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#bestofElternblogs November 2018

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Photo by Bekah Russom on unsplash.com

Es ist wieder soweit: Die liebe Anja von der Kellerbande  ruft dazu auf, den meist gelesenen Beitrag des vergangenen Monats zu benennen und zu teilen. Mir ist es mittlerweile schon zu einer geliebten Tradition geworden, bei ihren Aufrufen mitzumachen. Und so beteilige ich mich nach einem nervenaufreibenden Oktober, in dem uns die Sorgen um unsere Kinder weiter beschäftigten, der aber dann doch ein gutes Ende nahm, wieder gerne. Kaum verwunderlich, dass im Oktober mein Beitrag „Angst um Nadeschda“, in dem ich über die möglichen gesundheitlichen Diagnosen bei meiner Tochter schrieb, die wie ein Damoklesschwert über uns hingen, der mit Abstand meist gelesene Beitrag war. Wir sind froh und unendlich dankbar, dass alles dann zu einem guten und „harmlosen“ Ende kam.

Habt an dieser Stelle noch einmal vielen Dank für Euer Mitfühlen und Begleiten. Ein wenig war es an manchen Tagen so, wie es Natalie aus ihrem Fundevogelnest vom Liebgewinnen in diesen Tagen geschrieben hat. Danke dafür!

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23. Juli – Danke

mother and two kids walking on at sunset

In ein paar Tagen jährt sich die Ankunft von Maxim und Nadeschda, meiner Kinder. Ein ganzes Jahr, zwölf Monate, 52 Wochen mit vielen Höhen und einigen Tiefen liegen hinter uns. An vielen unsere Momente und Erfahrungen aus diesem ersten Jahr als Adoptivfamilie habe ich Euch teilhaben lassen. Es hat mich sehr berührt, wie viele hier mit gelesen, mit gefiebert, mit gefühlt haben. Dafür danke ich Euch von Herzen! Es hat mich bestätigt, dass es richtig ist, was ich mit diesem Blog angefangen habe. Und deshalb dies gleich vorab: Es wird weitergehen!

Mittlerweile sind vier weitere Jahre sind  gemeinsam mit unseren Kindern vergangen. Wir haben uns als Kleinfamilie nach den Höhen und Tiefen des ersten Jahres gefunden, sind in unserem Familienalltag angekommen. Hinter uns liegen unzählige wunderbare Tage mit Maxim und Nadeschda. Das Gefühl „Das sind unsere Kinder!“ ist zur Normalität geworden. Die Adoption und unsere Geburtswehen als Familie liegen weit zurück.

Mit vielen Umwegen, Abzweigungen, vielen Höhen und Tiefen haben wir in diesen Jahren unseren Weg gefunden, der uns in den kommenden Jahren leiten wird. Wir werden weiter als Familie zusammenwachsen. Wenn ich auf die vergangenen Jahre zurückblicke und innehalte, so breitet sich ein tiefes Gefühl der Dankbarkeit aus, Dankbarkeit für meine Kinder und für all das, was ich bisher durch sie und mit ihnen habe lernen dürfen.

Den Wahnsinn des ganz normalen Familienalltags zu ertragen und lieben zu lernen; die Verantwortung, zwei Kinder mit besonderen Bedürfnissen auf ihrem Weg groß zu werden zu führen und zu begleiten; meinen Kindern die Nähe und das Verständnis zugeben, die sie brauchen, manchmal bis zur eigenen emotionalen Selbstaufgabe; als Paar und als Familie zusammenzuhalten, wenn das Umfeld einen alleine lässt; zum Experten zu werden, wenn es um die richtige medizinische oder therapeutische Behandlung der eigenen Kinder geht; Vorurteile zu überwinden, um die bestmögliche Begleitung und Förderung für Maxim und Nadeschda zu finden; das Bewusstsein und das Selbstvertrauen zu haben, allein zu wissen, was meinen Kindern gut tut. Über die Jahre habe ich verinnerlicht, dass die emotionalen Amplitudenausschläge meiner Kinder um ein Vielfaches höher sind als bei leiblichen Kindern. Oft sind sie ein „Fass ohne Boden“, deren Bedürfnisse nach Nähe und Sicherheit nie gestillt zu werden scheinen. Gängige Erziehungsmethoden werden niemals funktionieren. Und die Entwicklung meiner Kinder ist selten „normal“. Sie werden immer ein „Mehr“ brauchen. Mehr Halt, mehr Sicherheit, mehr Verlässlichkeit, mehr Fürsorge, mehr Zuneigung. Und absolute bedingungslose Liebe.

