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#momspositivity: Nach Zweifeln immer wieder aufstehen

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Photo by Marco Ceschi on unsplash.com

Vor ein paar Wochen waren die Zweifel wieder sehr groß. Die Herbstzweifel hatten mich fest im Griff. Mittlerweile geht es wieder. So wie es immer irgendwie weitergeht. Auch wenn die Herausforderungen bleiben und mein Kräftekonto noch nicht wieder aufgeladen ist. Als ich am vergangenen Wochenende Sylvi’s Beitrag „Ihr seid doof. Ich zieh aus!“ auf ihrem Blog momsfavoritesandmore gelesen habe, musste ich im ersten Moment schmunzeln. Ich kann von Glück reden, dass meine Kinder noch nicht auf die Idee gekommen sind, auszuziehen. Auch wenn beide in der Zahnlückenpubertät sind – Nadeschda in der ersten und Maxim nun in der zweiten, bei ihm sind jetzt die Eck- und Backenzähne fällig – und Wutanfälle in mehr oder großer Intensität nicht nur wegen des Zahnwechsels bei uns an der Tagesordnung stehen. Im zweiten Moment musste ich Sylvi Gedankenversunken zustimmen. Ja, es ist schwierig, diese Grenzerfahrungen auszuhalten und sie so zu bewältigen, dass man sich hinterher noch im Spiegel ansehen kann. Wie sehr liebe ich Sylvi’s Aussage: „Aufstehen, Krönchen richten und weiter machen!“ Ich glaube, diesen Satz muss ich mir über meinen Spiegel im Bad hängen.

Über Sylvi’s Post bin ich auf die Aktion von „Lotte & Lieke“ zu „#momsposititvity“ aufmerksam geworden und mache gerne mit. Denn ja, nach allen Zweifeln und gerade nach besonders schlechten oder herausfordernden Tagen gibt es genau die Momente, in denen ich merke, wie stark ich doch bin; in denen ich spüre, wie wir doch auf einem guten Weg sind, wie alles sich finden wird; ich mich in mehr Gelassenheit üben kann, ich auf meine Ressourcen etwas Rücksicht nehme und tatsächlich mal nicht so viel an meine langen To Do Listen denke. Oder daran denke, was ich eigentlich noch alles schönes mit den Kindern machen wollte. Wenn ich mir Mantra-artig den Satz unserer ehemaligen Jugendamtsbetreuerin vorsage: „Du bist als Mutter gut genug.“ Dann kann ich mir (fast) auf die Schulter klopfen und mir sagen „Ja, das ist alles gut so. Das hast Du wirklich gut hinbekommen.“ Gerade wenn:

  • mir Maxim vorliest und es sich so wunderbar anhört. Oder er selbstständig seine Hausaufgaben macht. Oder er ohne zu murren das Kleine 1×1 mit mir übt und es extrem gut klappt. Oder wenn Nadeschda sich hinsetzt und einfach schreibt und ohne jegliches Theater ihre Hausaufgaben macht. Dann weiss ich, dass all die Mühen des täglichen Üben sich auszahlen.
  • Maxim freiwillig für ein Trompetenvorspiel übt und ganz stolz ist, dass es so gut geklappt hat.
  • Nadeschda mit großer Begeisterung auf eine Halloweenparty bei einer Klassenkameradin geht. Wie viele Jahre hatte sie solche Angst vor diesem Tag, wenn abends gruselig verkleidete Kinder durch die Straßen ziehen. Wie mutig und tapfer sie geworden ist.
  • Maxim so selbstreflektiert mit der Situation mit Leander in der Schule umgeht. Wie innerlich stark doch mein Sohn ist!
  • beide Kinder mir stürmisch in der Schule in die Arme laufen.
  • wir einen Nachmittag verbringen, an dem beide Kinder friedlich mit einander spielen, ohne sich zu streiten.
  • wir ein friedliches Abendessen verbringen, wo beide Kinder mir stolz von ihrem Tag erzählen oder wir Pläne schmieden und beide danach von sich aus aufstehen, den Tisch abräumen, die Spülmaschine ohne Meinungsverschiedenheiten befüllen, den Tisch abwischen und am Ende zufrieden feststellen: „Mama jetzt ist alles wieder blitzeblank.“
  • abends beim Vorlesen, auch wenn es kurz vorher noch im Bad wieder einmal ein Drama gegeben hat, beide Kinder sich an mich kuscheln und wir gemeinsam über die Geschichte im Buch lauthals lachen.

