Kolumne: Waldorfpädagogik – Ist das das Richtige für unsere Kinder?

„Ob das das Richtige für Eure Kinder ist?“ – Ja! Die Waldorf-Pädagogik ist für unsere Kinder die bessere Wahl

Im Sommer bei einer Geburtstagsfeier von Bekannten sagte mein Mann beiläufig: „Am Donnerstag wird mein Sohn eingeschult.“ Stutzende Gesichter. „Warum erst am Donnerstag? Einschulungen finden doch immer am Dienstag statt.“ „Nein, mein Sohn geht auf die Waldorfschule.“ Stille. Nach einer Weile: „Und kannst Du schon Deinen Namen tanzen?“ , „Ja!“, sagte mein Mann – verhaltenes Gelächter.

Wir wollten unseren Kindern immer – bei allem anders sein – soviel Normalität wie möglich geben. Wir träumten davon, dass sie mit ihren Freunden aus dem Kindergarten hier in die örtliche Grundschule gehen werden. Wie alle anderen Kinder. Nachdem uns das Regelschulsystem mit seiner Schulärztin sein wahres Gesicht gezeigt hatte und die örtliche Grundschule das Schreckensbild dessen, was wir unseren Kindern hätten zumuten müssen, nicht ausradieren konnte (Kolumne „Beim Schularzt“), war dies nicht mehr unser Weg.

Wir kamen in der Wirklichkeit der deutschen Bildungslandschaft an. Kinder müssen eine Norm erfüllen, normgemäß funktionieren. Wissen wird hineingestopft, abgefragt und dann wieder vergessen. Kinder, die nicht in diese Norm passen, werden aussortiert. Das in frühestem Kindesalter. Wir schauten uns nach alternativen Schulformen um. Denn das wollten wir unseren Kindern nicht antun. Sie sollten sich frei entwickeln, sich nach dem Himmel strecken. Nicht sich klein machen, um in ein Normkästchen zu passen, damit das „System“ möglichst keine Arbeit hat.

Es war ein Segen der lokalen Infrastruktur, dass wir aus einer Vielzahl an Optionen von alternativen Schulen und pädagogischen Konzepten wählen konnten. So fanden wir uns bei einem Aufnahmeseminar der Waldorfschule wieder. Wir erlebten eine Eurythmiestunde und spürten am eigenen Leib, wie viel mehr wir von einer Geschichte begreifen und behalten, wenn wir sie mit eigenen Körperbewegungen begleiten. Wir waren überrascht über den durchstrukturierten Schulalltag. Schultage, Schulwochen, ja das ganze Schuljahr verlaufen immer nach demselben sich wiederholenden Rhythmus. Im Hauptunterricht beim Klassenlehrer, der seine Klasse von der ersten bis zur achten Klasse begleitet, werden die klassischen Lerninhalte wie Deutsch, Mathe, Sachkunde zu einer sinnvollen Einheit verbunden. Aufsatzschreiben wird zum Beispiel anhand des Flusslauf des Nils geübt. – Und nicht anhand einer hässlichen Puppe, wie in meiner Regelgrundschule. – Bruchrechnen in Mathe wird mit der Notenlehre in Musik kombiniert. Wie soll ein Kind auch eine viertel Note verstehen und auf einem Instrument spielen, wenn es noch nicht einmal verstanden hat, was der vierte Teil von etwas ist? Gepaart mit Unterrichtsfächern wie Werken, Gartenbau und Handarbeiten erleben die Kinder eine Vielzahl an praktischem und alltagstauglichem Input. In der achten Klasse wird dies alles in einer Projektarbeit zusammengeführt. Welcher Schüler hat im Regelsystem mit 15 Jahren schon einmal eine Sofa selbstständig gebaut, oder eine Gitarre restauriert? Und dass Musik einen wichtigen Teil in der Erziehung ausmacht, davon ist ja auch die Regelschulpädagogik überzeugt, schiebt dies jedoch meist in die Verantwortung der Eltern. Schulnoten gibt es bis zur Oberstufe nicht. Bis die Kinder im Grunde keine Kinder mehr sind, sondern heranreifende Erwachsene, die langsam aus der Umbauphase der Pubertät erwachen und bereit sind, auf das Leben nach der Schulzeit vorbereitet zu werden. Bis dahin werden die Kinder und ihre Leistungen nicht bewertet. Die Zeugnisse sind wertschätzende und beobachtende Entwicklungsberichte. Ganz Normgerecht sind die Abschlußmöglichkeiten bis hin zum Zentralabitur. Der Weg ist eben einfach ein anderer.

Für unsere Kinder ist die Waldorf-Pädagogik eine Insel im Bildungssystem, die ihnen und ihren Bedürfnissen auf den Leib geschnitten ist. Die Struktur und der immer wiederkehrende Rhythmus geben ihnen Sicherheit und Geborgenheit. Damit haben sie genügend Freiraum und Kraft, sich aus sich selbst heraus zu entwickeln und zu wachsen. Anstatt Begrenzung durch Leistungsdruck und einer Bewertung nach Schema F erfahren sie Wertschätzung und Anerkennung. Hilft ihnen die Eurythmie, Sprache ganz und vollständig zu erfassen, so lernen sie mit allem anderem nicht für die Schule sondern für das Leben. Unterm Strich mehr als an der Regelschule.

In der Geburtstagsrunde steht mein Mann auf einmal auf, macht ein paar wirre tanzende Bewegungen. „Was war denn das jetzt?“ Mein Mann: „Ich habe gerade „Volltrottel“ getanzt.“ Erst Schweigen, dann Gelächter. Diesmal hatte er die Lacher auf seiner Seite.