Zum ersten Mal spüre ich, dass ich in meiner Rolle und Aufgabe als Mutter – als Adoptivmutter – angekommen bin. Maxim und Nadeschda den Himmel zu geben, nach dem sie sich strecken, ist meine Lebensaufgabe. Ich habe diese Bestimmung angenommen. Nach vier Jahren habe ich das Gefühl, dass ich dieser Herausforderung gerecht werden kann. Viel ist passiert in diesen vergangenen Jahren, die mich haben in meinen Erfahrungen wachsen lassen. Es gibt viele Themen rund um das Adoptivmutter sein, aber auch Mutter sein und Kinder in das Leben hineingeleiten, die ich in meinem Kopf und meinem Herzen bewegt habe. Einiges davon möchte ich Euch hier weitergeben. Insofern werde ich diesen Blog fortsetzen, doch in etwas anderer Form ab dem Herbst. Bis dahin dürft Ihr Euch in den Sommermonaten auf ein paar Kolumnen und „Sommergedanken“ von mir freuen.

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29. Februar -Maxims Sprachlosigkeit (reloaded)

Nadeschdas Zahnschmerzen haben sich zum Glück  wieder gelegt. Nach zwei weiteren schlafunterbrochenen Nächten mit leichtem Fieber, ist sie zu ihrem normalen Schlafrhythmus zurückgekehrt und so finde auch ich eine durchgängige Nachtruhe. Die zwei Backenzähne kann ich inzwischen erfühlen, aber ganz durchgebrochen sind sie noch nicht. Wir müssen uns also wohlmöglich auf weitere Zahnschmerzen einstellen. Ohne Schmerzen und mit ausreichend Schlaf ist das Leben für und mit Nadeschda wieder friedlich und harmonisch. Ihre Launen haben sich deutlich gebessert, was auch wenig verwunderlich ist. Was bleibt, sind ihre Verlustängste und ihre Anhänglichkeit.

Maxim macht mir hingegen immer mehr Sorgen. Trotz der wöchentlichen Therapiestunden bei Frau Schuster spricht er immer noch nicht. Wohlmöglich bin ich zu ungeduldig. Denn letztendlich besuchen wir sie erst seit sechs Wochen. Auch wenn meine Ungeduld sich immer wieder durchsetzt, so weiß ich auf der rationalen Ebene, dass es nicht mit zehn Terminen, die das erste Rezept vorsieht, getan sein wird. Zumal Maxim sich in seinem Umfeld wohlmöglich nicht sehr sicher fühlt – es ist unbenommen, dass er unter der Belastung von Renates Krankheit, ihrer Abwesenheit und unseren Sorgen leidet, auch wenn wir versuchen, dies nach wie vor so gut es geht, wegzuschieben. Vielleicht spürt er, dass wir – obwohl die Operation von Renate gut verlaufen ist und sie bald nach Hause kommt – noch nicht am Ende dieses Weges angekommen sind. Wie soll er sich selbst verändern, wenn die Veränderungen um ihn herum schon belastend genug für ihn sind? Hinzukommt, so mein Gefühl, dass er sich im Kindergarten nicht wohl fühlt. Gerade durch den Kontrast der Tage, wenn wir bei Frau Schuster sind und er nicht in den Kindergarten geht, an denen er zwar müde, aber irgendwie fröhlich und ausgeglichen wirkt – der Dienstag ist meist der Tag ohne einen einzigen Tobsuchtsanfall – wächst in mir der Eindruck, dass irgendetwas im Kindergarten nicht richtig oder zumindest nicht gut für ihn läuft. Da Maxim sich nicht mitteilt, beziehungsweise sich nur über seine Launen mitteilt, seine Erzieherinnen mir aber immer wieder sagen, dass alles in Ordnung ist, bleibt bei mir nur ein dumpfes Gefühl zurück.

Da ich mein Betreuungsproblem noch nicht gelöst habe, mit jedem Tag es aber dringlicher wird, dass ich etwas für mich und meine Kinder tue, habe ich mich entschlossen, uns dreien eine Auszeit von unserem Alltag hier zu gönnen. Wir werden Katharina für ein paar Tage besuchen. Auch wenn ich Respekt vor der Reise habe – ich alleine für mindestens vier Stunden mit den Kindern im Auto -, so glaube ich doch, dass uns der Tapetenwechsel gut tun wird. Ich hätte schon viel früher auf die Idee kommen sollen. Hatte ich nicht am Ende des Jahres schon gespürt, wie gut es tat, eine vertraute Freundin um einen herum zu haben, die allein durch ihre Anwesenheit entlastet? Hatte ich die Erfahrung des Besuchs von Rieke und Nils im Januar vergessen, wie erleichternd es war, sich mit lieben Menschen zu umgeben, die einen auch ohne Worte verstanden?