Momente wie diese gibt es viele, sie gehen nur viel zu oft im Alltag unter. Doch genauso fühle ich mich immer wieder stark, gelassen und ein wenig zufrieden mit mir selbst, wenn:

  • mein Haushalt und unser Alltag nicht vollständig brach liegen wegen eines kranken Kindes – oder wenn es mich selbst erwischt hat –  und wenn ich dennoch Momente finde, die von der Krankheit geschenkte Entschleunigung mit meinem Kind zu genießen.
  • ich mich erinnere, klare Prioritäten zu setzen und mich nur um das zu kümmern, was wirklich wichtig ist.
  • ich mir bewusst mache, was ich trotz aller Herausforderungen in meinem Alltag doch noch darüber hinaus bewältige: Mein Buch, dieser Blog, meine Ausbildung, ein wenig Arbeit.

Heilsam im Sinne eines positiven Denkens sind für mich auch immer wieder meine „Sonntagslieblinge“. Mich immer wieder hinzusetzen und mir ins Bewusstsein zu rufen, was wirklich schön in der abgelaufenen Woche war, worüber ich mich gefreut habe und wofür ich dankbar bin. Denn nur aus mir selbst heraus kommt die innere Stärke, Zuversicht und der unerschütterliche Glaube, dass ich als Mutter gut genug bin für meine Kinder, für die ich so unendlich dankbar bin.

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#ZweifelimHerbst: Herbstverzweifelt – von Zweifeln einer (Adoptiv-)Mutter

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Danke an Matthew Henry auf unsplash.com

Die wunderbare Susanne von HalloliebeWolke und Tanja von Krümel und Chaos haben zu einer Blogparade aufgerufen, die gerade so treffend zu meinem Leben passt. Auch wenn ich an den Tagen in den Bergen zum einen dazu gekommen bin, ein paar meiner belastenden Altlasten abzuarbeiten, aber auch neue kreative Energie geschöpft habe und an manchen Tagen – so wie am Dienstag – einfach dankbar sein konnte für mein Leben und vor allem für meine Kinder. Dennoch die Zweifel quälen mich. Vielleicht mache ich deshalb gerne mit bei dieser Blogparade #ZweifelimHerbst. Denn auch ich fühle mich ein wenig in „ZweifelHaft“, wie Tanja so schön schrieb. Manchmal habe ich das Gefühl, ich müsste mich daraus dringend befreien. Auch wenn ich weiß, dass ich am Ende diese Beitrags doch einfach die Zähne zusammenbeiße und wieder einmal genauso weiter mache wie bisher. Irgendwie geht es ja dann doch immer, Zweifel hin oder her.

In diesem Jahr kamen die Zweifel früher als sonst. In der Regel erwischt mich die Überforderung immer zum Jahreswechsel und nicht schon jetzt. Vielleicht hängt es in diesem Jahr mit der stürmischen Michaelizeit zusammen, der Zeit, wenn der Herbst sich ankündigt, wenn Tag und Nacht gleich lang sind, wenn wir dem heiligen Michael, dem tapferen Drachentöter, gedenken. Manchmal glaube ich ja, dass an seinem Mythos etwas dran ist: Der heilige Michael, der gegen den Drachen gekämpft hat. Sinnbild für den Mut und den Kampf gegen das Böse, vor allem gegen die eigenen inneren bösen Mächte, die uns so oft quälen.

