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Warum Adoptionsbewerberzahlen auch sinken….

Der PFAD Bundesverband hat in dieser Woche auf einen spannenden Beitrag des rbb Berlin auf seinem Blog hingewiesen, in dem die Ursachen für die rückläufigen Bewerberzahlen bei Adoptionen in Deutschland unter die Lupe genommen werden. Im Falle von Berlin, wo die Zahlen drastisch zurück gegangen sind, liegt es auch daran, dass das Jugendamt seine eigenen Praktiken nicht an die inzwischen in Deutschland verbreitete spätere Familienplanung angepasst hat. Aber lest selbst…(hier)

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Wenn die Unterstützung von Adoptivfamilien ausbleibt

Als Maxim und Nadeschda zu uns kamen, folgte bald nach der Euphorie ein Stück weit die Ernüchterung. Mein Sohn tobte, steigerte sich in hysterische Wutanfälle, die wir nur schwer aushalten konnten. Nadeschda hatte gesundheitliche Schwierigkeiten. Oft genug fühlte ich mich als Mutter restlos überfordert, allein gelassen und verzweifelt. Auch wenn ich niemals an der Richtigkeit unserer Entscheidung zur Adoption zweifelte, so hatte ich mir das nicht vorgestellt. – So geht es vielen Adoptivmüttern, wie jüngst auch bei Lakatz von 1 1/2 Familie zu lesen war. Wie gut kann ich ihr Gefühl nachempfinden, wenn sie schreibt, wie es ihr während und nach der Adoption wirklich ging, wenig „Weichgespült“ und noch weniger rosarot. – Wir hatten großes Glück und eine Betreuerin beim Jugendamt, die sehr engagiert war und mit der ich auch in den Phasen, in denen es mir schlecht ging, sprechen konnte. Sie half und hatte immer gute und konstruktive Hilfestellungen. Doch darüber hinaus war ein Fortbildungs- und Unterstützungsangebot wenig vorhanden, oder nur unzureichend für mich. So begann ich mich selbst aus Eigeninitiative heraus mit anderen Adoptivfamilien zu vernetzen und meine eigenen Seminare zu organisieren. „Wenn nicht die Themen im Angebot sind, dann organisiere ich es mir eben selbst im Rahmen eines Workshops.“ dachte ich. Das läuft bis heute sehr gut, auch wenn es mein eigenes Engagement erfordert. – Gut, fairerweise muss ich gestehen, dass ich mich in all den Jahren in vielen Adoptionsthemen inhaltlich so tief eingearbeitet habe, dass, auch wenn es vorhanden wäre, ein Standardseminarprogramm rund um Adoptionsthemen mich persönlich wenig weiterbringt. Aber das löst dennoch nicht das Problem.

Lange Fragebögen, intensive Gespräche mit Hausbesuchen, Pflichtseminare – das alles gehört zur Bewerbung und Überprüfung einer zukünftigen Adoptivfamilie durch die Jugendämter. Ist das Adoptivkind dann in der Familie aufgenommen, bleibt solange noch ein Kontakt zum Jugendamt bestehen, bis die Formalitäten abgeschlossen sind. Das heisst bei Inlandsadoptionen, bis die Adoption rechtskräftig ist, oder wie in unserem Falle, bis die Entwicklungsberichte für die russischen Behörden fertig gestellt sind. Danach wird die Adoptivfamilie in die seelsorgerische Diaspora entlassen. Meistens. Leider. Begleitende Unterstützung ist in den Folgejahren wenig vorhanden, manchmal gar nicht, manchmal mag es ein Seminarangebot geben. Auf Adoptivkinder spezialisierte Therapeuten gibt es wenige, Foren, in denen sich Adoptivfamilien begegnen und vernetzen können sind rar gesät. Sicherlich gibt es hier regionale Unterschiede. Doch meistens bleiben Adoptivfamilien sich selbst überlassen. Vor allem dann, wenn die Wahrscheinlichkeit steigt, dass Adoptivfamilien mit ihren Kindern vor ernst zu nehmende Herausforderungen gestellt werden. Die Probleme, selbst die klassischen, die bei Adoptivkindern auftreten können und die wir alle aus der Fachliteratur kennen, zeigen sich nicht in den ersten zwei Jahren nach der Adoption. Nein, sie drängen sich erst Jahre danach – wenn viele Familien sich schon in der Sicherheit wiegen, das alles gut ist, an die Oberfläche. Dann wenn die Kinder in die Schule gehen, dann wenn die Pubertät ihre Schatten vorausschickt. Genau dann ist keiner da, der einfühlsam unterstützen kann und fachspezifisch Lösungen zu auftretenden Problemen aufzeigen kann. Wenn das Adoptivkind schreit, tobt, schlägt, beißt, ist die Familie gezwungen, alleine das Problem zu lösen. Wenn das Adoptivkind in der Schule abrutscht oder ausgegrenzt wird, weil es mit dem Leistungsdruck nicht umgehen kann, dann ist die Familien auf sich gestellt, eine geeignete Schule zu finden, in der das Adoptivkind besser aufgehoben ist. Treten gesundheitliche Herausforderungen oder späte Entwicklungsdefizite auf, müssen auch diese die Adoptiveltern alleine in den Griff bekommen.

Die Jugendämter, in deren Zuständigkeit die Begleitung von Adoptivfamilien fällt, können das nicht leisten. Die Personaldecke ist zu dünn. Oft sind sie schon mit der Betreuung und Begleitung von Pflegefamilien überfordert und überbelastet. Ebenso bieten wenige freie Adoptionsvermittlungsstellen eine entsprechende langfristige Begleitung nach der Adoption an. Da mag es die ein oder andere geben, die spezielle Seminare zur Nachsorge und zur Wurzelsuche anbieten. Das ist besser als nichts, aber zu wenig. Noch immer gibt es zu wenige freie Beratungsstellen, Bildungseinrichtungen oder Therapeutennetzwerke, die sich der fürsorglichen langfristigen Begleitung von Adoptivfamilien annehmen. Meist fehlt auch die entsprechende Erfahrung und spezifische Kompetenz. All zu oft wird in Frühförderstellen oder Sozialpädiatrischen Zentren dann mit Standardrezepten hantiert, die aber nie bei einem Adoptivkind helfen werden. Es gibt eben doch weniger Adoptivkinder mit entwicklungsspezifischen und seelisch emotionalen Herausforderungen als andere Kinder. Ja, auch hier mag es eine Frage der Fallzahlen sein.

So bleibt Adoptivfamilien kaum etwas anderes übrig, als tatsächlich Eigeninitiative zu ergreifen und sich selbst zum besten Spezialisten für das eigene Kind zu entwickeln. Nur so besteht eine Chance, wenn Schwierigkeiten auftauchen, die bestmögliche Hilfe und Unterstützung für sein Kind zu finden. Genauso bedarf es viel eigenes Engagement der Adoptiveltern, sich selbst fortzubilden und sich die passenden Seminare zu suchen, auch wenn dies heißt, weite Reisen durch die Republik zu unternehmen, um einen Spezialisten aus der „Adoptionsszene“ zu hören. Und schließlich ist es auch den Adoptiveltern überlassen, sich unter einander zu vernetzen und im regelmäßigen Austausch Hilfe bei kritischen Fragestellungen zu finden. Nur so können sie verhindern, ganz alleine auf weiter Flur mit ihrem hilfebedürftigen Adoptivkind zu stehen.