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Adoptivkinder heilsam durch den Sommer bringen….(reloaded)

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Photo by Vanessa Bumbeers on unsplash.com

Nun haben sie begonnen, die langersehnten Sommerferien. Ruhe, kein Zeitdruck, weniger Termine und Verpflichtungen. Bevor wir in den Urlaub fahren, haben wir noch etwas Zeit Zuhause. Langsam können wir uns runterfahren vom vollen und manchmal turbulenten Alltag des vergangenen Schuljahres. Und dennoch gilt es auch wieder die richtige Balance zwischen Struktur und Routine auf der einen Seite und Freiräumen auf der anderen Seite zu finden. Ein gesundes Maß für einen heilsamen Rhythmus in den Ferien aufzubauen. Dabei denke ich an meinen Beitrag aus dem vergangenen Sommer zurück, in dem ich bereits schon einmal über die wirkungsvollen Tipps geschrieben habe, wie es gelingen kann, Adoptivkinder heilsam durch den Sommer zu bringen. Noch heute gelten sie für uns:

  1. Wir versuchen Struktur und Routine in weiten Teilen aufrechterhalten. Maxim und Nadeschda stehen zwar morgens ein wenig später auf als zu Schulzeiten, aber sie schlafen auch nicht bis in die Puppen. Abends gehen sie nach wie vor zeitig ins Bett.  Ja, vielleicht darf Maxim abends noch ein wenig lesen. Länger als zu Schulzeiten, aber auch nicht bis spät in die Nacht. Tagsüber muss ich – mit Ausnahme unseres Urlaubs – arbeiten. Zuhause. Mein Buch weiterschreiben, meinen Unterricht vorbereiten. Die Kinderfrau kommt, wieder in gleichbleibenden regelmäßigen Dosen. Genauso üben wir wieder jeden Tag über eine gewisse Zeitspanne. All das gibt Halt und Struktur.
  2. Bei allem was wir tun, bemühen wir uns noch einmal mehr als im vergangenen Sommer um kleine maßvollen Dosen von Aktivitäten. In den vergangenen Monaten haben wir noch einmal bewusst erfahren, dass vor allem Maxim kein Maß hat. So wie alle äußeren Eindrücke ungebremst in sein Inneres hereindrängen, so hat er nach wie vor kein gesundes Maß für die Dauer von Aktivitäten, für die Mengen an Essen, für eine gesunde Dosis zu lesen oder anderes zu tun. Körperliche Signale ignoriert er. Nach wie vor muss ich ihm Einhalt gebieten, ihn kontrollieren, damit er es egal in dem was er tut nicht übertreibt. Und so versuche ich unsere Tage so zu strukturieren, dass auch alle Aktivitäten ein gesundes Maß haben und nicht übertrieben werden. Das ist manchmal verdammt schwer, wachsam zu sein und wahrzunehmen, wann das Maß vor allem bei ihm wieder voll ist. Aber am Ende macht es uns das Leben leichter, denn Ferien und viel Zeit zusammen können wir nur genießen, wenn wir alle ausgeglichen und in der Balance sind.
  3. Ich diszipliniere mich und halte trotz der heißen sommerlichen Temperaturen die regelmäßigen Mahlzeiten Zuhause ein. Ja, meistens wird es Frühstück, Mittagessen und Abendessen zu den gleichen Zeiten geben. Das schützt gleichzeitig vor zu viel Zwischendrin essen und vor allem auch vor zu viel Zuckerkonsum.
  4. Elektronische Medien haben bei uns auch wie vor nur in sehr geringem Maße Einzug gehalten. Und das wird auch so bleiben. Insofern stehen aktive Aktivitäten weiter im Vordergrund. Der große Pool, den wir im Garten haben,  trägt da sein übriges dazu bei. Nicht zuletzt auch, dass Nadeschda nun wirklich mit dem kOpf aus dem Wasser schwimmen kann.
  5. Ich selbst übe mich in Selbstfürsorge, suche auch Inseln für mich, um dann in der entsprechenden Verfassung zu sein, achtsam und gelassen auf meine Kinder eingehen zu können, wenn es ihnen nicht so gut geht. In diesem Jahr scheint es aber, als hätten sie selbst seit dem vergangenen Sommer sich in mehr Selbstfürsorge geübt. Die emotionalen Stimmungsschwankungen bleiben bisher aus, zumindest in einem eskalierenden Stadium. Denn schon vorher merken Maxim und Nadeschda, wann es Zeit ist, sich zurückzuziehen. Dann gehen sie lieber in ihre Zimmer und verharren dort für eine Weile, bevor die Emotionen überkochen.

