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Charlotte’s Sonntagslieblinge (111)

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Photo by Guille Pozzi on unsplash.com

Nadeschda und ich hatten eine kuschelige Woche zuhause, zumindest an den Nachmittagen und Abenden. Maxim war zum ersten Mal auf Klassenfahrt und Richard auf Geschäftsreise. Obwohl ich vor allem Maxim vermisst habe – so lange war er noch nie von Zuhause weg! –  war es eine Woche des Durchatmens. Und so bin ich heute für diese drei Sonntagslieblinge dankbar:

  1. Mein tapferer Sohn hat seine erste große Klassenfahrt im Grunde genommen bravurös gemeistert. Am Ende hatte ich mir mehr Sorgen gemacht, ob er die Konflikte, mit denen er in der Klassengemeinschaft konfrontiert ist, gut bewältigen kann. Aber die Fähigkeit zur Selbstfürsorge, die Maxim wohl doch inzwischen lernt, hat ihn gut durch die fünf Tage gebracht. Auch erneute Kopfschmerzen blieben aus, was mich sehr beruhigt hat.
  2. Nadeschda und ich haben unsere Zeit zu zweit genossen. Auch wenn ihr manchmal langweilig war, ohne ihren großen Bruder. Wir haben viel gelesen, haben Kürbisse ausgehöhlt und geschnitzt, waren im Wald und haben noch einmal Blätter, Eicheln und Moss gesammelt.
  3. Ich bin stolz auf mich und laufe weiter. Auch wenn es morgens nun manchmal wirklich Überwindung kostet, rauszugehen.

Habt einen wunderbaren Sonntag im Kreise Eurer Lieben und startet wohlbehalten in die neue Woche.

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5. Juni -Zeit für mich

Erneut ermuntert durch das Gespräch mit Frau Schiffer, habe ich begriffen, dass meine Kinder um so mehr eine Mutter brauchen, die in sich ruht und mit sich selbst im Einklang steht. Es ist nicht gut, wenn vor allem mein Sohn auf eine Mutter trifft, die nicht nur unglücklich über die Herausforderungen aus dem äußeren Umfeld ist, sondern darüber hinaus noch unzufrieden mit sich selbst.

Schon mit der Vorbereitung der Taufe und der Organisation des Adoptivfamilientreffens hatte ich gemerkt, dass mir neben meinen Aufgaben als Mutter etwas fehlt, das mir einen Ausgleich bietet. Zudem muss ich mich aus dem Teufelskreislauf befreien, ständig das Gefühl zu haben, viel leisten und tun zu müssen, um zufrieden zu sein. Der Berg an Sachen, die unbedingt erledigt werden müssen, wird nie kleiner. Es wird immer etwas zu tun geben, und es wird immer etwas geben, was mich davon abhält, eben diesen Berg abzuarbeiten. Meine einzige Chance ist, einfach jeden Tag von neuem für ein zwei Stunden diesen Berg zur Seite zu schieben. Mich frei von diesem Druck zu machen und mich stattdessen dem zu widmen, was mir innere Ruhe bringt. Das versuche ich jetzt.

So habe ich begonnen, in meinen Mittagspausen jeden Tag eine halbe Stunde zu meditieren und zu lesen. Bücher, die mir Spaß machen, die mich seicht unterhalten. An den zwei Nachmittagen, an denen Andrea inzwischen regelmäßig Maxim und Nadeschda betreut, mache ich wieder Sport. Ich gehe viel laufen. Es fühlt sich jedes Mal ein Stück weit so an, als liefe ich zu mir selbst. Richard unternimmt inzwischen beinahe jeden Sonntag etwas mit Maxim und Nadeschda gemeinsam in der „späten Väterrunde“, wie sie sich getauft haben. In diesen Stunden, in denen ich alleine Zuhause bleibe, widme ich mich meinem selbst geschaffenen Berg an Dingen, die ich glaube, neben dem Alltag so dringend tun zu müssen. Ich dokumentiere unsere Adoption in einem Fotobuch, ich schreibe Tagebuch für meine Kinder, ich bereite die nun anstehenden zweiten Entwicklungsberichte für die russischen Behörden vor, ich treffe letzte organisatorische Vorbereitungen für das Anfang Juli stattfindende Adoptivfamilientreffen.

Seitdem ich mich so bewusster um mich selbst kümmere, geht es mir langsam besser. Ich merke, dass ich innerlich ruhiger werde, dass ich mich wohler fühle. Ich habe den Eindruck die Zeit bewusster zu leben, und nicht mehr von einer Erledigung zur nächsten zu hetzen. Ich kann mir eher zugestehen, dass ich als Mutter so gut bin, wie ich bin. Ich darf auch einmal aus der Haut fahren, das ist in Ordnung. Manchmal habe ich noch ein schlechtes Gewissen, wenn ich die Nachmittage, an denen Andrea auf Maxim und Nadeschda aufpasst, „ganz egoistisch“ allein für mich nutze. Es fällt mir schwer, loszulassen und meine Kinder in ihre Obhut zugeben, nur um mich um mein eigenes Wohlergehen zu kümmern. Doch danach ausgeruht und freudig den restlichen Nachmittag mit Maxim und Nadeschda zu verbringen, und deutlich weniger müde und gereizt zu sein, zeigt mir, wie wichtig es ist, bewusst Zeit für mich ganz allein zu haben. Ich habe das wissentlich und unwissentlich viel zu lange vernachlässigt. Nun habe ich langsam das Gefühl, wieder zu mir zu finden.