Sie sind also da, diese unbequemen Zwerge im Kopf, die einen den Alltag schwer ertragen lassen. „Warum machst Du das alles?“ „Warum tust Du Dir das an?“ „Wirst Du das wirklich schaffen?“ „Ist das alles nicht zu viel?“ „Wirst Du nicht irgendwann wie ein nervöses Wrack zusammenbrechen?“ „Und dann, was ist, wenn Du mal nicht mehr kannst? Wer ist dann für Deine Kinder da?“ „Was um Himmelswillen willst Du Dir denn noch beweisen?“ Ich weiß, dass diese Zwerge mich immer mal wieder besuchen. Und spannend ist, dass sie dies immer in der dunklen Jahreszeit tun. In diesem Jahr sind sie früh dran. Normalerweise kommen sie wie gesagt immer erst zum Jahreswechsel – wie auch hier schon geschrieben – , wenn die Weihnachtsanspannung nachgelassen hat. Aber auf die habe ich ja schon in diesem Jahr keine Lust mehr. Auf die Weihnachtsanspannung. Vielleicht haben die Zwerge sich deshalb nun die stürmische Michaelizeit ausgesucht.

Ja, in den letzten Wochen hatte ich oft das Gefühl, dass es wieder alles zu viel ist. Meine Arbeit, meine Ausbildung, mein Blog, mein Haus, mein Haushalt, meine ehrenamtlichen Verpflichtungen, mein Engagement an der Schule. Nein, nicht meine kleine eigenen Familie mit Richard, Maxim und Nadeschda. Nein, diese drei liebsten Menschen, sie sind mir nie zu viel! Doch merke ich, dass mir die Ruhe fehlt, richtig bewusst mit ihnen Zeit zu verbringen. Ungeachtet dessen, dass unser Alltag so durchgetaktet ist, dass wir zu wenig Zeit und Gelegenheit haben, die Seele einfach mal baumeln zu lassen. An manchen Tagen, gerade, wenn der Schlaf wieder zu wenig war, dann fehlt mir die Geduld, die Maxim und Nadeschda doch so sehr brauchen, gerade wenn es um unser tägliches Üben geht. Und das ist nicht gut.

Anstatt die Zeit, die die Kinder in der Schule sind, mit Arbeiten, Blog und Ausbildung zu verbringen – noch dazu Kraftraubende Abende unter der Woche und mindestens ein Wochenende im Monat, sollte ich vielleicht all dies sein lassen und mich stattdessen um mich kümmern. Nur um mich kümmern. Was wäre so verwerflich daran, meine Vormittage mit Schreiben und Lesen zu verbringen – da wir ja nun auf mein Geld auch nicht wirklich angewiesen sind -, Sport zu machen, abends früh schlafen zu gehen, damit ich dann ausreichend Kraft habe, für Maxim und Nadeschda die Mutter sein zu können, die ich so gerne für sie wäre? In meiner Kinderfreien Zeit in Ruhe alles zu erledigen, was es zu erledigen gilt, um mich dann in der Zeit, in der die Kinder da sind, mich voll und ganz meiner Familie zu widmen, ohne eben all die Dinge im Kopf zu haben, die dann doch noch erledigt werden müssen.

In den vergangenen Monaten, ja bald Jahren sind Dinge auf der Strecke geblieben, die mir Herzensangelegenheiten sind. Freunde habe ich schon ewig nicht mehr gesehen. Außer vielleicht meine Lieblingsfreundin hier in meinem Lieblingshaus in den Bergen. Aber andere soziale Kontakte und Freundinnen mal abends treffen? Fehlanzeige. Bücher habe ich nur noch wenige gelesen. Und wenn dann eher Fachliteratur. Aber so richtig Bücher, die einfach Spaß machen? Viel zu selten. Ich glaube, ich kann sie in diesem Jahr an einer Hand abzählen. Auch meine sportlichen Ambitionen sind auf der Strecke geblieben, bzw. kommen nicht richtig in den Gang. Hier geht es nicht darum, den nächsten Marathon laufen zu können, sondern morgens aufzuwachen und beweglich zu sein und mich nicht wie eine alte Frau zu fühlen, nur weil der Rücken einmal wieder meckert, weil ich Nadeschda herumtragen musste.

