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„Wunschkinder“ im FilmMittwoch in der ARD – Filmrezension einer Adoptivmutter

Im Rahmen des FilmMittwoch zeigte die ARD gestern „Wunschkinder“, die Verfilmung von Marion Gaedickes Roman „Wunschkind – Geschichte einer Adoption“. Es ist die Geschichte von Marie und Peter, die sich nach Jahren, in denen ihr Kinderwunsch unerfüllt bleibt, für die Adoption eines Kindes aus Russland entscheiden. Es folgen Monate der Vorbereitung, des Bangens und Wartens auf den Kindervorschlag. Als sie endlich zum ersten Mal nach Russland reisen, um ihre Adoptivtochter kennenzulernen, trifft die Begegung sie mitten ins Herz. Aber ihr Adoptionsantrag wird vom russischen Gericht aufgrund eines Verfahrensfehlers abgelehnt. Die Heimleiterin schlägt ihnen ein zweites Mädchen zur Adoption vor. Doch Marie drängt auf ein Anfechten des Gerichtsurteils. Der Kampf um das Erfüllen von Maries und Peters Lebenstraum wird zur Zerreißprobe für ihre Partnerschaft.

Richard und ich haben „Wunschkind“ während unseres Adoptionsprozesses gelesen und waren vor unseren eigenen Erfahrungen in Russland von dem Buch gefesselt. „Das ist unsere Geschichte.“ sagte Richard einmal. Das Buch bereitete mich auf viele Unwägbarkeiten in unserem eigenen Adoptionsprozess vor. Es hinterließ das bestärkende Gefühl, dass, egal welche Schwierigkeiten uns auch in Russland begegnen würden, es sich lohnt, für unseren eigenen Lebenstraum zu kämpfen. Gespannt war ich gestern auf die filmische Umsetzung. Denn wie transportiert man ohne Vorurteile zu bedienen, die Kinderlosigkeit, den Weg der Auslandsadoption, zudem noch aus Russland, die Herausforderungen des Adoptionsprozesses und die Belastungen für die werdenden Eltern, nicht nur faktischer Natur, sondern auch emotional in der Paarbeziehung in nur 90 Minuten? Und das ohne sich plakativer Klischees zu bedienen?

„Wunschkinder“ fand eine berührende Antwort auf diese Fragen. Den Filmemachern um Drehbuchautorin Dorothee Schön, Regisseurin Emily Atef und Produzent Michael Polle war es mit sicherlich viel bedachtem und prägendem Einfluss der Buchautorin gelungen, einen bewegenden Abschnitt im Leben eines kinderlosen Paares realistisch in einen Film zu verwandeln, der nüchtern den Blick auf ein Nischenthema in der Gesellschaft wirft. Wie Ralf Wiegand in der Süddeutschen gestern schrieb:

Wunschkinder verliert in keiner Sekunde den Respekt vor den Menschen, die der Film beschreibt – und auch nicht vor jenen Zuschauern, die im echten Leben ähnliche Erfahrungen gemacht haben und nun zufällig an diesem Mittwoch vor dem Fernseher sitzen. Auch wenn der Film ausdrücklich keiner über Adoption sein will, sondern die Liebesgeschichte von Marie und Peter erzählt, einem kinderlosen Paar, das für seinen Traum von einer Familie weit geht: Er nimmt diese Adoption doch ungeheuer ernst.“

Gleichzeitig ist dieser Film so persönlich, denn er erzählt eine wahre Geschichte: Nicht nur die von Marion Gaedicke, ihrem Mann und ihren zwei Töchtern, sondern die von hunderten von Familien mit Kindern und Jugendlichen, die in den vergangenen Jahrzehnten aus Russland (oder anderen Ländern) adoptiert wurden.

„Wunschkinder“ hat auch unsere Geschichte erzählt. Mit fast jeder Szene wurde ich zurückgeführt in unsere eigene Zeit der Kinderlosigkeit, der Kinderwunschbehandlung, der Fehlgeburten, der Suche nach einem anderen Weg, eine Familie zu gründen. Einzig die Szene im ersten Seminar im Jugendamt ließ mich zucken, als die Jugendamtsmitarbeiterin eine Aussage traf, die bei mir anklang, als sei eine Adoption quasi die Ultimos Ratio, den egoistischen Kinderwunsch zu erfüllen. Diese Auffassung teile ich nicht und uns hat sie auch nicht zu der Adoption unserer Kinder aus Russland geführt. Beeindruckt bin ich aber im Nachhinein, mit welcher Akribie im Detail – und geschickt in vielen kleinen Szenen verpackt- vielen Vorurteilen einer Adoption aus Russland begegnet wurde: Die Motivation von Marie, Russland als Herkunftsland zu wählen, da sie einen positiven Bezug zu diesem Land hatte, das Überprüfungsverfahren in Deutschland mit unzähligen Gesprächen und Formularen unterstützt von einer kompetenten und kooperativen Vermittlungsagentur, mögliche Krankheiten und Behinderungen der Kinder und die Auseinandersetzung der Adoptionsbewerber mit diesen möglichen Herausforderungen, das ordentliche und korrekte Verfahren der Behörden in Russland, die keine Willkür duldeten; selbst der Argwohn der Erzieherinnen im Kinderheim gegenüber ausländischen Adoptionsbewerbern fand seinen Platz. Noch einmal mehr zeigte dies den ernsthaften und respektvollen Umgang mit dem Thema Adoption.

mother and two kids walking on at sunset

Die Bilder in Russland ließen mich an unser eigenes Adoptionsabenteuer zurückdenken. Der Flughafen, die Birkenwälder entlang der Straßen, die Übersetzerin, das Kinderheim, die Erzieherinnen, die Heimleiterin, selbst die Richterin und der Richter und vor allem die Begegnungen mit den Kindern. Auch wenn ich damals, als wir Maxim und Nadeschda im Heim kennenlernten, die Romantik, die ich aus Gaedickes Buch herausgelesen hatte, vermisste, so weckten die Szenen im Kinderheim gestern eine fast nostalgische Wehmut in mir. Unsere Begegnungen mit Maxim und Nadeschda verliefen ähnlich: Ein kleiner neugieriger Maxim, der erwartungsvoll unser Spielzeug inspizierte und sich so freute, wenn wir mit ihm spielten. Eine ängstlich weinende Nadeschda, die sich zögerlich an meine Brust schmiegte und sich nach ein paar Momenten beruhigte. Die Szenen im Gericht ließen meine eigene Angst vor einem ablehnenden Urteil von damals wieder wach werden. Doch als die Richterin schließlich das filmabschließende Urteil sprach, flossen auch bei mir Tränen der Erleichterung. Tränen, die ich damals im Gerichtssaal vielleicht aufgrund meiner eigenen Anspannung nicht vergossen hatte; Tränen der unendlichen Dankbarkeit, Maxim und Nadeschda in unserem Leben zu haben.