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Charlotte’s Sonntagslieblinge (40)

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Danke an unsplash.com

Schon wieder eine Woche mit einem herrlichen Feiertag und einem langen Wochenende liegt hinter uns. Wie wohltuend und erholsam es ist, einfach so in den Tag hineinleben zu können. Selbst wenn dann einiges liegen bleibt. Und doch waren wir sehr tatkräftig in dieser zurückliegenden Woche. So sind dies meine drei Sonntagslieblinge:

  1. Am Freitag war Maxim auf einem Kindergeburtstag eingeladen. Nadeschda und ich waren derweil Erdbeeren pflücken und haben über das Wochenende nun stolze 10 Kilo Erdbeeren zu Marmelade verarbeitet.
  2. Nach einem Nachmittag in einem schwedischen Möbelhaus haben wir Nadeschdas Kinderzimmer fit für den nahenden Beginn ihrer Karriere als Erstklässlerin gemacht.
  3. Maxim übt – manchmal wie ein Besessener – mit seinen Diabolos für den nahenden Auftritt im Schulzirkus. Wenn jemand sagt, er hätte kein Durchhaltevermögen, so muss ich dies einmal wieder verneinen. Wenn ihm etwas liegt – Jonglieren in welcher Form auch immer ist eben sein Ding – und er etwas unbedingt will, dann legt er einen ungeahnten Ehrgeiz an den Tag. Mit großer Freude und Aufregung erwarten wir alle nun seinen Auftritt am kommenden Wochenende.

Habt einen wunderbaren Sonntag und einen gelungenen Start in die neue Woche!

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Von der Anstrengungsverweigerung (2)- Oder wie mein Sohn sich „schlecht verkaufte“

Bachlauf kind

Mit freundlicher Unterstützung von Fotolia

Maxim ist ein cleveres Kerlchen. Immer schon gewesen. Ungeachtet seiner frühen Selbstständigkeit, anerzogen im Kinderheim, hat er früh die Dinge des Alltags verstanden und durchdrungen. Vor allem die typisch „männlichen“. Mit vier Jahren erklärte er mir, wie ein Auto funktioniert und wie man einen Traktor fährt. Mit fünf benutzte er bereits unfallfrei eine elektrische Säge und zeigte mir, wie man die Bohrmaschine bedient. Spielzeug war bei ihm überbewertet. Nein, es mussten immer die richtigen Werkzeuge sein. Nicht die Spielzeug-Bohrmaschine, sondern Richards echte. Seine Spielzeugautos dienten lediglich dem Zweck, auseinander geschraubt und dann wieder richtig zusammen gesetzt zu werden. Mit sechs begann er das Zählen bis zwanzig, fing an vor sich hin zu rechnen. Beim Autofahren durfte er nicht mehr vorne sitzen, denn er griff mir zu oft ins Lenkrad, um für mich den Blinker in die Richtung zu setzen, in die wir abbogen, oder betätigte vor mir die Gangschaltung. Seitdem er seine Sprache gefunden hatte, wurde er nicht müde, seiner blühenden Phantasie freien Lauf zu lassen und uns bis in die Abendstunden von seinen Plänen und seinen Ideen zu erzählen und uns seine Sicht auf das Leben mitzuteilen. Ein zauberhafter Junge, der fit für die Schule war.