Manchmal habe ich mich in den letzten Wochen gefragt, ob meine Kraft und Energie noch lange genug ausreicht, um Maxim und Nadeschda gut in ihr Leben zu begleiten. Denn das steht außer Frage, dass dies meine oberste Lebensaufgabe und damit Priorität sein muss. Danach sollte ich alles in meinem Leben ausrichten und an nichts anderem. Allein meine zwei wunderbaren Kinder gut durch den Alltag zu begleiten und sie gut ins Leben zu führen. Alles, aber auch wirklich alles, Andere ist Nebensache und müsste hinter anstehen. Weder mir noch sonst irgendjemandem muss ich etwas beweisen. Allein eine gute und damit ausgeglichene, geduldige, fürsorgliche und stabile Mutter sollte ich sein. Mehr nicht und auch nicht weniger. Denn gerade meine Kinder brauchen mich als eben so eine Mutter, mehr als viele andere Kinder. Vielleicht. Dafür meine Kraft und Energie zu sparen und wieder aufzutanken, sollte in meinem Fokus stehen. Und nichts anderes. Vielleicht wollen mich meine Zweifelszwerge gerade daran erinnern.

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Charlotte’s Sonntagslieblinge (57)

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Photo by Sergej Akulich on unsplash.com

Die erste Ferienwoche liegt bereits schon wieder hinter uns. Die Zeit rast. So kommt es mir zumindest vor. Vielleicht auch weil ich mich in den letzten drei, vier Wochen eher wieder wie eine Getriebene fühle, die dem Berg an zu erledigen Dingen nicht mehr Herr wird. Wenn dann auch noch mein Betreuungssystem versagt, wird es erst recht schwierig und ich beginne, vieles in meinem Leben einmal wieder in Frage zu stellen. Irgendwann in dieser vergangenen Woche habe ich für einen Moment einmal wieder gedacht, ich lasse das jetzt alles sein, die Arbeit, die Ausbildung und was auch immer noch für ehrenamtliche Aktivitäten. Ich fokussiere mich jetzt nur noch auf das Muttersein, bin allein und in vollem Umfang für meine Kinder da. Und wenn die mich gerade mal nicht brauchen, dann mache ich Sport – um für meine Kinder fit zu sein -, dann ruhe ich mich aus – um meinen Kindern mit noch mehr Gelassenheit zu begegnen -, dann lese ich vielleicht einmal wieder ein gutes Buch – von denen es so viele gibt und ich nur einen Bruchteil lese. Mal sehen. Seit Donnerstag sind wir wieder in unserem Lieblingshaus in den Bergen. Ja, ich genieße die Ruhe hier und habe einen Teil der To Do Liste auch Zuhause gelassen. Das Wetter ist herrlich und lädt zu Wanderungen und viel gemeinsamer Zeit draußen ein. Während Maxim und Nadeschda gerade auf dem nachbarlichen Reiterhof sind, denke ich an meine heutigen drei Sonntagslieblinge:

  1. Trotz fehlender Betreuung habe ich mein Praktikum, das nach den Ferien beginnt, doch noch ganz gut vorbereiten können. In der Not lerne auch ich den Mut zur Lücke und denke: „Irgendwie wird es dann schon gehen.“
  2. Jetzt bin ich dankbar für unseren Tapetenwechsel hier in den Bergen. Maxim und Nadeschda tut es gut, wieder täglich reiten gehen zu können, viel draußen zu sein und sich ausgiebig zu bewegen. Es ist schön, den Alltagstrott ein wenig hinter sich zu lassen und etliche Stunden am Tag nur die Zeit mit den Kindern zu genießen.
  3. Auch in den Ferien üben wir jeden Tag. Auch hier in unserem Lieblingshaus in den Bergen. Nur die Trompete durfte Zuhause bleiben. Doch entgegen so vielen Situationen in den vergangenen Wochen in unserem Alltag, verbringen wir hier überraschend harmonische Übzeiten, die zuweilen gar nicht mehr als solche wirken. Maxim entwickelt sich zu einem großartigen Vorleseonkel und Nadeschda ist zum ersten Mal so fasziniert von den Bergen, dass sie sie freiwillig malt und mit ganz vielen Zwergen bewohnt.

