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#bestofelternblogs2018

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Photo by Mammal on unsplash.com

Die liebe Anja von der Kellerbande hat einmal wieder zu ihrer beliebten Blogparade #bestofelternblogs2018 aufgerufen. Da mache ich doch gerne mit. Erleuchtend und interessant war der Blick in die Zahlen. Denn wie im vergangenen Jahr war wiederum mein Beitrag zum „Umgang mit der Anstrengungsverweigerung“, der deutlich am meisten aufgerufene Post. Hier schildere ich, wie wir mit der „Anstrengungsverweigerung“ unserer Kinder umgehen, nachdem wir sie anfangs in den ersten Jahren nach unserer Adoption nicht wirklich wahrhaben wollten. Jahre später muss ich gestehen, dass wir viele der Ratschläge und Hinweise von Bettina Bonus umsetzen bzw. umgesetzt haben. Heute noch einmal fast zwei Jahre nach diesem Post ist es sogar noch viel mehr. Aber wir fahren gut damit. Auch wenn ich anfangs die Hinweise und die Sichtwiesen von Bettina Bonus maßlos übertrieben fand, so muss ich ihr nach Jahren, vor allem mittlerweile mit zwei Schulkindern, in so vielem Recht geben. Und letztendlich gibt der Erfolg, den unsere Kinder nun in der Schule haben, ihr ebenso Recht.

Weitere Beiträge zum Thema „Anstrengungsverweigerung finden Ihr zum Beispiel in den folgenden Posts:

„Vom Umgang mit der Anstrengungsverweigerung: Zu den Ursachen“

„Zum Gebrauch von elektronischen Medien“

„Anstrengungsverweigerung – von der alles dominierenden Angst“

oder auch in meiner Interviewreihe zur „Anstrengungsverweigerung“, die ich in 2018 mit Julia gemacht habe, die sich ebenso großer Beliebtheit und großen Interesse erfreut hat.

 

 

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Zum Gebrauch von elektronischen Medien bei Adoptivkindern (reloaded)

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Danke an Pixabay

Maxim hatte gerade in der Schule eine Epoche zu „Menschenkunde und Medienkompetenz“. Das war eine spannende Erfahrung für uns alle in der Familie. Nachdem ich auf der einen Seite zunächst überrascht und schockiert war, wie und wie viele elektronische Medien in den Häusern seiner Klassenkameraden genutzt werden, freute es mich auf der anderen Seite umso mehr, als ich im Epochenheft meines Sohnes folgenden Text unter der Überschrift „Medien bei uns Zuhause“ lesen durfte:

„Wir haben einen Fernseher Zuhause. Da dürfen wir manchmal Peter Pan oder andere Filme schauen, aber nur wenn am nächsten Tag keine Schule ist. Meine Mutter hat einen Computer. Auf dem arbeitet sie und schreibt, oder sie schaut manchmal Sachen für uns Kinder nach. Mein Papa muss manchmal auf einem Laptop Zuhause arbeiten. Ich lese Bücher. Und mehr brauche ich auch nicht. Vielleicht hätte ich gerne ein Handy, um mit meinen Freunden zu telefonieren. Aber mehr nicht. Was eine Wii oder NInetendo sind, weiß ich gar nicht. (…)“ 

Eingedenk unserer Erfahrungen mit Blick auf die Gedächtnisleistung von Maxim und der Auseinandersetzung mit den Ratschlägen von Bettina Bonus zum Medienkonsum von Adoptivkindern pflegen wir tatsächlich Zuhause nach wie vor einen sehr restriktiven Umgang mit jeglicher Art von elektronischen Medien. Und ich selbst habe in der Begleitung dieser Epoche in der Schule auch erst einmal lernen müssen, was es da alles gibt. Technologisch gesehen hatte ich wirklich zeitweise das Gefühl Zuhause in der Steinzeit zu leben, auch wenn die wenigen Medien, die wir haben, tatsächlich immer State of the Art sind. Ich war mir der Vielfalt der Medien, mit denen Kinder theoretisch versorgt und konfrontiert sein können, überhaupt nicht bewusst. Geschweige denn war ich mir der Tatsache bewusst, dass auch an einer Waldorfschule in vielen Elternhäusern der kontinuierliche Gebrauch von elektronischen Medien bei den Kindern immer mehr zunimmt. Das ins Bewusstsein zu rufen und auch unter den Kindern in der Klasse zu diskutieren, war wohl auch eines der Ansinnen der Klassenlehrerin.