Doch dann kam das Aufnahmegespräch für die erste Klasse. Maxim’s Aufregung war offensichtlich. Und auch ich war zugegebener Maßen ein wenig nervös, selbst wenn ich davon überzeugt war, dass er seinen Weg gehen wird. „Wackelt bei Dir schon etwas im Mund?“ fragte die eine Lehrerin. Maxim: „Nö.“ Er hatte natürlich insofern recht, dass im Moment kein Zahn wackelte, dennoch hatte er die ersten Milchzähne im Sommer verloren und aktuell kamen zwei neue Backenzähne durch. „Wann hast Du Geburtstag?“ fragte die Lehrerin weiter. „Weiß ich nicht.“ Natürlich wusste er seinen Geburtstag. „Kannst Du schon Deinen Namen schreiben?“ Maxim: „Nö.“ Natürlich konnte er seinen Namen schreiben vorwärts und rückwärts. Malen war nicht so sein Ding, aber schreiben war für ihn ganz wichtig. Weiter ging es mit den Rechensteinen. Mittlerweile lümmelte Maxim mehr auf seinem Stuhl als das er saß. Manchmal räkelte er sich. Sein Muskeltonus ließ eindeutig nach. Manchmal stand sein Mund halb offen und die Zunge lag entspannt vorne an den Zähnen. Beim Zählen und Mengen Erkennen lavierte er sich so durch. Hatte er die Fragen der Lehrerin zu Beginn noch verneint, so schwieg er zunehmend, beantwortete ihrer Fragen gar nicht mehr. So ging das weiter, bis er seinen Teil des Gesprächs überstanden hatte. Freundlich lächelnd verabschiedete er sich von der Lehrerin. – Was dann folgte war eigentlich klar: Die zweite Lehrerin, die als Beobachterin im Gespräch gesessen hatte und mit Richard und mir im Nachgang ihre Beobachten reflektierte und versuchte ins rechte Licht zu rücken, eröffnete unsere Runde zu dritt – ohne Maxim – mit der zögerlichen Frage: „Nun, wie schätzen Sie die Entwicklung ihres Sohnes mit Blick auf eine Einschulung ein?“ Mir war klar, worauf sie hinauswollte. Denn Maxim hatte in den vorangegangenen zwanzig Minuten nur gezeigt, dass er wenn überhaupt, nur bedingt schulreif ist. Er hatte sich jeglicher Anstrengung verweigert.

Was war also passiert? Auch wenn die beiden Lehrerinnen das Aufnahmegespräch noch so nett und spielerisch gestalteten, Maxim spürte nur zu deutlich, dass es hier um etwas ging. Er war nervös. Er fühlte den Druck, der auf ihm lag. Er musste hier eine Leistung abliefern, eine Leistung, nach der beurteilt wurde, ob er schulreif war oder nicht. Mit diesem Druck kann er (noch) nicht umgehen. Er ist für ihn bedrohlich, er macht ihm Angst. So viel Angst, dass sein Unterbewusstsein ihm signalisiert, er muss um sein Überleben kämpfen. Das kann er auf zweierlei Weise tun: Er kann kämpfen, sein Gegenüber angreifen oder sich tot stellen und gar nichts tun. Maxim kann beides. Zuhause in einer vertrauten Umgebung kämpft er. Einen Wutausbruch zu initiieren ist hier für ihn durch aus ein probates Mittel, um eine ihm gestellte Aufgabe nicht zu erledigen. Außerhalb unserer vier Wände zieht er es vor, sich tot zu stellen. Er macht gar nichts mehr, er stellt sich dumm. Sämtliche Muskeln in seinem Körper scheinen zu erschlaffen, bis die Situation vorüber ist. Nur so kann er mit dem Druck und der Angst umgehen. In der Konsequenz mag man ihn oft für weniger intelligent halten. Schnell landet er in der Schublade von Kindern, die einen ganzen Sack voll von funktionalen Therapien brauchen und die auf eine Förderschule gehen müssen, da sie den Anforderungen einer Regelschule nicht genügen. Es sei denn, man durchschaut seine Überlebensstrategie und hilft ihm, seine Angst zu überwinden und den innerlich aufsteigenden Druck in solchen Situationen auszuhalten. Dies tun wir, einerseits mit einer Kunsttherapie, in der er seine Ängste aus seiner Frühtraumatisierung abbauen kann, andererseits mit regelmäßigem Üben zuhause, wo wir jeden Tag wieder Arbeitssituationen schaffen, in denen er sich „anstrengen“ muss. Mit meiner Begleitung geht er immer wieder ein Stück durch dieses Gefühl. Und mit jedem Mal macht er die Erfahrung, doch seiner Aufgabe gewachsen zu sein. Er braucht sich ihr nicht zu entziehen. Er schafft das. Jeden Tag ein bisschen besser.

