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Charlotte’s Sonntagslieblinge (161) am Montag – Verspätete Gedanken zu den Corona-Lockerungen

boy drawing sales report on the wall

Mit freundlicher Unterstützung von Fotolia

Nun kehren wir angeblich immer mehr in eine „neue Normalität“ zurück. Neue Normalität? Was ist neu daran, wenn man sich auf einmal wieder mit mehr als 10 Personen treffen darf, wenn nun versuchsweise die Jüngsten in unserem Bildungssystem in volle Klassen in den kommenden Woche zurückkehren dürfen? Wenn Schwimmbäder wieder öffnen? Ja, da gibt es dann die viel besprochenen Hygienevorschriften und Abstandsregeln. In den Schulen werden diese aber nun auch immer mehr fallen gelassen. Öffnung der Grundschulen für die gesamten Klassen, ohne Abstandseinhaltung. – Wäre ja auch mit dem Abstand nicht möglich. Es sei denn, man stellt schnell ein paar Container auf den Schulhof und zaubert über Nacht ein paar zehntausend Lehrkräfte aus dem Hut. – Ist all das nicht eher der verzweifelte Versuch, zu einer alten Normalität zurückzukehren? Alles ist wieder gut, und nun können wir allmählich wieder so irre weitermachen wie vor der Krise. Immer höher, schneller, weiter? Und zuvor probieren wir das mal aus, ob das auch alles wirklich so wieder funktionieren kann, indem wir die Jüngsten in unserer Gesellschaft als Versuchskaninchen benutzen und sie unter dem fadenscheinigen Argument, die Familien müssten nun endlich in der Betreuung entlastet werden, für die letzten Wochen vor den Ferien in die Schule geschickt werden unter vermeintlich „normalen“ Bedingungen. Wenn es schief geht, kann man immer noch sagen: „Nun, wir wollten Euch ja wirklich entlasten. Ihr als Eltern habt das ja nicht hinbekommen mit der Betreuung, mit der Schule, mit der Bildung. Ach ja, und tut uns leid, dass Ihr nun Corona habt und 14 Tage in Quarantäne gehen müsst. Hoffentlich geht es Ihrem Kind und Ihnen bald besser. Und das nun aus dem Urlaub nichts wird, nun ja…“

Ich halte die Öffnung der Grundschulen nun in einem hektischen Schritt so kurz vor den Sommerferien für eine schlechte Idee. Im Gegenteil. Ich halte es für verantwortungslos, die Jüngsten und Verwundbarsten in unserer Gesellschaft nun als Versuchskaninchen für eine vermeidliche neue Normalität zu benutzen. Was, wenn es schief geht? Ja, es ist eine willkommene Gelegenheit, um wieder einmal Erfahrungen mit dem Virus zu sammeln. Aber müssen das nun ausgerechnet die Kinder sein? Noch dazu gerade die Jüngsten? Ketzerisch hatte ich den Gedanken, doch eher zwei Bundesliga-Samstage in vollen Stadien zu spielen. Einer würde wahrscheinlich reichen. Und dann sehen wir sehr schnell, was der Virus macht. Genau dasselbe, was er schon gemacht hat, als er noch mehr unentdeckt war: sich verbreiten. Ich halte die vielen Lockerungen für viel zu voreilig. Ja, wir müssen neue Daten sammeln, Erfahrungen machen, uns aus der Angststarre befreien. Ewig können wir nicht in der Isolation leben. Irgendwie muss es ja wieder weitergehen. Aber ausgerechnet so wie zuvor?

Ich habe mich zuerst furchtbar aufgeregt, als ich von den neuen Lockerungen in einigen Bundesländern gehört habe. Wollte erst böse Briefe schreiben. Doch dann habe ich mich erst einmal besinnt, habe gelesen und bin gelaufen. Jetzt sehe ich klarer, was mich stört. Ich vermisse Ideen und Bilder, wie denn eine „neue Normalität“ tatsächlich aussehen könnte. Zu sehr scheinen wir alle gefangen zu sein in einem ständigen Reagieren auf den Virus, auf Fallzahlen, auf wirtschaftliche Entwicklungen, etc. Aber wir agieren nicht. Wir bleiben passiv und warten, was der unsichtbare Feind macht. Stattdessen gälte es jetzt, neue Ideen zu entwickeln, unter der Prämisse, dass der Virus einfach noch eine Weile unter uns bleiben wird. Um bei den Öffnungen der Grundschulen zu bleiben: Werden unsere Kinder genauso wieder unterrichtet wie vor der Coronakrise? Machen wir einfach da weiter, wo wir im März aufgehört haben? Kann ja eigentlich nicht sein. Wenn wir davon ausgehen, dass uns der Coronavirus durch eine echte Krise geschickt hat, dann muss sich nun etwas ändern. Viel ändern. Sonst war es keine Krise.