Allerdings ist bei unserem Sohn, der nun zu der Gruppe an Kindern gehört, die alleine für sich schon einmal gar keine elektronischen Medien haben, noch nicht einmal einen CD-Spieler, das Pendel in die andere Richtung ausgeschlagen. Denn anstatt zu realisieren, dass er sich in einer recht großen Gruppe von Kindern befindet, die keine Wii und keinen Gameboy haben, hat die Auseinandersetzung mit dem Thema bei ihm dazu geführt, dass nun erstmal neue Begehrlichkeiten geweckt wurden. Vielleicht lag es auch einfach schlicht an der Tatsache, dass wir mit der Advents- und Vorweihnachtszeit uns ohnehin in einer Zeit des Wünschens befinden…Nun denn, es brauchte ein paar Diskussionen hier Zuhause, um ihm klar zu machen, dass wir bei unserer Linie bleiben und es weder ein Smartphone noch elektronisches Spielzeug zu Weihnachten gibt. Aber um so beruhigter war ich, als er danach in sein Zimmer ging und dann doch wieder seine Feuerwehrstation aufbaute, und einmal wieder seine beliebten Rettungsspiele spielte.

Ich bin gespannt, wie lange wir das noch so durchhalten können. Denn natürlich kann ich Maxim nicht vollständig von elektronischen Medien abschotten. Dessen bin ich mir bewusst. Wenn seine Freunde die Dinge Zuhause haben und er sich mit diesen zum Spielen verabredet, werde ich nicht verhindern können, dass er dann einen ganzen Nachmittag unter Umständen entweder vor einer Flimmerkiste hockt, oder am Tablet irgendwelche Spiele spielt. Und ich kann auch nicht den anderen Eltern verbieten, meinen Sohn elektronischen Medien in ihrem Hause auszusetzen. Es bleibt ein Drahtseilakt. Aber Maxim’s Text gab mir die Bestätigung, so weiter mit elektronischen Medien hier Zuhause umzugehen, wie wir es bisher getan haben.

 

 

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Die „Waldorf-Welt“ ist auch keine heile…

…nein, ganz im Gegenteil. Das ist mir spätestens mit der karmischen Erfahrung zwischen Leander und Maxim klar geworden. Drei Jahre haben wir mehr oder weniger in der idyllischen Waldorf-Welt gelebt. In der Welt einer Waldorfschule und einem Waldorfkindergarten, in dem so vieles aus der „bösen“ Welt da draußen einfach nicht stattfand. Wir fanden uns wohlgehütet in einer Umgebung, in der es keinen Markenwahn gibt, in der alle Kinder wohl erzogen sind, in der die meisten Eltern so fürsorglich sich um ihre Kinder kümmern, wie wir das tun. Medienkonsum ist verpönt, Märchen und andere Geschichten vorlesen steht im Vordergrund, genauso wie viel draußen in der freien Natur spielen, wenige mit elektronischem  Spielzeug überladenen Kinderzimmer, viel Malen, Basteln und Handarbeiten. Diskussionen um Süßigkeiten in der Brotbox gibt es nicht, Schlägereien unter den Jungs werden stark geahndet. Die Elternhäuser sind irgendwie  – wenn auch an unserer Schule sozial und monitär sehr verschieden – doch alle gleich vom Bildungsniveau. (Das kann man auch in Studien nachlesen, Waldorfschulen rekrutieren ihre Schüler aus dem klassischen Bildungsbürgertum.) Ja, wir fühlten uns so ein wenig unter uns. Ein bisschen naiv glaubte ich an eine heile Welt, in der meine Kinder ihre Zeit verbrachten und gebildet wurden, wenn sie nicht Zuhause waren. Eine heile Welt, die der Werte- und Vorstellungswelt entsprach wie wir sie hier Zuhause unseren Kindern gaben.

