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Angst um Nadeschda…

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Photo by Bekah Russom on unsplash.com

Seit vier Wochen ist die Angst um Nadeschda einmal wieder unser ständiger Begleiter. Seit vier Wochen hat Nadeschda einen Walnussgroßen Knoten unter der Achsel. Er schmerzt nicht. Was in diesem Fall nichts Gutes heißt…. Entgegen dem Gängigen, wenn man Dr. Google befragt, „Warten Sie erst einmal ab. In der Regel geht eine mögliche Schwellung der Lymphknoten nach zwei bis drei Wochen bei Kindern von alleine weg.“, sind wir nach einer Woche beim Kinderarzt gewesen. Der war mächtig entsetzt und verlor auch kurz die Fassung, als er „das Ding“ sah, sortierte sich aber schnell und leierte sofort alle möglichen Untersuchungen an. In den vielen Jahren, die wir bei ihm sind, habe ich ihn als unglaublich guten Diagnostiker kennen- und schätzen gelernt. Im Ultraschall konnte man sehen, dass es wohlmöglich ein vergrößerter Lymphknoten ist. Allerdings fanden sich in Nadeschdas Blut keine Hinweise und Indizien auf irgendetwas. Jede mögliche Virusinfektion, die eine derartige Schwellung hervorrufen kann, konnte ausgeschlossen werden. Auch die Entzündungswerte waren nicht erhöht. Und andere Organe wie Milz und Leber nicht vergrößert.

Etwas „Normales“ war dieser Knoten aber nicht. So viel stand nach zwei Tagen fest. Und da unser Kinderarzt sich unsicher war, ließ er Nadeschda in die Kinderklinik und die dazugehörige hämatologische-onkologische Abteilung einweisen. „Die kennen sich am besten mit raumfordernden Prozessen aus,“ sagte noch unser Kinderarzt, „und es heißt nicht, dass jetzt das Schlimmste zu befürchten ist.“ Dennoch fiel es mir schwer, Ruhe zu bewahren. Die Angst hatte mich bereits fest im Griff.

In diesen Momenten bin ich so unendlich dankbar für meinen Mann. Er hatte sofort gesagt, dass er mit Nadeschda ins Krankenhaus fährt. Nachdem ich Nadeschdas Koffer gepackt hatte, wollte ich ihm noch ein paar Sachen einpacken. Verdutzt guckte Richard mich an und sagte: „Nein, wieso? Wir sind doch heute Abend wieder zurück.“ So war es dann auch. Nach erneuter Blutkontrolle und Ultraschall, waren die Ärzte in der Klinik davon überzeugt, dass es sich um eine Infektion eines Lymphknoten handelt. In den folgenden Tagen sollte Nadeschda zwei Antibiotika nehmen, die die Infektion behandelten. Die Angst lockerte ein wenig ihren Griff…

Doch in der folgenden Woche lernten wir, was der Kinderarzt in der Klinik mit seinem Satz „Eine Antibiose ist in diesen Fällen in der Regel der erste Schritt. Wenn das die Nerven der Eltern mitmachen…“ gemeint hatte: Der Knoten wurde nicht kleiner, die Antibiotika wirkten nicht und die Wartezeit bis zum nächsten Kontrolltermin entwickelte sich zu einem nervlichen Drahtseilakt. Die Angst griff wieder fester zu und führte mich an die Grenzen meiner Belastung.

Auch beim folgenden Kontrolltermin hielten die Ärzte an ihrer Vermutung fest, dass es sich eher um eine Infektion als um ein Lymphom – irgendwann war dann das Wort, das wir alle in den Tagen zuvor gemieden hatten wie der Teufel das Weihwasser, doch auf dem Tisch – handelte. Nadeschda zeigte ja keine der gängigen Begleiterscheinungen, keinen Nachtschweiß, kein Fieber, kein schlechter Allgemeinzustand. Wir sollten noch einmal zehn Tage warten, und beobachten wie sich der Knoten entwickelt. Um so vielleicht einen operativen Eingriff zu vermeiden. „Lassen Sie sie doch lieber noch einmal spielen und rumtoben…“ hatte eine der Ärztinnen gesagt.

Nun die zehn Tage sind morgen vorbei. Richard wird morgen wieder mit Nadeschda in die onkologische Abteilung der Kinderklinik fahren, zu einer nächsten Kontrolle. Der Knoten ist da. Unverändert. Nach wie vor so groß und bedrohlich wie vor vier Wochen. Die Angst hat sich erneut in unserer Mitte niedergelassen, und drückt hämisch grinsend ihre Klauen immer fester zu.