Doch vielleicht sollten wir keine Rettung und keine Vorgaben von der Politik erwarten, sondern stattdessen muss jeder von uns selbst schauen, welche Veränderungen diese Krise nun für jeden von uns mit sich bringen wird. Jeder muss selbst für sich herausfinden, was sich nun vielleicht nachhaltig ändern sollte, oder auch schon geändert hat. Das ist schwierig, denn damit verlassen wir ja die Komfortzonen unserer Gewohnheiten. Auch wenn wir diese schon in Teilen in den vergangenen Monaten verlassen mussten, so fällt es schwer, Liebgewohnenes loszulassen oder den Mut zu haben, nun eben nicht zu alten Gewohnheiten wieder zurückzukehren. Auch ich bin hier erst am Anfang eines Prozesses. Ich weiß noch nicht, wo er mich hinführen wird. Ich weiß nur, dass ich nicht mehr nur reagieren will, egal wo, Zuhause, in der Schule, im Unterricht, bei meinen Kindern,… Und so bin ich zunächst einmal dankbar für diese Sonntagslieblinge:

  1. Ich bin dankbar für ein wenig mehr Zeit, in der ich tatsächlich wieder zum Lesen gekommen bin. In den gesamten 9 Wochen des Lockdowns und der Schulschließungen habe ich vielleicht zwei kurze Bücher gelesen. Mehr war nicht drin. Nicht weil ich keine Muße hatte, sondern schlicht und ergreifend keine Zeit. Das scheint sich jetzt ein wenig zu ändern. Aus der Unzufriedenheit heraus habe ich mich tatsächlich etwas mehr mit der Coronakrise und der Zukunft danach beschäftigt. Das frisch erschienene Buch von Matthias Horx „Die Zukunft nach Corona“ hat hier denkwürdige Impulse gesetzt. Doch auch Beiträge von waldorfpädagogischen Kolleg*innen haben mir neue Ideen zu einer vielleicht anderen Unterrichtsgestaltung gegeben.
  2. Mittlerweile gelingt es mir tatsächlich drei bis viermal in der Woche wieder laufen zu gehen. Ich hoffe, das hält sich wieder so. Es ist ein gutes Gefühl, nicht mehr ständig gegen den inneren Schweinehund zu kämpfen, sondern schon im Vorfeld zu wissen, dass es gut tut.
  3. Mein dritter Liebling ist ein kleiner kinderphilosophischer Nachklapp zu meinen Lieblingen bzw. meiner Vorrede dazu aus der vergangenen Woche: Hier gibt es diese Werbung zu einem Bier, die ungefähr so lautet: „Mutter Natur, Vater Brauer…“ Meine Tochter meinte neulich dazu, als wir eines dieser Plakate passierten: „Mama, das ist ja wie im wahren Leben. Die Mutter kümmert sich um die Nahrung und stellt das Essen auf den Tisch, der Vater setzt sich und trinkt ein Bier…“ Nicht dass das Rollenmodell ist, was wir ihr hier vorleben. Dennoch: Kindermund tut doch Wahrheit kund, wo auch immer sie es her hat….

Kommt gut und wohlbehalten durch diese Woche! Bleibt besonnen und zuversichtlich!

 

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Charlotte’s Sonntagslieblinge (159)

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Photo by Chattersnap on unsplash.com

Still ist es geworden auf meinem Blog. Das hat mit so vielem zu tun, was mein Leben mittlerweile bewegt, auch manchmal mit neuen und anderen Prioritäten, mit deutlich weniger Zeit, und so vielem mehr. Nun steht schon wieder Weihnachten vor der Türe. Ruhig ist es nun in unserem Leben geworden. Wir haben ein paar Gänge heruntergeschaltet. Nicht erst seit dem Ende der Woche, an dem die Ferien begonnen haben. Drei Wochen war ich krank Zuhause, konnte und durfte nicht viel machen. Den Alltag mussten wir reduzieren, und das Pflichtprogramm mit Mann, Kinderfrau und Bruder irgendwie am Laufen halten. Irgendwie passte es aber auch ganz gut, es war auch eine wunderbare Entschuldigung, sich an so vielen Versuchungen des vorweihnachtlichen Stresses diesmal nicht zu beteiligen. Nun geht es wieder besser, und Weihnachten wird in Freude erwartet.