Es bleibt mir zu Beginn der Ferien zu hoffen, dass sich diese Aspekte genauso wieder in diesen Ferien auszahlen wie sie sich in den vergangenen großen Ferien gelohnt und bewährt haben.

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Von Tagträumen – Oder Fürsorgearbeit ist nur im wirklichen Leben anstrengend …

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Photo by Marissa Price on unsplash.com

Wenn Richard und unsere Kinder morgens das Haus verlassen haben, um zur Schule zu fahren, dann kehrt endlich Ruhe ein und ich gebe mich manchmal meinen Tagträumen hin:

Während die Kinder längst in der Schule sind, trinke ich mit Genuss in aller Ruhe meinen ersten Kaffee. Der Staubsaugerroboter hat schon längst gesaugt, unser Waschmaschinenvollautomat legt  die zweite Ladung Wäsche, die Richard früh am morgen nachgefüllt hat, inzwischen von selbst in seine vier Körbe, einen für jedes Familienmitglied, zusammen. Es ist wunderbar, dass ich morgens lange schlafen kann, mein Mann sich mit Maxim und Nadeschda sich alleine morgens fertig macht, und ich mich wohlberuhigt einfach wieder umdrehen kann. – Ja, der Elternabend am Tag zuvor war lang und mühselig. – Richard weckt die Kinder, hilft ihnen beim Anziehen, macht die Brotboxen, bereitet das Frühstück vor. Auf leisen Sohlen verlassen dann alle drei das Haus, so dass ich noch ein wenig schlafen kann.

Den Vormittag beginne ich mit meinem täglichen Laufprogramm gekrönt von ein paar Yogaübungen zuhause. Anschließend bereite ich mir mein Soulfood-Müsli und versinke in einer meiner neuesten Buchentdeckungen. Am späten Vormittag habe ich einen Termin bei der Maniküre. Zuhause blättere ich die neuste Frauenzeitschrift durch, überlege was es abends zu Essen geben könnte und telefoniere mit zwei lieben Freundinnen. Maxim und Nadeschda sind bis zum frühen Nachmittag in der Schule. Dort essen sie, und sie haben dann auch schon ihre Hausaufgaben gemacht und das kleine 1 x 1 gelernt, wenn ich sie dann abhole. Scherereien mit der Schule haben wir nicht. Da sind die beiden wunderbar versorgt und sie meistern den Schulstoff ohnehin ganz großartig. Da müssen wir gar nicht Zuhause nachhelfen. Es zahlt sich eben schon aus, dass unsere Kinder auf eine Privatschule gehen.

Ich halte noch ein Schwätzchen mit anderen ebenso wie ich entspannten Müttern auf dem Schulhof, bevor wir dann nach Hause fahren, jeweils einen Freund und Freundin im Gepäck. Dort spielen die Kinder. Alle sehr friedlich und vorbildlich. Es gibt keine Streitereien, die Kinder räumen von selbst alles wieder auf, bevor sie sich einem neuen Spiel zu wenden. Ich sitze wieder im Garten und lese. Wie wunderbar! Meine Gedanken schweifen zu unserem nächsten Urlaub, und ich kann in Ruhe mit dem Reisebüro telefonieren, um die Eckdaten für unsere nächsten Ferien klarzuziehen. Nach den Sommerferien ist vor den Sommerferien…. Da muss man früh dran sein. Meine Mutter kommt überraschend vorbei, freut sich über ihre Enkel und stellt sich in die Küche und kocht ihnen ihr Lieblingsessen für den Abend. Zwischendrin sind die Kinder vom vielen friedlichen Spielen hungrig. Sie freuen sich über die von Omi selbst gebackenen Cupcakes und die von mir höchst persönlich aufgeschnittene Wassermelone und Gummibärchen.