Habt auch Ihr einen wunderbaren Sonntag! Ich mache mich nun auf in den Pferdestall. Kommt gut und wohlbehalten in die neue Woche!

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Hasst mich mein Adoptivkind? Warum es ihm so schwer fällt, Liebe zu zeigen…

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Mit freundlicher Unterstützung von Pixabay

Vor einiger Zeit hat Sherrie Eldridge den erneut bewegenden Post „Why does my adopted child hate me?“ veröffentlicht. Er knüpft ein wenig an meine gelegentlichen Zweifel als Adoptivmutter an und hat mich in den vergangenen Wochen immer wieder beschäftigt, auch wenn er mich jetzt noch einmal zu einer bewussten Erkenntnis gebracht hat.

Wenn ich Maxim von der Schule abholte, oder ich nach einem Tag Arbeit nach Hause kam, so wünschte ich mir doch immer wieder insgeheim, dass mein Sohn mir freudestrahlend in die Arme lief und mich umarmte. – Lange, lange hat er das nicht getan und meine Hoffnungen blieben unerfüllt. Inzwischen zeichnet sich da allerdings eine Entwicklung ab. – Stattdessen wurde ich mit Gleichgültigkeit oder manchmal auch Ablehnung empfangen. Wenn Zuhause seine Wut hochkochte, wurde ich zuweilen auf das Übelste beschimpft, getreten, geschlagen. Oder es fiel auch der Satz: „Du bist nicht meine Mama!“ Ich weiß nach all den Jahren, dass ich die Projektionsfläche für die Wut und die Trauer über seine frühkindlichen Verletzungen, die unermesslich gewesen sein müssen, bin. Meistens kann ich mit dieser Wut umgehen. Ich nehme Maxim’s Angriffe nicht mehr persönlich, auch wenn es mir lange schwer fiel. Ich habe Jahre gebraucht, um zu begreifen, dass er nicht mich direkt meint.

Dennoch gibt es noch heute Momente, in denen ich seine Ablehnung und Abneigung nur schwer ertragen kann. Das sind die Augenblicke, in denen ich mich frage: „Bin ich gut genug?“ Bin ich gut genug als Adoptivmutter für meine Kinder? Würden sie vielleicht eine andere Mutter weniger ablehnen? Auch dann kommen die Zweifel, ob all das, was ich für meine Kinder tue und empfinde, ausreicht. So ausreicht, dass sie mich lieben lernen können.

Auf der anderen Seite weiß ich, dass die fehlende Fähigkeit, Zuneigung zu zeigen und eher die Wut, Aggression und Trauer herauszulassen, aus dem tiefen Gefühl des Verlassenwordenseins resultiert. So wie Sherrie es schreibt. Und das genau deshalb, weil ich als Adoptivmutter eben jetzt da bin und immer für meine Kinder sorge, sie liebe und so annehme wie sie sind, genau deswegen bin ich die Zielscheibe ihrer Wut und ihrer Ablehnung. „Wenn Ihr Adoptivkind Sie schlägt, dann ist es richtig bei Ihnen angekommen.“ sagte einmal unsere Jugendamtsbetreuerin zu uns. Wie Recht sie hatte. Denn im Grunde, so absurd das vielleicht erscheinen mag, ist dies das Zeichen, dass das Adoptivkind sich sicher genug fühlt, seine tiefen Gefühle zu zeigen und herauszulassen.

Mit Blick auf Maxim weiß ich aber auch, dass sein Verhalten immer noch auch ein Ausfluss seiner Bindungsstörung ist. Wenn ich der Literatur folge, so könnte er als „unsicher vermeidend gebunden“ gelten. Diese Kinder reagieren in einer Trennungssituation kaum und spielen einfach bei Betreten des Raums durch die Bezugsperson weiter. Auch bei der Wiedervereinigung vermeiden sie den Kontakt mit der Bezugsperson. In der Literatur heißt es dazu, dass diese Kinder ein Bindungsverhalten minimieren, da dieses in der Vergangenheit nicht den gewünschten Erfolg brachte. Denn bei Furcht, Kummer, Erschöpfung oder Unsicherheit war die Bindungsperson nicht verfügbar. Maxim hat dies mit Sicherheit so erfahren in seiner Ursprungsfamilie und vor allem auch im Kinderheim.