An der Schule hatten wir Glück, denn seine Lehrerinnen haben gesehen, dass sein Verhalten in dem Gespräch nicht dem entsprach, was sie sonst von ihm kannten. Sie kannten ihn ja bereits aus der Vorklasse und wussten, zu was er in Lage war und zu was nicht.

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Charlotte’s Sonntagslieblinge (21)

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Ben White, unsplash.com

Wie jeden Sonntag, blicke ich einmal wieder auf die schönen und heilsamen Momente, und auch die kleinen Fortschritte dieser Woche. Inspiriert von  Mirjam von Perfektwir sind hier meine drei Sonntagslieblinge:

  1. Nach fünf Wochen im neuen Jahr finde ich für mich auch zu einer wöchentlichen Routine, die es mir erlaubt ENDLICH nach meinem langersehnten Wochenplan zu arbeiten. Das tut so gut.
  2. Nadeschda hat mit Bravour ihr Aufnahmegespräch in die 1. Klasse gemeistert. Ich bin so beeindruckt vom Mut und der Tapferkeit meiner Tochter. Sie ist wieder einen so langen Weg gegangen, allein in den vergangenen Wochen. Zuversicht macht sich nun wieder breit, nachdem mich das Gespräch mit ihrer Klassenlehrerin vor Weihnachten doch hatte zweifeln lassen.
  3. Maxim ist ein zauberhafter großer Bruder. Nadeschda stieß sich in dieser Woche übel das Knie an unserem Ehebett. Während sie ihr Knie kühlte, nahm Maxim ein Buch und las ihr eine „Conny“-Geschichte vor. Seine Empathie überrascht mich immer wieder.

Habt alle einen ruhigen Sonntag und einen guten Start in die neue Woche!

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Charlottes Sonntagslieblinge (2)

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Ben White, unsplash.com

Neben all den Herausforderungen, ist unser Leben mit Maxim und Nadeschda alles andere als nur schwierig und dramatisch, sondern meistens ganz bezaubernd und wunderbar. Deshalb blicke ich inspiriert von  Mirjam von Perfektwir  auf meine eigenen, ganz persönlichen Lieblinge dieser Woche. Hier sind meine drei Sonntagslieblinge:

  1. Ich bin so stolz auf meine beiden Schulkinder! Nadeschda ist in diesem Sommer eingeschult worden. Nun marschiert auch sie tapfer jeden Morgen in die Schule. Wie groß war meine Sorge, dass sie dort am Anfang ganz verloren ist. Wenn ich sie aber mittags in der Mensa beobachte, wenn sie sich so selbstverständlich ihr Essen holt, dann tut sie dies mit einer souveränen Selbstverständlichkeit, die mich sehr glücklich macht.
  2. Mein neues „Büro“ wird in zwei Wochen fertig sein. Wie sehr freue ich mich, dass ich bald wieder Ordnung in meinen Sachen habe und nicht mehr am Küchentisch improvisieren muss.
  3. Die ergreifende Lektüre von „My name is Leon“ von Kit de Waal. Es ist die Geschichte zweier Brüder, die in Pflege leben. Der kleinere Bruder wird von einer anderen Familie adoptiert, der ältere, Leon, bleibt bei der Pflegemutter. Erschütternd realistisch wird die Geschichte aus Sicht des neunjährigen Jungen erzählt. Für mich war es ein augenöffnender Blick in die Gefühlswelt von Adoptiv- und Pflegekindern.

Für heute bin ich dankbar und freue mich auf die neue Woche. Habt auch Ihr einen wunderbaren Start in den Montag!