Doch langsam hebt sich der Schleier der Blauäugigkeit. Warum auch sollten äußere Einflüsse und Veränderungen vor einer Waldorfschule halt machen? Schon immer gab es an jeder Schule verhaltensauffällige Kinder. Doch ihre Zahl nimmt gefühlt zu. (De facto von dem was ich an Quellen gefunden habe, waren es vor zehn Jahren genauso wie heute rund 15 % aller Kinder.) „Leander“ ist kein Einzelfall, nicht an unserer Schule und auch an anderen Schulen nicht. Vielleicht ist es eher so, dass diese Kinder in der Waldorfpädagogik lange gut aufgefangen werden konnten. Doch im Zuge von gesellschaftlichen Entwicklungen und einer stärkeren Problemorientierung bzw. auch einer anderen Qualität der Probleme, steht nun die Auseinandersetzung mit Verhaltensauffälligkeiten wie Aggression, fehlende sozialen Kompetenzen, Konzentrationsschwächen, Leserechtschreibschwächen, und vielen mehr auch an einer Waldorfschule an der Tagesordnung. Und vielleicht nimmt dann doch auch die Zahl der verhaltensauffälligen Kindern an einer Waldorfschule zu. Zumal der äußere Einfluss einfach auch stärker wird. Das Nutzen von elektronischen Medien macht das so schön deutlich. Früher hatte kein Kind ein Tablet Zuhause oder einen iPod oder ein Nintendo, geschweige denn durfte es Computerspiele geben. Da waren das Fernsehen und maximal der Videorekorder der „Feind“, der die heile Waldorf-Welt bedrohte, Märchen entmystifizierte, Kinder am aktiven Spielen hinderte und vieles mehr. Doch das ist heute anders. Selbst wenn all diese Medien an der Schule verboten sind, so kann eine Waldorfschule nicht verhindern, dass die Kinder nach dem Unterricht Zuhause sich hemmungslos dem Einfluss elektronischer Medien und Spielzeuge aussetzen.

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Sicherlich sind Missstände an unsere Schule lange nicht so eklatant wie vielleicht an vielen staatlichen Schulen. Ein bisschen ist noch da von der „heilen“ Welt. Doch langsam macht sich bei mir die Erkenntnis breit, dass ich meine Kinder auch an einer Waldorfschule nicht vor bestimmten Einflüssen und Herausforderungen schützen kann. Diese sind einfach da und ich kann die Augen nicht davor verschließen. Wieder bin ich als Mutter, sind wir als Eltern gefragt, unsere Kinder zuhause für diese Herausforderungen zu stärken. Wenn Maxim im Moment im Hauptunterricht zwar physisch anwesend ist, aber vom Inhalt nichts mitbekommt, übe ich Zuhause mit ihm. Lesen, Schreiben, Rechnen. Jeden Tag. Nur so ist und bleibt er auf dem Lernniveau eines bald Drittklässlers. Wenn Maxim’s Freundschaften in der Schule wanken, stärken wir Freundschaften außerhalb der Schule. Ein paar hat er sich noch aus seiner Kindergartenzeit hier bei uns im Dorf bewahrt. Das tut ihm gut. Um sich gegen Übergriffe von Klassenkameraden wie Leander zu wehren, lassen wir ihn nun ein Selbstbehauptungstraining machen und er probiert im Moment Judo aus. In der Schule zeigen Richard und ich wieder erhöhte Präsenz in Gesprächen mit der Klassenlehrerin, bei Elternabenden und in unterschiedlichen Gremien. Wir Helikoptereltern sind wieder allgegenwärtig. Und über allem zeigt sich wieder, wie wichtig es ist, dass ich einfach immer da bin, Richard und ich ihm ein stabiles und sicheres Zuhause geben, ihn halten und aushalten. So wie vor ein paar Tagen: Wir hatten einen harten Übnachmittag – irgendetwas war wieder in der Schule vorgefallen, vermutete ich – mit viel Wut und Tränen. Als ich am späten Nachmittag in die Akademie fahren wollte, fing Maxim bitterlich an zu weinen. Ich sollte Zuhause bleiben und nicht wegfahren. Das tat ich dann auch. Ich blieb bei ihm und hielt ihn, den ganzen Abend. Danach war seine Welt wieder ein Stück weit heiler.