Heute habe ich mit Maxim noch Batterien für die Lichter an unserem Weihnachtsbaum besorgt. Als wir an der Kasse standen, fragte mein Sohn mich: „Mama, warum ist das so wichtig, dass wir irgendwelche Markenbatterien kaufen?“ Ich: „Nun, damit wir vielleicht ein wenig mehr sicher gehen, dass die Lichter dann auch jeden Abend leuchten.“ Er, inzwischen leicht präpubertär, der zurecht – oft – oder zu unrecht – manchmal – alles in Frage stellt, was wir Erwachsenen so tun: „Aber warum ist das so wichtig? Dann bleibt der Baum halt dunkel. Ja, und?“ Ich: „Weißt Du, MIR ist das einfach wichtig. Für mich gehört zu Weihnachten ein schön leuchtender Baum. Erinnerst Du Dich noch an unser allererstes Weihnachten? Da wart Ihr mit dem Papa unterwegs und ich habe heimlich den Baum geschmückt. Als ich die Lichterkette angebracht hatte und sie anmachen wollte, ging sie nicht mehr. Völlig verzweifelt habe ich den Papa angerufen. Und er hat noch am Heiligen Abend eine neue Lichterkette besorgt. Denn ich wollte unbedingt, dass dieser Baum leuchtet und strahlt, wenn das Christkind da war und ihr dann in das Zimmer kommt.“ Mein Sohn etwas nachdenklich: „Nee, da kann ich mich nicht mehr erinnern. Aber es stimmt, es ist immer schön, in dieses erleuchtete Zimmer mit dem Baum und den Geschenken zu kommen.“ – Morgen werden die Kinder und ich wieder den Baum schmücken und dann wird auch meinen Sohn die Vorfreude auf Weihnachten ergreifen. Dessen bin ich mir sicher. Nadeschda hingegen ist schon seit Tagen furchtbar aufgeregt…. Und so bin ich an diesem Sonntag vor Heiligabend für diese drei Sonntagslieblinge dankbar:

  1. Dankbar bin ich, wie mein Mann und meine Kinder den Alltag hier zuhause während meines Ausfalls bewältigt haben. Froh bin ich vor allem, dass meine Kinder keine weitreichenden Folgen davon getragen haben. Im Gegenteil, sie sind noch einmal ein Stück weit selbstständiger geworden, so dass ich nun eher lernen muss, loszulassen.
  2. Die viele Zeit für mich war auch in gewisser Weise ein Geschenk für mich. Nicht nur habe ich endlich wieder viel gelesen, sondern diese Zeit hat auch einen Prozess in Gang gesetzt, noch einmal mein Leben zu überdenken. Neuer Input hat den Wunsch nach Veränderung geweckt. Was ich damit mache, weiß ich noch nicht. Mal sehen, wo mich der Weg hinführt.
  3. Wenn ich nun vor Weihnachten auf dieses vergangene Jahr zurückblicke, dann bin ich so unendlich dankbar einmal wieder für den Entwicklungsweg, den meine beiden Kinder gegangen sind. Nun werden sie wirklich groß und selbstständig. Nicht erst in den vergangenen drei Wochen. Das entlastet so ungemein, beschenkt mich mit dem Gefühl „Ja, das war und ist alles gut so.“ Und dann ist es genauso wieder schön, wenn ein leises Stimmchen nachts sagt: „Mami, ich habe noch Durst. Kannst Du mir Wasser bringen.“ oder ich überraschend eines meiner Kinder in meinem Bett vorfinde, das in dem Moment, als es spürt, dass ich da bin, sich zu mir hindreht und seine Arme und Beine um mich schlingt.

Habt einen zauberhaften 4. Advent, lasst Euch nicht verrückt machen von all den Vorweihnachtsvorbereitungen und startet wohlbehalten in eine hoffentlich dann doch für Euch alle ruhige und besinnliche Weihnachtswoche.