Erst jetzt nach Jahren als Familie, nach Jahren des immer auf Gedeih und Verderb verlässlich Daseins, nach Jahren der Fürsorge, nach Jahren in einer sicheren, geborgenen und stabilen Umgebung und auch nach Jahren mit therapeutischer Unterstützung spüre ich, dass Maxim langsam heilt. Ich fühle, dass er weiß, dass er sich auf mich verlassen kann, dass ich immer für ihn da bin, dass er bei mir sicher ist. Nach all der Zeit beginnt er sich an mich zu binden ohne Wenn und Aber. Heute kommt er mir auf dem Schulhof freudig entgegen gerannt, heute zeigt und sagt er, wenn er mich braucht. Heute überschüttet er mich zuweilen mit großen Zuneigungsbekundungen. Heute schiebe ich meine Zweifel bei Seite, denn immer mehr lerne auch ich: Ja, ich bin gut genug als Maxim’s Adoptivmutter und alles ist gut so wie es ist.

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„Bin ich als Adoptivmutter gut genug?“ – Von gelegentlichen Zweifeln

Silhouette of Mother and Young Children Holding Hands at Sunset

In ihrem Beitrag „Bedingungslos lieben“ warf Katja von homeiswheretheboysare auch die Frage nach dem „Gut genug Sein“ auf. Irgendwie lässt mich diese Frage nicht los und hat mich auch durch den Urlaub in den Schweizer Alpen begleitet. Ja, auch wenn meine Kinder mir jeden Tag wieder und wieder zeigen „Mama, Du bist gut genug. Und noch viel mehr als das.“, so holen mich doch hin und wieder Zweifel ein:

Bin ich als Adoptivmutter tatsächlich gut genug? Tue ich alles erdenklich Mögliche um meine Kinder auf ein bürgerliches Leben gut vorzubereiten? So gut, dass sie irgendwann alleine ihren Weg durch das Leben gehen?

Reicht das, was ich mache? Reicht meine Unterstützung aus? Lernen, üben, ein stark rhythmisierter Alltag? Meine Präsenz in der Schule, um genau zu wissen, was passiert, um meine Kinder zu schützen und zu stärken. Um mit ihnen das Zuhause zu lernen, was sie vielleicht verpasst haben; um die Lehrer zu sensibilisieren und sie ein wenig wohlwollender gegenüber Maxim und Nadeschda zu stimmen, um ein Quäntchen mehr Achtsamkeit gegenüber ihnen sicherzustellen.  Alle möglichen und sinnvollen Therapien und Therapeuten auszuprobieren, die ihn helfen könnten. Unterschiedliche Ärzte und Arztmeinungen zu konsultieren, um die best mögliche medizinische Versorgung ihnen zu bieten.

Reicht meine Geduld, meine Fürsorge, meine Zuneigung? Ist meine bedingungslose Liebe für meine Kinder genug? Reicht es aus, für diese Kinder da zu sein, für sie zu sorgen, sie zu beschützen und zu behüten, egal wie viel Kraft es auch kosten mag? Ist es genug, sie so anzunehmen, wie sie sind?

An guten Tagen, wenn ich bewusst wahrnehme, wie Maxim und Nadeschda wachsen, wie sie sich entwickelt haben, wenn ich merke, dass es ihnen gut geht, dass sie sich wohlfühlen und sie geborgen sind, weiss ich, dass alles gut genug ist. Wenn Lehrer oder Therapeuten mir bestätigen, wie wunderbar beide Kinder sind und welche unglaubliche Entwicklung sie vollziehen, dann weiss ich, dass meine Förderung und Unterstützung genau richtig ist, dass sie ausreicht, dass sie gut genug ist. Dann weiss ich, dass ich gut genug bin, ich als Mutter. Dann bin ich davon überzeugt, dass Maxim und Nadeschda  mit meiner Hilfe und Begleitung den sicheren Weg in ein eigenständiges Leben gehen werden.