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9. Februar – Einschlafgedanken zu Nadeschda

Morgen feiern wir Nadeschdas zweiten Geburtstag. Gedankenverloren sass ich gerade an ihrem Bett und wartete, bis sie einschlief. Während ich ihre Hand durch ihr Gitterkettchen hielt, kam sie mir wieder so zart und verletzbar vor wie vor sieben Monaten als wir sie in Russland abgeholt hatten. Gleichzeitig ging mir durch den Kopf, wie sehr sie sich in diesem guten halben Jahr verändert hatte. Seit der Biopsie und ihrer Ernährungsumstellung hatte sie nun endlich begonnen, kräftig zuzunehmen, ihre Wangen waren rund und rosa, sie war gute fünf Zentimeter gewachsen, der erste Kleidergrößenwechsel stand an.

Nadeschda versuchte, ganz im Gegensatz zu ihrem Bruder, immer mehr zu sprechen. Auch wenn es meist nur Gebrabel war, das selbst ich nur schwer verstand, so kamen doch jeden Tag neue Wörter dazu. Ihr Mitteilungsbedürfnis war frappierend. In ihrem Bewegungsdrang war sie selten zu halten. Klettern, Rutschen, Dreirad und Bobbycar fahren standen regelmäßig auf der Tagesordnung. Nachdem sie verständlicherweise beleidigt war, dass sie bei Maxims Turnstunden nicht mitmachen durfte, hatten wir begonnen, in eine Turngruppe für Kinder in ihrem Alter zu gehen. Mit riesiger Begeisterung half sie mir in der Küche; Backen und Kochen waren für sie das Größte. Im Grunde genommen grenzte es für mich nahezu an ein Wunder, wie schnell sie ihre Entwicklungsverzögerung aufholte. Sie war darin unermüdlich und äußerst hartnäckig. In ihr musste ein nicht ermüden wollender Kämpfergeist wohnen, der sie jeden Tag von neuem antrieb. Das war so großartig und wunderbar für mich zu beobachten. Es erfüllte mich mit tiefer Dankbarkeit und Demut, an dieser Entwicklung meiner Tochter teilhaben zu dürfen und zu merken, was alles für sie möglich ist. Sie schien inzwischen ein Stück weit hier angekommen zu sein. Mittlerweile forderte sie zunehmend mehr Aufmerksamkeit für sich ein.

Gegenüber ihrem Bruder zeigte  sie seit einiger Zeit so etwas wie Eifersucht. Gerade in den letzten Tagen war die erste halbe Stunde, nachdem wir Maxim vom Kindergarten abgeholt hatten, jeden Tag von neuem anstrengend. Kaum fiel die Haustür ins Schloss, ging Nadeschda auf ihren Bruder los; sie schubste, biss, schlug auf ihn ein. Selten mit einem konkreten Anlass. Ich war schockiert, ob der vielen Wut und Aggression, die sich in meiner Tochter angestaut zu haben schien, und an ihrem Bruder entlud. Es kam mir vor, als wohnten Engelchen und Teufelchen in ihr. Denn so jähzornig sie war, so liebreizend konnte sie keine viertel Stunde später wieder sein. Wenn sie sich beruhigt hatte, ging sie zu ihrem weinenden Bruder und streichelte ihm zärtlich über den Arm. Auf der einen Seite war mir bewusst, dass nun nach einem halben Jahr beide Kinder sich bei uns sicher genug fühlten, um all die Gefühle, die sie tief innen in sich vergraben hatten, herauszulassen.

