hat? Hat sie nicht genauso auch ihr Kind während der Schwangerschaft im Herzen getragen? Ist sie nicht genauso eine „Herzmama“? Vielmehr ist sie doch die Mutter, die dem Adoptivkind das Leben geschenkt hat. Damit hat sie es überhaupt erst ermöglicht, dass das Kind zu seinen Adoptiveltern kommen kann, zu seinen Herzeltern, die es bedingungslos annehmen und lieben. Insofern trifft der Begriff der Herzmama auf die Adoptivmutter auf jeden Fall zu.  Ja, sie hat ihr Kind mit dem Herzen empfangen. Doch gilt das nicht vielleicht auch für die leibliche Mutter?

Zugegeben, es mag ein wenig idealisiert sein, wenn ich daran glaube, dass die leibliche Mutter trotz der Freigabe ihres Kindes zur Adoption doch auch eine emotionale Bindung zu ihrem Kind hatte, selbst wenn sie das Kind direkt nach der Geburt abgegeben hat. Erst recht glaube ich an eine emotionale Bindung, wenn die Adoption erst nach den ersten Lebensjahren des Kindes erfolgte. Denn meist waren es dann die Umstände, unter denen das Kind bei seiner leiblichen Mutter heranwuchs, und die alles andere als glücklich, ja eher dramatisch und notleidend waren, die zur Adoption führten. Freiwillig und herzlos gibt keine Mutter ihr Kind ab. Irgendwie will ich das nicht (mehr) wahr haben. Auch wenn natürlich die Fakten und die Realität mir etwas anderes sagen bzw. suggerieren. Ja, ich stand zu Beginn unserer Adoption fassungslos vor der Geschichte meiner Kinder. Ich konnte und wollte nicht glauben, dass sie so leben mussten. Doch inzwischen glaube ich, dass all dies nicht aus Böswilligkeit und Herzlosigkeit der Mutter passiert ist, sondern vielmehr, weil ihre russische Mutter auch aufgrund ihrer eigenen Lebensgeschichte und ihrer sozialen Umstände nicht anders konnte. Vielleicht will ich sie deshalb nicht auf ihren Bauch reduzieren.

Während ich hier schreibe, denke ich über andere Wörter nach, die den Umstand der leiblichen Mutter und der Adoptivmutter passender beschreiben. Doch bisher lässt die Lösung oder zündende Idee noch auf sich warten. Wir haben es mit einer Adoption aus dem Ausland komfortabel getroffen, denn wir können von der russischen Mutter sprechen. Das wird bei einer Inlandsadoption nicht funktionieren. Hinzukommt, dass meine Kinder erst sehr spät angefangen haben, sich mit ihrer Geburt und dem, was war, bevor sie zu uns kamen, auseinanderzusetzen. Da brauchten wir nicht mehr die Kind gerechte und griffige Unterscheidung zwischen Bauch- und Herzmama. Dennoch: Sollten wir über andere Bezeichnungen als „Bauchmama“ und „Herzmama“ nachdenken?