Später am Abend werden Freund und Freundin von ihren Eltern abgeholt. Richard kommt nach Hause und bei einem Abendessen, dass sich wie von selbst auf den Tisch gezaubert hat – genau die Omi war ja da -, sitzen wir zusammen, erzählen, lachen. Zeit spielt keine Rolle. Heute wird es vielleicht ein wenig später, bis Maxim und Nadeschda im Bett sind. Aber das ist auch nicht so schlimm, denn sie kommen ja am nächsten Morgen wieder ohne Probleme aus dem Bett. Oder vielmehr, es braucht mich ja nicht zu interessieren, denn Richard weckt sie ja und macht sie für die Schule fertig….Und in der Schule sind sie dann schon wach und aufnahmebereit.

—— Hat einer von Euch wirklich geglaubt, dass so unser Alltag abläuft? Ich weiß noch nicht einmal, ob das erstrebenswert wäre. Kehrt alles, was ich geschrieben habe, ins Gegenteil um, und dann habt ihr die Realität, die so viele von Euch kennen (oder die ich zum Beispiel hier beschrieben habe). Dann ist jeder Tag ein Ritt, eine große Anstrengung. Das Pensum, was Mütter jeden Tag stemmen, ist gerade bei bedürftigen Kinder, egal in welcher Form, unermesslich. Und es wird Zeit, dass das gesehen wird! Deshalb ist es so wichtig, dass es Frauen wie Claire gibt, die dafür so hart kämpfen, dass Carearbeit endlich sichtbar wird. Und wertgeschätzt wird! Denn wir Mütter sitzen eben nicht den lieben langen Tag im Garten, lesen und lackieren uns die Nägel! Ganz im Gegenteil!

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Wie viel Berufstätigkeit vertragen (meine) Adoptivkinder?

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Mit freundlicher Unterstützung von Fotolia

An der ein oder anderen Stelle hatte ich in den vergangenen Jahren, die es meinen Blog mittlerweile gibt, über das Thema der Berufstätigkeit als Adoptivmutter geschrieben. Im Grunde ist das Thema der Berufstätigkeit ein Dauerbrenner für mich, auch wenn ich mich immer mehr in mein „Schicksal“ als maximal teilzeitarbeitende Frau gefügt habe. Denn irgendwann werden meine Kinder größer und brauchen mich vielleicht nicht mehr so sehr. Doch dann wäre ich für den Arbeitsmarkt unbrauchbar. Bereits ein paar denkwürdige Kontakte mit der Arbeitsvermittlung im vergangenen Jahr bestätigten mir dieses Gefühl. Und auch wenn mein Mann uns gut versorgt und wir in der luxuriösen Situation sind, dass ich nicht zwingend arbeiten muss, so gibt es doch niemals eine absolute Garantie, dass das alles auch so bleibt. Inspiriert von ein paar Nachfragen von einzelnen Leserinnen und unserer aktuellen Situation, dass ich nun nach den Ferien konstant in Teilzeit arbeite – mal sehen wie lange das gut geht – greife ich das Thema der Berufstätigkeit wieder auf. Zumal mich genauso erneut die Frage nach der Wertschätzung von Fürsorgearbeit in unserer Gesellschaft, wie Claire von mamastreikt sie immer wieder zurecht aufwirft, umtreibt. Aber dazu an anderer Stelle in den kommenden Tagen mehr.

Meine Kinder brauchen eine „Übermutter“

Doch wie viel Berufstätigkeit vertragen Maxim und Nadeschda? Die Lebensgeschichte meiner Kinder begann mit dem schlimmsten, was man sich im Leben eines kleinen Menschen vorstellen kann, wie gerade erst Irmela Wiemann in einem Interview in der Aargauer Zeitung sagte: Sie wurden von ihrer leibliche Mutter getrennt. Wie so viele Adoptivkinder mussten sie in ihren ersten Lebensjahren Dinge erleben, die kaum ein Erwachsener verkraften könnte. Ihr Urvertrauen wurde zerstört, und also Folge sie lassen sich schwer auf neue Bindungen ein, sie fühlen sich selten sicher und behütet. Ihre Frustrationstoleranz ist niedrig, das Lernen fällt ihnen schwer. Sie können Risiken nicht richtig einschätzen, übernehmen sich entweder, oder trauen sich vor lauter Angst gar nichts zu. Ihnen fehlt die entscheidende innere Basis an Vertrauen und Sicherheit, die leiblich und behütet geborene Kinder von Natur aus haben.