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Charlotte’s Sonntagslieblinge (153)

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Photo by Kevin Gent on unsplash.com

Puuuuhhhh, die erste Schulwoche ist geschafft. Doch von einem Alltag und einer Routine sind wir weit entfernt. Die Veränderungen sind dann doch zu gravierend. Und heute Nachmittag ziehen dann noch unsere drei neuen Mitbewohner bei uns ein. Die drei kleinen Geschwister „Hase“ beziehen ihr Heim bei ihren Adoptiveltern Maxim und Nadeschda. Die jungen Eltern haben schon alles hergerichtet, ganz so wie wir damals, vor inzwischen so vielen Jahren. Die Hasengroßmutter, sprich ich, muss jetzt nur noch um den qualifizierten Tierarzt kümmern, der dann genau auch Zeit hat, wenn es in den engen Terminkalender von Haseneltern und Hasengroßmutter hineinpasst. Wir freuen uns, und ich wünsche mir so sehr, dass auch die Zeit im Alltag bleibt, sich weiter zu freuen und die Zeit mit den Hasenkindern zu genießen. – Im Moment noch bin ich allein an diesem jungen Sonntagmorgen. Richard ist übers Wochenende mit den Kindern zum alljährlichen Väterwochenende auf just dem Bauernhof, auf dem wir schon so oft waren, in den vergangenen Jahren, seitdem wir Eltern sind, und der uns nun auch den ersten Enkelnachwuchs beschert. Und so bin ich in der Stille dieses Sonntag Morgens dankbar für diese drei Sonntagslieblinge:

  1. Mehr als dankbar bin ich dafür, dass wir alle einen guten Start in unser „neues“ Schulleben hatten. In Anbetracht dessen, dass vieles in unserem Alltagsrhythmus neu und noch ungeklärt ist, sich erst finden muss, haben wir die erste Woche gut gemeistert. Mit Höhen und ein paar wenigen Tiefen, aber alles in allem gut. Maxim ist nun wirklich groß und auch Nadeschda wächst zunehmend mit ihren Herausforderungen. Nach fünf Jahren begleiten in den Klassenraum, trennen sich nun unsere Wege auf dem Schulparkplatz. Und so sehe ich jeden Morgen meine Kinder selbstbewusst in das Schulgebäude marschieren, während ich über den Hintereingang zum Lehrerzimmer gehe. Es ist eine Lektion des Loslassens und des Losgelassen Werdens, die vor allem Nadeschda so tapfer meistert. (Für Maxim war das schon lange überfällig, und so nimmt er die Situation mehr als dankend an, und kümmert sich, so wie das vielleicht noch notwendig ist, ganz rührend um seine kleine Schwester.)  Und wieder einmal bin ich so stolz und so unendlich dankbar für meine beiden so wunderbaren Kinder!
  2. An diesem Wochenende habe ich endlich noch einmal die Reportage „Auf meinem Weg: Siebte und achte Klasse in der Waldorfschule“ geschaut. In einer Reihe von drei Filmen wird eine Waldorfklassenlehrerin mit ihrer Klasse von der 1. bis zur 8. Klasse begleitet. Und diese Lehrerin ist ein wirkliches Vorbild. Für mich. Ich hatte die ersten beiden Teile schon vor Jahren und Monaten gesehen, den letzten Teil aber nie richtig. Nun war endlich der Moment und die Gelegenheit. Und gepasst hat es auch, habe ich doch selbst gerade eine sechste Klasse übernommen. Beinahe Tränen in den Augen hatte ich bei einem der Schluss-Sätze (sinngemäß): „Ich bin dankbar dafür, dass ich mir nie ein Bild gemacht habe…., sondern dass ich immer wieder offen geblieben bin, mich von einem Kind überraschen zu lassen.“ Möge dieser Satz in all seiner Tragweite auch mich begleiten. Als Lehrerin und auch als Mutter.
  3. Manchmal muss man auch einfach nur für den Augenblick dankbar sein. Und so denke ich an den Moment und das Gefühl, am Freitag Mittag auf den Schulparkplatz gefahren zu sein – eine volle Woche geschafft zu haben und nun meine wunderbaren Kinder abzuholen-, ganz un-Waldorf-like mit lauter Musik an, denn im Radio lief Johannes Oerdings „An guten Tagen“. Die Sonne schien, ich hatte das Schiebedach auf, ließ mich von ihr wärmen und in meinen Ohren (und auch vielen anderen, denn ich hatte die Musik laut aufgedreht) erklang:

„An guten Tagen
Gibt es nur hier und jetzt
Schau‘ ich nicht links und rechts
Vielleicht nach vorn, doch nie zurück
An guten Tagen
Ist unser Lachen echt
Und alle Fragen weg
Auch wenn’s nur jetzt und nicht für immer ist“

In diesem Sinne habt eine zauberhaften Sonntag und startet wohlbehalten in die neue Woche!