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#BestofElternblogs im Mai

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Danke an pixabay.com

Anja von der Kellerbande ruft regelmäßig zum 1. des Monats zu den besten Beiträgen der Elternblogs auf. Auch am 1. Mai schreckt sie nicht davor zurück. Und natürlich mache ich wieder mit. „Vom Umgang mit der Anstrengungsverweigerung(4) – Zum Gebrauch der elektronischen Medien“, in dem ich mich mit dem Nutzen von elektronischen Medien bei Kindern und ihrem nicht immer guten Einfluss auseinandersetze, war im April der meist gelesene Beitrag von Euch. Das freut mich! Und ich danke Euch natürlich fürs Lesen und Eure Kommentare.

Habt eine guten Start in eine kurze Woche nach einem hoffentlich herrlichen Frühlingswochenende!

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Vom Umgang mit der Anstrengungsverweigerung (4) – Zum Gebrauch von elektronische Medien

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Mit freundlicher Unterstützung von Pixabay

Es mag ein wenig absurd sein, dass ich mich ausgerechnet jetzt noch einmal mit dem Umgang mit elektronischen Medien befasse. Aber vielleicht gerade weil wir uns zur Zeit im Fernsehland USA aufhalten, wo in jedem Raum des Hauses ein Fernseher oder Computer steht oder meine Kinder allein schon auf dem Flug hierher so viele Filme geschaut haben, wie sie sonst vielleicht in einem halben Jahr sehen, scheint das Thema mich stark zu beschäftigen.

Neben so vielen wertvollen Tipps, die Bettina Bonus zum Umgang mit einem anstrengungsverweigernden Kind gibt – Struktur, klare Zeitpläne für jeden Tag, Wiederholung, Routine, liebevolle Fürsorge, Vorbild und Nachahmung, tägliches Lernen – die auch hier in unseren Alltag nach und nach eingezogen sind, postuliert sie vor allem eines: Den totalen Verzicht auf jegliche Form von elektronischen Medien im Haushalt. Bettina Bonus ist hier sehr radikal, zumindest hatte ich auch das so aus meinem Vortragserlebnis mit ihr vor ein paar Jahren in Erinnerung: Kein Fernsehen, keine Filme, kein Computer, keine Computerspiele, kein Radio, keine CDs und CD-Spieler, keine Handys geschweige denn Smartphones. Die Begründung, die sie liefert, ist nachvollziehbar. Denn all diese Medien schränken jede Form von Aktion und von Interaktion ein. Sie fördern ausschließlich ein passives Verhalten. Und genau das ist gerade bei anstrengungsverweigernden Kindern schädlich.

So eingängig mir das erschien, so drastisch und „weltfremd“ erschien mir Bettina Bonus’ Hinweis damals. Ja, den Gebrauch von elektronischen Medien zu reduzieren und stark einzugrenzen, war sicher sinnvoll. Doch ich hielt es für unrealistisch, in einer Welt, in der wir tagtäglich mit Smartphones hantieren, am Laptop arbeiten und uns mit der Welt über das Internet verbinden, auf diesen Medien gänzlich vor den Kindern zu verzichten. Schließlich würden sie irgendwann doch den Umgang mit diesen Medien lernen müssen, wollten wir sie auf eine Berufswelt irgendwann vorbereiten. Im Falle von Maxim und Nadeschda gingen wir einen Mittelweg, zunächst. Als sie in das Alter kamen, durften sie hin und wieder einen Film gucken. Nie ganz, immer nur in Teilen oder eben kurze Kinderfilme, nie länger als 30 Minuten. Das Konzept Fernsehen kennen sie bis heute kaum. – Unvergessen unser letztes Weihnachtsfest, als wir alle zusammen am Tag vor Heiligabend abends den „Kleinen Lord“ schauen wollten, und beide Kinder es nicht verstanden haben, dass sie nun noch warten mussten, bis der Film begann. Bisher kannten sie nur das Prinzip DVD in den Spieler einlegen und der Film konnte zu jeder passenden Uhrzeit beginnen. Dass man auf den Programmbeginn warten musste, war ihnen fremd. – Ja, wir haben Hör-CDs. Doch nachdem auch der 2. CD-Spieler von Maxim binnen zwei Tagen nach Anschaffung in seine Einzelteile zerlegt worden war, gab es keinen neuen mehr. Nun hören wir seit Jahren nur CDs auf langen Autofahrten. Computerspiele gibt es bei uns nicht und Smartphone und Tablet sind Papa’s und Mama’s Hoheitsgebiet. Wir fühlten uns damit bei unseren Kindern gut aufgestellt und sind in unserem Umfeld immer noch eine der Familien, die relativ restriktiv mit elektronischen Medien umgehen.