Meine Kinder brauchen eine „Übermutter“. Dies nicht nur im Sinne von zusätzlicher Förderung, um etwaige Entwicklungsverzögerungen, Sprachstörungen oder andere gesundheitliche Beeinträchtigungen zu überwinden. – Sie brauchen ein Vielfaches an Zuneigung, Nähe, Fürsorge, Kümmern, Begleiten. Nur wenn ich da bin, spüren sie den Halt und die Sicherheit, um sich gesund zu entwickeln. In den ersten Jahren war es ein Nachnähren vom Baby- und Kleinkind sein, von dem man ausgehen könnte, dass es irgendwann einmal abgeschlossen ist. Aber Kinder mit frühtraumatisierenden Erfahrungen, wie die Trennung von der leiblichen Mutter, fallen immer wieder in solche frühen Entwicklungsphasen zurück. Sie sind ein „Fass ohne Boden“, sie saugen die Zuneigung und das kleinkindliche Umsorgen auf wie ein trockener Schwamm. Ich war mir bei der Adoption der Folgen der Traumatisierung bewusst. Doch glaubte ich noch, dass meine Kinder nur im ersten Jahr therapeutische Unterstützung brauchen, um ihre Entwicklungsdefizite aufzuholen, und in den ersten Monaten meine permanente Fürsorge und Anwesenheit, um eine stabile Bindung aufzubauen. Aber nach beinahe einem Jahrzehnt muss ich feststellen: Das reicht nicht aus. Meine Kinder brauchen viel mehr. Noch heute benötigen sie immer einmal wieder therapeutische Hilfe in unterschiedlicher Form. Noch heute muss ich als ihre Mutter permanent verfügbar sein. Und immer da sein. Bin ich es nicht, verlieren meine Kinder ihren Halt und stellen unsere Bindung von neuem in Frage. – Erst in dieser Woche fanden meine Kinder mich nicht, als ich sie von der Schule mittags abholte. (Sie hatten mich beim Essen schon gesehen und wussten also, dass ich da bin.) Ich war an einer anderen Stelle in der Mensa mit einer Lehrerin im Gespräch. Die Panik stand Maxim und Nadeschda noch ins Gesicht geschrieben, als sie mich fanden. Und aus ihrer Wut „Mama, kannst Du verdammt nochmal Bescheid sagen, wenn Du weggehst!“ sprach die pure Angst, allein gelassen zu werden. –

Unser Alltag ist nach wie vor wenig geprägt von freiem sorglosem Spiel, sondern dominiert von vielen Therapieterminen, Arztbesuchen, Aktivitäten, die die Kinder in den Bereichen fördern, wo sie noch Unterstützung brauchen, lernen für die Schule, üben für die Logopädin, etc. Wir müssen einem sklavischen Tagesablauf folgen, der immer den gleichen Rhythmus und die gleiche Struktur hat. Nur das gibt den Kindern Sicherheit. Zudem reicht der routinierte Tagesablauf nicht aus, sondern Maxim und Nadeschda  brauchen mich, ihre Mutter, als stabilen Anker in ihrem Alltag. Diese Fürsorgearbeit für meine Kinder abzugeben, ist keine Option.

Permanente Fürsorge

So fahre ich meine Kinder in die Schule und zu ihren Freizeitaktivitäten und begleite sie bis zum Unterricht, nicht weil ich glaube, dass sie es selbst nicht könnten, oder weil ich fürchte, dass ihnen etwas im Straßenverkehr passiert. Nein, meine Tochter braucht mein Umsorgen als ihre Mutter, damit sie die Kraft für den Musikschulunterricht hat, dass sie weiss, dass ich da bin. Immer. Genauso lässt mein Sohn sich nach wie vor mit inzwischen zehn Jahren morgens beim Anziehen helfen, seinen Schulranzen packen, das Brot beim Essen schmieren. Nicht weil er es nicht selbst könnte, sondern weil er diese Form der Fürsorge nach wie vor braucht.

Wenn ich sage, dass ich meine Kinder zum Abitur trage, dann nicht, weil ich die Hoffnung hege, dass aus ihnen Starwissenschaftler oder Top-Manager werden. Nein. Es geht darum, sie solange wie möglich in einem behüteten und steuerbaren Lernumfeld zu belassen, bis sie auf eigenen Füßen stehen können. Viele Adoptions-Experten gehen davon aus, dass frühtraumatisierte Kinder erst mit Anfang zwanzig gelernt haben, mit ihrem Trauma zu leben und die Ausprägungen dessen selbst kontrollieren können. Erst dann sind sie vollends fähig, ein normales bürgerliches Leben zu leben. Es geht also darum, ihnen solange wie möglich einen Raum für innere Heilung zu geben.