Frau Schiffer hatte bei einem ihrer ersten Besuche erklärt, dass Adoptivkinder in der Regel spätestens nach einem halben Jahr aus ihrer Phase der Anpassung herauskommen. Dann ließen sie ihre Masken fallen. Länger als sechs Monate könnten sie ihre tiefen Verletzungen, Wut und Trauer selten unterdrücken. Vielleicht hatten wir diesen Punkt bei Nadeschda erreicht. Wenn ja, so war es ein gutes Zeichen, auch wenn mir nicht gefiel, dass Maxim darunter leiden musste. Auf der anderen Seite ging Maxim nun gute zwei Monate in den Kindergarten. Nadeschda hatte sich an unsere Vormittage alleine gewöhnt und genoss diese offensichtlich. Der Übergang mittags, wenn ihr Bruder wieder Zuhause war, gefiel ihr nicht. Jetzt musste sie mich mit ihm wieder teilen. Oder auch ihm gegenüber zurückstecken. Denn je nachdem in welcher Verfassung Maxim aus dem Kindergarten nach Hause kam, brauchte er und forderte er meine volle Aufmerksamkeit. Insofern musste ich nicht tiefenpsychologisch lange nachforschen, bis mir klar wurde, dass Nadeschda einfach eifersüchtig war. In diesem Moment der inneren Ruhe und Nähe zu meiner Tochter nahm ich auch dies als ein gutes Zeichen. Nadeschdas Eifersucht war Ausdruck ihrer engen Beziehung zu ihrem Bruder und auch zu mir als ihre Mutter, die sie nicht gerne teilen wollte.

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18. Januar – Maxims 1. Logopädie-Stunde

Heute vormittag waren Maxim und ich zum ersten Mal bei der Logopädin. Nach unserem Gespräch in der Frühförderstelle vor Weihnachten hatte ich mich um eine logopädische Therapie für Maxim bemüht. Dr. Müller, unser Kinderarzt hatte mir eher widerwillig das erforderliche Rezept ausgestellt, denn er war immer noch der Meinung, dass Maxim von selbst zu seiner Sprache finden würde. Doch nach bald einem halben Jahr seit Ankunft der Kinder bei uns hatte Maxim immer noch kein einziges Wort gesprochen und ich spürte, wie ihm das zunehmend zu schaffen machte, ihn und uns belastete. Meine Geduld, nur tatenlos zuzusehen und zu warten, war ausgereizt.

Da spieltherapeutische oder familientherapeutische Ansätze uns wenig zielführend erschienen, hatten wir uns zu dem in die Zukunft gewandten Ansatz der Sprachtherapie entschlossen. Anstatt rückwärts orientiert Maxims Traumata aufzuspüren und zu lösen, sollte ihm viel mehr mit dem Blick nach Vorne die Freude am und der Mut zum Sprechen vermittelt werden. Kurz vor unserem anstehenden ersten gemeinsamen Familienurlaub in der Schweiz hatte ich Glück gehabt und noch einen Termin für ein Anamnesegespräch bei der Logopädin unserer Wahl bekommen. Nadeschda ging zum ersten Mal schweren Herzens zur Oma. Sie weinte bitterlich, als sie merkte, dass sie alleine bei der Oma bleiben sollte. Erst der Anblick von Banane, Jogurt und Kakao ließ sie in ihr Schicksal einlenken und sie beruhigen. Dennoch fuhr ich mit einem unruhigen Gefühl mit Maxim in die logopädische Praxis von Frau Schuster.

Sie hatte Erfahrungen in der Behandlung mutistische Kinder. Offen und freundlich begrüßte Frau Schuster Maxim, der natürlich mit ihr nicht sprach, aber spannenderweise bei der ersten Begegnung nicht in seine sonst übliche starre Körperhaltung verfiel. Maxim entdeckte für sich sehr schnell die Schaukel im Therapieraum und schaukelte sehr engagiert die meiste Zeit, während ich mit Frau Schuster sprach. Ich schilderte ihr Maxims kurzen aber belasteten Lebensweg und die Ausprägungen seines non-verbalen Verhaltens sowie seine Frustration, wenn er das Gefühl bekam, nicht wahrgenommen und verstanden zu werden. Frau Schuster reagierte sehr verständnisvoll und emphatisch, ja fast mit Bewunderung für den Weg, auf den wir uns mit Maxim und Nadeschda gemacht hatten. Ich fühlte mich von Anfang an wohl bei ihr und war schnell überzeugt, dass Maxim bei ihr in guten Händen war. Frau Schuster erläuterte mir, dass sie in einem ersten Schritt Maxim motivieren wolle, den Mund zu bewegen. Er solle zunächst lernen und erfahren, dass es Spaß machte, den Mund zu benutzen. Erst wenn er diese Hürde überwunden habe, können man ihn darin unterstützen, ihm mehr Sicherheit zu geben, dass er sich in einem vertrauten Umfeld, also unserer Familie überwinden könne, zu sprechen. In der Folge, wenn er zu einer sicheren Sprache mit uns Eltern gefunden hatte, könnten wir an seiner Angst gegenüber Fremden und seiner Sprachlosigkeit im außerhäuslichen Umfeld arbeiten. Uns allen war klar, dass ein langer Weg vor uns lag. Doch ich war froh, ihn jetzt schon angetreten zu sein.