Doch zwei Begebenheiten haben mich erneut zum Nachdenken gebracht. Zum einen wurde der Einsatz von elektronischen Medien erneut an der Schule unserer Kinder diskutiert. Nun steht man in der „Waldorfwelt“ diesen ohnehin kritisch gegenüber. Das ist sicherlich richtig, denn viel zu schnell nehmen diese Medien Überhand. So bekam eine Klassenkameradin von Nadeschda ihr eigenen Tablet zum Geburtstag geschenkt, oder es ist auch keine Ausnahme, dass Kinder in der 1. Klasse bereits alle Harry Potter Filme gesehen haben. Ob das altersgemäß ist, wage ich zu bezweifeln. Spannend fand ich dabei die Entdeckung, als ich mich noch einmal im Nachhall eines Elternabends mit dem Thema beschäftigte, dass selbst Steve Jobs seinen Kinder das iPad vorbot. Es regte noch einmal zum Nachdenken an. Sicherlich ging es in der Schuldiskussion nicht darum, den Einsatz von elektronischen Medien grundsätzlich ganz zu vermeiden, sondern vielmehr darum, ab wann und in welchem Maße dieser sinnvoll ist. Denn eines ist klar, in der Zeit, in der Kinder vor dem Fernseher oder Computer hocken, spielen sie nicht, bewegen sie sich nicht, lernen sie nicht und entwickeln sich nicht.

Zum anderen setze ich mich in meiner Ausbildung mit der abnehmenden Gedächtnisleistung von Kindern auseinander. Eine Dozentin schilderte sehr deutlich, wie es immer schwieriger für unsere Kinder wird, sich aufgrund von zunehmende Umweltgeräuschen – nicht nur das dudelnde Radio, sondern allein eine laufende Waschmaschine oder Trockner im Haushalt – in Stille zu konzentrieren. Hinzukam der Einfluss und das Ablenken durch das Fernsehen. Als Maxim vor einigen Wochen wieder einmal große Schwierigkeiten mit dem Rechnen vor allem mit dem Auswendiglernen der 1×1 Reihen hatte, entschied ich mich zu einem kleinen Experiment: Von da ab durften Maxim und Nadeschda nur noch an den Tagen abends ein kleines Filmchen sehen, wenn am nächsten Tag keine Schule war. Schon nach wenigen Tagen klappte das Rechnen bei Maxim so viel besser. Es war faszinierend zu beobachten. Ungeachtet dessen, dass wir jetzt noch mehr vorlesen, oder ich mit Begeisterung sehe, auf was für kreative Spielideen meine Kinder in den frühen Abendstunden kommen können, wenn sie eben nicht passiv vor einem Film sitzen. Wieder einmal musste ich an den eingangs beschriebenen Hinweis von Bettina Bonus denken. Ich musste mir eingestehen, dass es durchaus sinnvoll ist, bei Kindern, für die das Lernen anstrengend ist, auf den Konsum von elektronischen Medien vielleicht sogar komplett zu verzichten.