Permanente Schulbegleitung

Eine Ausprägung der Traumatisierung ist sowohl bei Nadeschda als auch bei Maxim, dass die Schule ein unglaublicher Stressfaktor für beide ist. In der Folge zeigen sie Tendenzen eines anstrengungsverweigernden Verhaltens, über das ich schon an vielen Stellen geschrieben habe. Entscheidend ist bei beiden,d ass sie in Phasen der Überforderung einfach im Unterricht dissoziieren, also das Unterrichtsgeschehen einfach an ihnen vorbei rauscht. So müssen wir täglich Zuhause für die Schule arbeiten, sei es den Unterrichtsstoff nachholen, den sie nicht mitbekommen haben, sei es bestimmte Themen immer wieder und wieder zu üben, dass sie Sicherheit gewinnen und das Erlernte von ihnen eben nicht mehr als anstrengend empfunden und damit nicht mehr abgelehnt oder vermieden wird. Das braucht Zeit, viel Zeit. Je nach emotionaler Verfassung meiner Kinder arbeiten wir ein bis drei Stunden täglich, jeden Tag, egal ob Wochentag, Wochenende oder Ferien. Zudem engagiere ich mich bewusst in der Schule, um meinen Kindern das Fünkchen Mehraufmerksamkeit der Lehrköper auf der einen Seite und eine Portion mehr Wohlwollen zu teil werden zu lassen. Auch das kostet Zeit.

Der Löwenanteil der Fürsorge für Maxim und Nadeschda liegt also bei mir. Ich kümmere mich um die Schule, begleite Hausaufgaben und tägliches Üben, ich organisiere ihre Hobbies und Verabredungen, ich sorge für die richtige Begleitung durch Ärzte, Therapeuten etc., ich bin für sie immer verfügbar. Berufstätig sein kann ich nur in der Zeit, in der die Kinder in der Schule sind. Das ist nicht viel Zeit. – Ungeachtet dessen, dass hinzukommt, dass ebenso jegliche Familienarbeit auf meinen Schultern lastet. Denn Richard und ich haben uns auf die klassische Arbeitsteilung verständigt, was bedeutet, er verdient das Geld und ich mache den Rest. Dass der „Rest“ aber eben auch noch eine ganze Menge ist, wird viel zu wenig gesehen. – Bin ich außerhalb der Schule nicht so für meine Kinder da, wie ich es nun schon seit so vielen Jahren bin, verlieren sie ihren Halt, ihre Sicherheit. Dann bleibt vieles auf der Strecke. Und die Chancen sinken, dass sie irgendwann einmal heilsam mit ihrem Trauma leben und ein ganz normales bürgerliches Leben führen können. Doch sie genau dahin zu begleiten ist meine Hauptverantwortung und vor dieser muss eine Berufstätigkeit immer zurücktreten. So könnte ich also auch meine Ausgangsfrage „Wie viel Berufstätigkeit vertragen meine Adoptivkinder?“ mit einem einzigen Wort beantworten: KEINE!

P.S. Gerade als ich diesen Post fertig geschrieben hatte, rief die Schule an. Ich möge Maxim abholen. Er hätte starke Kopfschmerzen…..

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Mit Adoptivkindern heilsam durch den Sommer (Teil 2) – Warum Gewohnheit und Struktur so wichtig sind

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Danke an Pixabay.com

Jeden Abend, wenn ich Nadeschda ins Bett bringe, fragt sie mich: „Und was machen wir morgen, Mami?“ Ich erzähle ihr dann unsere Pläne für den nächsten Tag, was mit einem unermüdlichen „Und was machen wir dann am nächsten Tag?“ gefolgt wird. Nicht, dass sich meine Tochter nicht erinnern könnte, denn gestern habe ich ihr ja auch schon erzählt, was wir am Folgetag machen und wohlmöglich auch, was unsere Pläne für das Wochenende sind. Und wenn sich einmal Vorhaben ändern, dann weiß sie das auch sehr wohl. Nein, dies ist nicht Vergesslichkeit, dies ist allein der klare Ausdruck von „Ich brauche Struktur und Orientierung. Ich muss wissen, was morgen passiert, damit ich in Sicherheit einschlafen kann.“ Wahrscheinlich war das in den vergangenen Jahren auch schon so. Doch nicht zuletzt, weil meine Tochter mittlerweile sich unheimlich gut ausdrücken kann und ihrem Mitteilungsdrang auch freie Fahrt lässt, kann sie auch ihr Bedürfnis nach Sicherheit in einer Form artikulieren.