Doch dann gibt es die Tage, an denen die Zweifel kommen. An denen ich das Gefühl habe, es reicht eben nicht aus, was ich für sie tue. An denen ich glaube, dass meine Geduld nicht groß genug ist. An denen ich zweifle, ob meine Liebe und Fürsorge jemals ausreichen wird, da meine Kinder einfach ein Fass ohne Boden sind. Sie saugen meine Liebe auf wie ein trockener Schwamm. Und es wird niemals genug Liebe sein, um die Löcher zu füllen und die Wunden zu heilen, die in ihrer frühesten Kindheit aufgerissen wurden. Auch wenn ich weiss, dass ich den permanenten Alarmzustand im Kopf und in der Seele meiner Kinder nur mindern kann, ihn aber niemals vollständig heilen, so frage ich mich dennoch, ob es nicht ein noch nicht entdecktes MEHR gibt, was ich tun kann, um ihnen zu helfen, zu heilen. Es sind die Tage, an denen ich mich frage, ob ich nicht noch mehr für meine Kinder tun müsste und könnte. Sollte ich meine Ausbildung aufgeben, da Maxim und Nadeschda sich schwer tun, wenn ich abends weg bin? Sollte ich mich von jeglicher Fremdbetreuung verabschieden, um ganz und gar für meine Kinder da zu sein? Sollte ich nicht mein ehrenamtliches Engagement ganz einschränken und nur noch auf die Schule konzentrieren, um an den Vormittagen mehr Zeit für mich zu haben, damit ich nachmittags noch ausgeglichener und noch ruhiger bin, wenn meine Kinder sich nicht wohlfühlen und meine Grenzen erneut testen, wenn das Wutmonster uns wieder besucht, wenn Nadeschda in meinen Bauch krabbeln will, an mir klebt und mich keine Zentimeter wegbewegen lässt, wenn Maxim in den Widerstand geht, um zu prüfen, ob ich ihn dann immer noch halte?

Am Ende, wenn ich Katja’s Post noch einmal Revue passieren lasse, sind es immer die Tage, an denen ich mir selbst nicht gut genug bin. An denen ich unzufrieden mit mir selbst bin, weil ich nicht das geschafft habe, was ich mir vorgenommen habe, an denen ich nicht nicht geduldig genug bin, weil ich unausgeschlafen oder erschöpft bin, an denen ich nicht ruhig und gelassen geblieben bin, an denen mir manchmal alles über den Kopf wächst. Die Tage, an denen ich mir jedoch nicht die Frage stelle, ob ich mir vielleicht zu viel vorgenommen habe. Die Tage, an denen ich in alte Muster verfalle – ich bin nur als Mutter gut genug, wenn ich dies und das geleistet habe. Die Tage an denen ich funktioniere und nicht bei mir bin.

Nicht nur meine Kinder sollen und können sich entwickeln. Auch ich als ihre Mutter kann und will mich weiter entwickeln. Wieder mehr auf mich und meine innere Stimme hören. Zu spüren, wann es zu viel ist. Und eben nicht zu fragen, ob da doch noch mehr gehen muss, ob ich da noch mehr leisten muss. Achtsam bei mir selbst zu bleiben und nicht bei meinen zu vollen To Do Listen. Anstatt mir die Frage zu stellen, was ich noch mehr für meine Kinder tun kann, sollte ich mir die Frage stellen, was ich für mich tun kann. Denn nur so, nur, wenn es mir gut geht, wenn ich bei mir bin, dann habe ich genügend Kraft und Ausdauer, so für meine Kinder da zu sein, wie sie es brauchen.

Die innere Stärke jeden Tag immer wieder von Neuem zu beginnen und sich niemals aus der Bahn werfen zu lassen, kommt letztendlich nur aus der bedingungslosen Liebe. Aus der bedingungslosen Liebe für meine Kinder und die meiner Kinder zu mir. Vor allem aber aus der bedingungslosen Liebe zu mir selbst. Denn so wie ich bin, bin ich gut genug.