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Vom Umgang mit der „Anstrengungsverweigerung“

Vor einigen Jahren war ich auf einem Vortrag von Bettina Bonus zu „Anstrengungsverweigerung bei Adoptivkindern“. Viel sprach sie von hochproblematischen, traumatisierten Kindern, die sich mit zunehmenden Alter immer mehr jeder Anstrengung verweigern, die sich mit zunehmender Aggression jeder Form von Leistungsanforderung entziehen und später an einem bürgerlichen Leben scheitern. So unterhaltsam die Art der Präsentation dieses schwierigen und heiklen Themas von Bettina Bonus war, ihre Ausführungen trieben mir die kalte Angst in die Glieder. Ich rettete mich mit meinem Glauben, dass es meine eigenen Kinder in ihrem Leben, bevor sie zu uns kamen, nicht so hart getroffen hatte, und wir von vielem verschont bleiben würden.

Heute, Jahre später muss ich gestehen, dass sich die Vorzeichen einer „Anstrengungsverweigerung“ auch bei Maxim und Nadeschda zeigen. Maxim’s Wut beim Üben für die Schule oder Nadeschdas Verweigerung bei manchen Therapeuten mitzumachen – wie ich es in meiner Kolumne zum Leistungsdruck geschildert habe – oder auch Nadeschda’s Tendenz sich in der Schule der Arbeit charmant zu entziehen. All das kann auf eine Anstrengungsverweigerung hindeuten. Nach bald zwei Jahren Schule haben wir mit diesen Tendenzen jedoch einen guten Umgang gefunden. Sie machen mir keine Angst mehr.

In ihrem Vortrag damals riet Bettina Bonus zu etlichen Maßnahmen, wie man als Adoptiveltern mit dieser Verweigerung umgehen könnte: In einem sklavisch durchstrukturierten Tagesablauf sollten die Eltern ihre Kinder eng begleiten. Zur Schule, ja bis zum Klassenzimmer bringen, von der Schule abholen, Hausaufgaben und am Nachmittag Zuhause machen, gefolgt von täglichem Üben. Idealerweise sollten Adoptivkinder einen Leistungssport betreiben, Schwimmen wäre dabei besser als Fussball oder ein Kampfsport. Genauso sollten sie ein orchesterfähiges Instrument spielen, für das sie jeden Tag üben müssten. Der Konsum von elektronischen Medien sollte weitestgehend verboten sein, da er das passive Verhalten, das einer Anstrengungsverweigerung innewohnt, nur begünstigen würde. Als Schulform favorisierte Bettina Bonus die Waldorfschule. Damals mit zwei Kindergartenkindern nahm ich diese Empfehlungen zwar wohlwollend auf, doch glaubte ich, dass unser Leben später mit dem Schuleintritt nicht so rigide aussehen würde.

Doch neulich musste ich, als ich an den Vortrag zurückdachte, schmunzeln: Maxim und Nadeschda besuchen eine Waldorfschule. Wir bringen sie jeden Morgen in die Schule bis in den Klassenraum – und werden dies allein aus logistischen Gründen auch tun müssen, bis sie das Abitur haben, denn es gibt keine öffentlichen Verkehrsmittel dorthin -, mit beiden Kindern mache ich mittlerweile die Hausaufgaben nachmittags zuhause, gefolgt von täglichem Üben. Beide spielen ein Instrument, für das sie jeden Tag üben müssen. Mit Ballett und Zirkusakrobatik verfolgen beide einen Sport, sie körperlich fordert und sie vor allem vor Aufführungen zu hartem Trainieren zwingt. Das Konzept Fernsehen kennen meine Kinder nicht, selbst einen CD-Spieler für Hör-CDs besitzen wir nicht. Die tägliche Routine zahlt sich aus. Diskussionen oder Wutausbrüche über das Üben und Lernen haben dramatisch abgenommen. Es gehört jetzt einfach dazu. Mehr noch, findet es einmal nicht statt, wird es sogar manchmal von Maxim und Nadeschda eingefordert. Auch wenn ich es damals von mir geschoben habe, so gestaltet sich mittlerweile unser Alltag ähnlich, wie ihn Bettina Bonus damals umrissen hat.