Nach unserem Gespräch war es schwierig, Maxim zu bewegen, die sichere Umgebung der Schaukel zu verlassen und sich auf ein erstes Spiel mit Frau Schuster einzulassen. Er war sauer, dass wir ihm seine lustvolle Aktivität verdorben hatten und zog sich zunächst schmollend in eine Ecke des Therapieraums zurück. Doch seine Neugier spielte ihm einen Streich. Als Frau Schuster ein Brett, das einem Fussballfeld ähnelte, herauszog, mit zwei Toren und einem leichten Ball, kam er aus seiner Ecke hervor und beobachtete Frau Schusters Treiben. Sie hatte das Brett auf dem Tisch aufgebaut und hatte begonnen, den Ball immer wieder in eines der Tore zu pusten. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht und fragend blickte er mich an. Ich deutete ihm, sich bei mir auf den Schoß zu setzen und es ihr gleich zu tun. Es vergingen nur wenige Momente, eh er freudig in das Blas-Fussballspiel mit Frau Schuster einstieg. Als Frau Schuster danach zu den Seifenblasen griff, verließ er sogar bereitwillig meinen Schoß und stellte sich mit ihr vor den großen Spiegel, um Seifenblasen zu formen und dabei seinen Mund zu beobachten. Fast schien es, als würde er über sich selbst lachen, wie er sich da im Spiegel sah. Ich war überrascht und erleichtert, dass Maxim sich so schnell auf Frau Schuster eingestellt hatte. Dennoch musste die ganze Prozedur für ihn sehr anstrengend gewesen sein, denn als wir die Praxis nach eineinhalb Stunden verliessen, war er sehr müde und schlief selbst auf der sehr kurzen Fahrt zurück nach Hause im Auto ein.

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24. November – Ernährungsumstellung

Wir richten uns nun endlich in unserem neuen Alltag ein, der bestimmt wird von Maxims Besuchen im Kindergarten und Nadeschdas Ernährungsumstellung. Richard und ich haben gemeinsam an einem Wochenende all unsere Vorratsschränke durchforstet und aussortiert, die gesamte Küche geputzt, damit alle Glutenrückstände aus den Schränken verschwinden und mit einem Großeinkauf unsere Vorräte um glutenfreie Nahrung aufgerüstet. Seitdem übe ich mich im Zubereiten von glutenfreier Nahrung. Der Einfachheit halber haben wir nicht nur Nadeschdas Ernährung umgestellt, sondern folgen dem neuen Speiseplan als ganze Familie. Beide Kinder machen das überraschend gut mit. Wurst haben wir durch Schinken und gebratenes kaltes Fleisch ersetzt. Nudeln gibt es jetzt in einer glutenfreien Variante, die Maxim allerdings nicht mehr so gut schmecken. Das wiegen dafür die vielen Variationen von Kartoffelgerichten auf, ergänzt durch Milchreis und Maispolenta. Was Maxim liebt. Nadeschda isst das nur bedingt, aber sie ist begeistert von unserem selbst gebackenen Brot mit viel Butter, sehr viel Butter und wagt sich langsam an Schinken und Hühnerfleisch heran. Auch Obst isst sie in pürierter Form in steigenden Mengen. Und Omas klare Suppen liebt sie ohnehin. Vielleicht merkt sie schon, nach nur wenigen Tagen, dass es ihr besser geht. Ihre Laune ist deutlich fröhlicher geworden, die Bauchschmerzen nach den Mahlzeiten werden immer weniger.

Gestern waren wir zum Erstgespräch bei der Ernährungsberaterin. Sie untersuchte und spielte mit Nadeschda und gab uns noch einmal umfängliche Informationen, was sie essen darf und was nicht. Vorübergehend sollen wir auch die Milch durch lactosefreie Milch ersetzen. Und ich soll in den nächsten sechs Wochen ein Ernährungstagebuch für Nadeschda führen. Es tat gut, mit jemandem zu sprechen, der einem wirklich konkret helfen kann und will, und einen nicht nur mit medizinischen Diagnosen mehr oder weniger hilflos sitzen lässt. Das Gespräch machte mich zuversichtlich, die Ernährungsumstellung zu schaffen.