Dies sind die ersten Ferien, in denen wir nach unseren harten ersten Halbjahr wenig Programm und wenige Reisen bzw. nur kurze Reisen gemacht haben. Früher war zumindest noch einmal ein Kinderferienprogramm dabei und unsere Urlaube waren auch deutlich länger, zuweilen an neuen und unbekannten Orten. Möglichst wegfahren und die Zeit auskosten. Doch dies war immer gepaart mit einer gewissen Gewöhnungszeit, bis wir uns auch an einem neuen Ort wieder eine Routine erarbeitet hatten. Und auch immer wieder begleitet mit zum Teil kräftigen Stimmungsschwankungen. Dies blieb in diesem Jahr aus. Hier Zuhause haben wir unsere feste Routine. Spielen in den Morgenstunden, den übrigen Vormittag verbringen wir mit Besorgungen oder Aufräumen, Umräumen, Ordnung schaffen. Oder die Kinderfrau kommt an einzelnen Tagen, so dass ich ein wenig arbeiten kann und unternimmt mit den Kindern kleine Ausflüge ins Freibad oder einen großen Spielplatz. Immer an dieselben Orte. Nachmittags wird konsequent geübt, danach folgen Spielverabredungen oder ausgedehntes Schwimmen.

Darüber hinaus sind wir in diesem Sommer wieder an die gleichen Orte gefahren sind, wie im vergangenen Jahr. Sogar mit dem gleichen Ablauf. Erst Paddeln mit unseren Freunden im Schwarzwald, dann weiterfahren in die Schweizer Berge, in dasselbe Hotel und sogar dasselbe Hotelzimmer wie im Vorjahr. Auch die Feier auf der Rückfahrt aus unserem Urlaub wiederholte sich. Diesmal war es zwar keine berufliche Veranstaltung, sondern der Geburtstag einer lieben Freundin meines Mannes. Dennoch wieder eine Feier zum Abschluss der Reise. Auch das wiederholte sich. Und in unserem Lieblingshaus in den Bergen haben wir ohnehin schon mehr oder weniger die gleiche Routine seit Jahren. – Überhaupt, wenn ich so darüber nachdenke – sind wir in den vergangenen Jahren wenig experimentierfreudig gewesen, was die Wahl unserer Urlaubsziele angeht. Aber weniger, dass wir darüber nachdachten, als das sich das aus unserem Wunsch, ein Ziel zu haben, was für uns alle eine gewissen Erholung bietet, ergab. So fügte es sich, dass wir im Grunde mittlerweile vier feste Reiseziele haben, die sich in beliebiger Abfolge und Reihenfolge immer wieder wiederholen.

Diese viele Routine und Gewohnheit zahlt sich aus. Beide Kinder habe ich selten so ausgeglichen erlebt. Sie lachen viel, haben ihren Spass zusammen und sind sich selbst genug. Noch immer werde ich manchmal misstrauisch, wenn es so still in den Kinderzimmern ist. Doch muss ich immer wieder feststellen, dass sie dann „nur“ in einem der beiden Zimmer sitzen und lesen, oder einfach friedlich spielen.

Maxim und Nadeschda haben Kraft getankt, aus sich selbst heraus neue Dinge zu lernen und sich zuzutrauen. An einem verregneten Nachmittag waren wir in den Bergen in einem großen Freizeitwasserpark mit vielen Rutschen. Ich traute meinen Augen nicht, als Nadeschda – auch ohne ihren großen Bruder – sich alleine auf die Rutsche wagte, und unermüdlich rutschte. Immer wieder und immer wieder. Sie hatte sichtlichen Spass daran und war am Abend so stolz auf sich selbst, dass sie sich alleine auf diese riesige Rutsche getraut hatte, in der es erst dunkel war, dann Wasser kam, und dann funkelnde Sterne. Beim täglichen für die Schule Arbeiten zeigen sich ebenso wunderbare Fortschritte. Nadeschdas neue Fähigkeiten überraschen mich immer wieder und erfüllen mich mit großer Freude. Zu Beginn der Woche waren wir einkaufen, Maxim hatte den Einkaufszettel geschrieben. Auf einmal nahm Nadeschda den Zettel und begann, die Dinge durchzustreichen, die schon im Wagen waren. „Mama, da steht doch „Wurst“, oder?“