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Charlotte’s Sonntagslieblinge (89)

happy family with two kids walking at sunset

Mit freundlicher Unterstützung von Fotolia

Noch ist das Haus ganz still. Richard ist mit den Kindern über’s Wochenende mit ein paar anderen Vätern und deren Kindern auf einen Bauernhof gefahren. Ich habe derweil wieder die Schulbank gedrückt. Mein letztes Wochenendseminar im Rahmen meiner Ausbildung. Schon bald ist es geschafft, in nur wenigen Wochen habe ich den Berg meiner Ausbildung überwunden und darf mich auf viele neue Perspektiven und viel geschenkte Zeit freuen. Ich bin gespannt, was das Leben für mich nach dem Sommer bereit hält. Doch jetzt bin ich erst einmal dankbar für diese drei Sonntagslieblinge:

  1. Am Freitag habe ich meine Seminararbeit präsentiert. Es war gut, dass ich mich vorher von dem Druck befreit habe, alles perfekt zu machen. In zehn Minuten Präsentationszeit kann man ohnehin nicht viel reißen. Und letztendlich wusste ich, dass ich gut im Thema drin bin. Dennoch war ich am Ende erleichtert, dass ich nun an diese Baustelle auch einen Haken machen kann.
  2. Den gestrigen freien Morgen habe ich genutzt und endlich auch meine Portfolioarbeit abgeschlossen. Irgendwann hatte ich auch hier beschlossen, es nicht zu übertreiben, sondern Nutzen und Aufwand in einem verträglichen Maß zu halten. Das tat gut. Und dennoch kann ich zufrieden sein, mit meinem Werk.
  3. Auch wenn ich selbst nicht viel Zeit Zuhause hatte, so freue ich mich nun doch, dass meine kleine Familie in den nächsten Minuten hier wieder eintreffen wird. Es war sehr still in diesen vier Wänden, und obwohl ich gerne auch einmal alleine bin, freue ich mich, wenn Richard mit Maxim und Nadeschda nun gleich die Bude wieder mit Lärm und ein wenig Chaos füllen.

Genießt noch einen erholsamen Sonntag! Und habt einen wunderbaren Start in eine erneut kurze Woche!

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Charlotte’s Sonntagslieblinge (83)

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Photo by Benjamin Manley on unsplash.com

Die erste Schulwoche nach den Ferien liegt nun hinter uns. Wir haben den Einstieg in den Alltag und in unsere Routine gut geschafft, selbst wenn mein eigenes Arbeitspensum wieder sehr dicht war. Doch ich lerne, vor allem was die Fürsorge für meine Mutter  angeht, abzugeben. Das tut gut. Ich habe getan, was ich tun konnte. Jetzt muss meine Mutter selber sehen, wie sie weiter klar kommt. Dennoch muss ich noch besser mit meinen Kräften haushalten. Immer noch bin ich sehr angespannt und an den Grenzen meiner emotionalen und physischen Belastbarkeit. Um so mehr bin ich heute für diese drei Sonntagslieblinge dankbar:

  1. Obwohl wir hin und wieder in den letzten Wochen harte Übzeiten hatten, hat Maxime am Wochenende auf der Taufe bei lieben Freunden ganz wundervoll ein kleines Vorspiel auf der Trompete gegeben. Für mich wieder einmal ein bewegender Moment zu erleben, was mein Sohn kann und was in ihm steckt, wenn er sich nicht selbst im Wege steht.
  2. Nadeschda beginnt zu lesen. In den Ferien haben wir fleißig die Buchstaben und die Silbenbildung geübt. Nun beginnt sie zu lesen… Es ist zauberhaft zu sehen, wie sie die Silben erkennt und dann zu einem Wort zusammenfügt und sich so freut, wenn sie es erkennt… „To – ma-te…. Tomate, oh wie lecker Mama!“
  3. Mit meiner Portfolioarbeit ging mir durch den Kopf, dass meine Ausbildung tatsächlich in zwei Monaten nahezu beendet ist. Dann haben wir alle einen riesigen Abschnitt geschafft. Spannend ist zu beobachten, wie sich nun in den letzten Tagen auf einmal Optionen eröffnen, wie es weitergehen könnte. Es ist eine schöne Erfahrung, manchmal auch die Dinge einfach laufen zu lassen und zu sehen, was das Schicksal dann für einen bereit hält.

Habt eine zauberhaften Sonntag und einen guten Start in die neue Woche!

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Mehr im Einklang mit meinen Adoptivkindern (2) – Maxim

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Annie Spratt, unsplash.com

Wieder mehr im Einklang mit meinen Kindern zu sein, ist mein Thema in dieser Woche. Wie schon in meinem Post zu Nadeschda geschildert, hat mich dabei ein Artikel einer amerikanischen Adoptivmutter zu „Attuning to Family Harmony“ inspiriert. Alex Chase stellt ins Zentrum ihrer Ausführungen die Aussage, dass Adoptivkinder über ihr Verhalten sagen, was sie ertragen können und was nicht.

Von Beginn an hatte Maxim Schwierigkeiten mit Nähe, mit körperlicher Nähe, mit emotionaler Nähe. Solange er nicht selbst über sie entscheiden kann, ist Nähe für ihn schwer zu ertragen. Vor allem von mir, seiner Mutter. Manchmal erscheint es mir, als wäre ich, seine Mama, für ihn eine bedrohliche Person in seinem Leben. In meiner Gegenwart ist er zuweilen angespannt und angestrengt. Mehr als mit anderen Menschen. Der Blickkontakt fällt ihm schwer und ebenso körperlich Nähe und Zuneigung. Das zeigt sich vor allem in Situationen des Übergangs, wie beim Verabschieden morgens in der Schule oder beim Abholen nach der Schule. Oder wenn wir lange vertraut zusammen vorgelesen haben, zieht er sich unvermittelt wieder zurück. Genauso kann er häufig nicht mit Lob und Freude über etwas, was er erfolgreich bewältigt hat, umgehen. Ich spüre förmlich, wie ihm dann alles zu viel wird. Er kann mit dieser Nähe nicht umgehen, sie macht ihm Angst.

Führe ich mir das, was ich zum Urvertrauen geschrieben habe, wieder vor Augen, ist sein Verhalten nachvollziehbar. Denn für Maxim ist es schmerzhaft, sich in eine existenzielle Abhängigkeit zu begeben. So war seine frühe Erfahrung, folgt man Rech-Simon und Simon in ihren „Survivaltipps für Adoptiveltern“ im übertragenen Sinne: „Ich begab mich in eine Abhängigkeit von meiner leiblichen Mutter. Und aus dieser Abhängigkeit folgte eine schmerzhafte Trennung.“ Um diesen Schmerz zu verhindern, hält er auf Gedeih und Verderb an seiner (gefühlten) Autonomie fest und bekämpft jede drohende Abhängigkeit. Natürlich ist die Abhängigkeit von mir, seiner Mama, am größten. Deshalb nimmt er sie im übertragenen Sinne auch als Bedrohung war.

Bis heute fällt es mir schwer, das zu akzeptieren. Er ist eben nicht das Kind, das mich überschwänglich auf dem Schulhof begrüßt und mir um den Hals fällt, der mich immer und immer wieder mit Liebkosungen überhäuft. Er kuschelt wenig. Er ist wenig anhänglich. Mit der Zeit habe ich gelernt, ihn zu lassen. Er braucht Raum, um meine Fürsorge und Zuneigung anzunehmen. Nur wenn er diesen Freiraum hat, kann er selbst seinem eigenen Bedürfnis nach Nähe nachspüren und für sich einfordern. Ja, je mehr ich ihn loslasse, um so mehr Nähe ist zwischen uns. Seine freigewählte Nähe! Und dann ist es doch so, dass er nach einem Nachmittag, an dem er mit mir genau diesen Freiraum erlebt hat, abends auf einmal kommt und auf meinem Schoß sitzen möchte oder mich einfach von hinten fest umarmt.