Abgesehen davon, dass Maxim mich mit seiner Lesewut fast arm gemacht hat – ich habe, den Überblick verloren, wie viele Bücher von den ??? ich gekauft habe -, was mich natürlich genauso begeistert und ich in den sauren Apfel beisse, da ich Bücher aus der Bibliothek nicht unbedingt mag und ich das Erlebnis, dass das Buch, was man gerade sucht, nun ausgerechnet nicht da ist – überrascht er mich zunehmend mit seinem Drang, Dinge zu lernen und zu erfahren. In den Schweizer Bergen waren wir einen Tag lang mit einem Strahler unterwegs. Viel hat er uns über Kristalle erzählt und die, die er gefunden hat, um dann auch mit uns in den Berg zugehen und selbst nach Kristallen zu suchen. Die Kinder wurden nun tatsächlich fündig. Seitdem hat Maxim alles an Literatur zu Kristallen, die wir zuhause haben, im wahrsten Sinne des Wortes durchgearbeitet. Nicht einfach gelesen. Nein, er sitzt stundenlang an seinem „Arbeitsplatz“, den er sich selbst hergerichtet hat, liest und studiert die Bücher, vergleicht und macht sich Notizen. Seine eigenen Kristalle hat er alle fein säuberlich katalogisiert, mit Nummern versehen und in einer Liste erfasst, mit Namen und Fundort. Beim täglichen Üben ist es nicht mehr seine eigene Versagensangst, die ihn daran hindert, sich bestimmten Themen zu widmen, auch wenn er weiss, dass er sie nicht kann. Vielmehr hat er gelernt, dass er sich dem stellen kann und es am Ende doch schafft. Inzwischen gibt es nur Diskussionen, wenn er tatsächlich einfach keine Lust zu etwas hat, wie etwa dem Trompete spielen. Und das ist wohl ausnahmsweise normal!

Es scheint, als würden beide Kinder durch die Zeit in gewohnter Umgebung und mit klaren – wenn auch von unserem Schulalltag abweichenden – Routinen nicht ihre Kraftreserven aufbrauchen, um sich an neue Umgebungen anpassen zu müssen, sondern ihre Energie und Ressourcen nutzen, um sich selbst gewähltes Neues zu erschließen. Solange sie klein waren, ist mir das vielleicht nicht so unmittelbar aufgefallen. Da waren die Anforderungen an Nadeschda und Maxim auch noch nicht so groß. Doch diese so deutliche Erfahrung in diesen Ferien hat mir noch einmal gezeigt, wie wichtig Struktur und Gewohnheit für meine Kinder sind. Und vor allem ist mir bewusst geworden, was alles möglich wird, wenn wir – manchmal sklavisch – an einer so vermeintlich langweiligen Routine festhalten.

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Charlotte’s Sonntagslieblinge (94)

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Die erste Ferienwoche liegt nun hinter uns. Es war gut, dass weder wir alle zusammen noch die Kinder gleich weiter ein vollgefülltes Programm hatten. Die leicht veränderte Routine tat uns, nachdem wir uns daran gewöhnt hatten, gut. Die Phasen der Langeweile wurden immer kürzer, bzw. Maxim und Nadeschda kamen immer schneller mit Ideen, was sie denn nun tun oder spielen könnten. Nach und nach entspannten sich Maxim und Nadeschda zusehens und genossen die Pausenzeiten, genauso wie die Zeiten mit gemeinsamen Aktivitäten. Wir waren so zum ersten Mal Blaubeeren pflücken. Nachdem wir bei unserem alten und gewohnten Erdbeerhof schon am Wochenende zuvor gescheitert waren, hatten wir durch einen Zufall einen wunderbaren Beerenhof entdeckt, der uns alles bot: Erdbeeren, Himbeeren, Johannisbeeren, Blaubeeren. Das war großartig und unser Marmeladenvorrat ist nun in diesem Jahr sehr mannigfaltig geworden. Welch wunderbares Geschenk! Doch genauso bin ich heute für diese drei Sonntagslieblinge dankbar:

  1. Für den Berg Pfannkuchen und den Berg Rührei, den Maxim und Nadeschda in dieser Woche für uns zum Abendessen gemacht haben. Irgendwie kam Maxim auf die Idee mit den Pfannkuchen. Er hat selbst den Teig gemacht, frei nach Gefühl, nicht nach Rezept, und hat dann auch den gesamten Teig verbacken. Alles war so lecker. Wir drei haben alles aufgegessen und der Papa hatte dann leider zu später Stunde das Nachsehen. „Naja, dann muss er sich eben ein Brot mit Butter und Salz machen.“ stellte mein Sohn fest, nachdem ich ihm erklärte, dass der Kühlschrank nicht mehr viel hergeben würde aufgrund gähnender Leere.
  2. Für all die Berge, die ich dann doch abarbeiten und wegräumen konnte in dieser Woche. Ablage, Steuer, Wäsche, Ausbildungsunterlagen sortieren und ablegen, Kostüme waschen und reinigen, Rechnungen bezahlen, die Erneuerung der russischen Pässe unserer Kinder anleiern, Arzttermine planen und vereinbaren, und so vieles mehr…
  3. Für die Last, die mir Mike Berry’s Beitrag zu „5 Tips to help you navigate Summer Break…“ von den Schultern nahm und der mir mit seinem Beitrag noch einmal die Augen öffnete und mich mit meinen beiden Kindern drei Gänge zurückschalten ließ, weshalb vielleicht auch gerade deshalb der Übergang in den Ferienmodus doch überraschend schnell gelang. Sein Buch „Confessions of an Adaptive Parent“ ist ebenso eine Bereicherung, in der ich noch einmal im Strandkorb schmökerte, während meine Kinder in der Hitze schwammen…

Habt einen wunderbaren Sonntag und kommt mehr als wohlbehalten in die neue Woche!

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Charlotte’s Sonntagslieblinge (86)

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Photo by Sanah Savanna on unsplash.com

Ach, so eine Woche mit einem Feiertag hat doch etwas herrliches! Kurz einmal im Alltagstrott innehalten, eine Tag ohne Termine und Pläne verbringen. Das hat schon etwas. Ich freue mich darauf, dass uns der Mai noch ein paar weiterer solcher Wochen mit einem Feiertag bescheren wird. Und es ist gut, dass ich für dieses Jahr beschlossen habe, dass wir auch die anderen langen Wochenenden nicht dazu nutzen, wie wir es in der Vergangenheit getan haben, um wegzufahren, sondern einfach die Ruhe Zuhause genießen. Dennoch waren die drei übrigen Tage der Woche arbeitsreich und am Wochenende musste ich wieder die Schulbank drücken. Doch ein Ende ist absehbar. Noch zwei Wochenendseminare und dann ist es endlich geschafft. So bin ich heute für diese drei Sonntagslieblinge dankbar:

  1. Hatte ich Euch schon erzählt, dass mein Sohn sich nun freiwillig morgens den Wecker auf sechs Uhr stellt, um genug Zeit zu haben, vor der Schule noch zu lesen oder zu spielen? Ja, in der Tat! Er selbst kam auf die Idee, als ihm klar wurde, dass er nicht lange schlafen und dann trotzdem noch vor der Schule lesen oder spielen kann. Nun steht er schon seit ein paar Wochen früh auf und macht sich dann ohne irgendeine Ermahnung oder Erinnerung von selbst rechtzeitig fertig. Seitdem ist unser morgendliches Leben um so ein Vielfaches entspannter.
  2. Nadeschda beschäftigt einmal wieder ihre Herkunft. Abends vor dem Schlafengehen kommen ihr immer mal wieder „alte“ Themen in den Sinn. Die müssen dann raus und geklärt werden. So auch in dieser Woche: „Mama, warum glaubt die Marie, dass Du nicht meine echte Mama bist?“ Als ich Nadeschda erneut erklärte, dass ich genauso ihre echte Mutter bin wie ihre russische Mutter, seufzte mein kleines Mädchen aus tiefstem Herzen, legte ihr Ärmchen um mich und sagte: „Da bin ich aber froh.“
  3. Auch meine zweite Seminararbeit ist nun so gut wie fertig. Noch einmal Korrekturlesen und dann kann auch diese in den Druck. Es ist so ein befreiendes Gefühl, dass sich meine Ausbildung nun wirklich bald dem Ende zuneigt.

Habt noch einen wunderbaren Sonntag und einen wohlbehaltenen Start in die Woche!