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Charlotte’s Sonntagslieblinge (7)

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Ben White, unsplash.com

Jeden Sonntag übe ich mich im Dankbar sein. Inspiriert von  Mirjam von Perfektwir blicke ich in Dankbarkeit auf meine eigenen, ganz persönlichen Lieblinge dieser Woche zurück. Hier sind sie wieder, meine drei Sonntagslieblinge:

  1. Nadeschda hat bald ihre erste Ballettaufführung. Sie ist schon ganz aufgeregt und übt fleißig Zuhause jeden Tag. Dafür, dass sie eigentlich mit dem Balletttanzen aufhören wollte, hat nun die Aufführung neue Begeisterung geweckt und ich freue mich über die Energie, die sie in die Vorbereitung ihres Auftritts steckt.
  2. Maxim und ich tauschen Rollen: Jetzt liest mein Sohn mir vor. Großartig! Nur muss ich jetzt aufpassen, was ich an Geschriebenem hier im Haus herumliegen lasse. Denn er liest alles, auch die Dinge, die er vielleicht nicht lesen sollte. So wie diese Woche: „ Mama, was hast Du da bestellt? Das wünsche ich mir doch zu Weihnachen!“
  3. Meine Kinder räumen nach viel Üben ihre Zimmer mittlerweile alleine auf. Ich bin überrascht, wie ordentlich beide dann doch sein können.

Wie jeden Sonntag, für heute bin ich dankbar und freue mich auf die neue Woche. Habt auch Ihr einen wunderbaren Start in den November!

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Mein Gastbeitrag „Adoptieren – hat sich das alles gelohnt“ reloaded

mother and two kids walking on at sunset

Im Sommer hatte ich für Mamas unplugged eine Zwischenbilanz über unsere Adoption von Nadeschda und Maxim gezogen. Wie hat sich unser Leben auch nach Jahren verändert? Wie gehen wir mit den Höhen und Tiefen unseres Lebens als Adoptiveltern um? Wie geht es mir mit meiner Mutterrolle? Und hätte ich das alles so erwartet? Jetzt könnt Ihr meine Zwischenbilanz „Adoptieren – hat sich das alles gelohnt“ auch auf CheckMama, einer Schweizer Plattform von Eltern für Eltern lesen. Eine spannende Lektüre wünsche ich Euch!

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Wenn die Unterstützung von Adoptivfamilien ausbleibt

Als Maxim und Nadeschda zu uns kamen, folgte bald nach der Euphorie ein Stück weit die Ernüchterung. Mein Sohn tobte, steigerte sich in hysterische Wutanfälle, die wir nur schwer aushalten konnten. Nadeschda hatte gesundheitliche Schwierigkeiten. Oft genug fühlte ich mich als Mutter restlos überfordert, allein gelassen und verzweifelt. Auch wenn ich niemals an der Richtigkeit unserer Entscheidung zur Adoption zweifelte, so hatte ich mir das nicht vorgestellt. – So geht es vielen Adoptivmüttern, wie jüngst auch bei Lakatz von 1 1/2 Familie zu lesen war. Wie gut kann ich ihr Gefühl nachempfinden, wenn sie schreibt, wie es ihr während und nach der Adoption wirklich ging, wenig „Weichgespült“ und noch weniger rosarot. – Wir hatten großes Glück und eine Betreuerin beim Jugendamt, die sehr engagiert war und mit der ich auch in den Phasen, in denen es mir schlecht ging, sprechen konnte. Sie half und hatte immer gute und konstruktive Hilfestellungen. Doch darüber hinaus war ein Fortbildungs- und Unterstützungsangebot wenig vorhanden, oder nur unzureichend für mich. So begann ich mich selbst aus Eigeninitiative heraus mit anderen Adoptivfamilien zu vernetzen und meine eigenen Seminare zu organisieren. „Wenn nicht die Themen im Angebot sind, dann organisiere ich es mir eben selbst im Rahmen eines Workshops.“ dachte ich. Das läuft bis heute sehr gut, auch wenn es mein eigenes Engagement erfordert. – Gut, fairerweise muss ich gestehen, dass ich mich in all den Jahren in vielen Adoptionsthemen inhaltlich so tief eingearbeitet habe, dass, auch wenn es vorhanden wäre, ein Standardseminarprogramm rund um Adoptionsthemen mich persönlich wenig weiterbringt. Aber das löst dennoch nicht das Problem.

Lange Fragebögen, intensive Gespräche mit Hausbesuchen, Pflichtseminare – das alles gehört zur Bewerbung und Überprüfung einer zukünftigen Adoptivfamilie durch die Jugendämter. Ist das Adoptivkind dann in der Familie aufgenommen, bleibt solange noch ein Kontakt zum Jugendamt bestehen, bis die Formalitäten abgeschlossen sind. Das heisst bei Inlandsadoptionen, bis die Adoption rechtskräftig ist, oder wie in unserem Falle, bis die Entwicklungsberichte für die russischen Behörden fertig gestellt sind. Danach wird die Adoptivfamilie in die seelsorgerische Diaspora entlassen. Meistens. Leider. Begleitende Unterstützung ist in den Folgejahren wenig vorhanden, manchmal gar nicht, manchmal mag es ein Seminarangebot geben. Auf Adoptivkinder spezialisierte Therapeuten gibt es wenige, Foren, in denen sich Adoptivfamilien begegnen und vernetzen können sind rar gesät. Sicherlich gibt es hier regionale Unterschiede. Doch meistens bleiben Adoptivfamilien sich selbst überlassen. Vor allem dann, wenn die Wahrscheinlichkeit steigt, dass Adoptivfamilien mit ihren Kindern vor ernst zu nehmende Herausforderungen gestellt werden. Die Probleme, selbst die klassischen, die bei Adoptivkindern auftreten können und die wir alle aus der Fachliteratur kennen, zeigen sich nicht in den ersten zwei Jahren nach der Adoption. Nein, sie drängen sich erst Jahre danach – wenn viele Familien sich schon in der Sicherheit wiegen, das alles gut ist, an die Oberfläche. Dann wenn die Kinder in die Schule gehen, dann wenn die Pubertät ihre Schatten vorausschickt. Genau dann ist keiner da, der einfühlsam unterstützen kann und fachspezifisch Lösungen zu auftretenden Problemen aufzeigen kann. Wenn das Adoptivkind schreit, tobt, schlägt, beißt, ist die Familie gezwungen, alleine das Problem zu lösen. Wenn das Adoptivkind in der Schule abrutscht oder ausgegrenzt wird, weil es mit dem Leistungsdruck nicht umgehen kann, dann ist die Familien auf sich gestellt, eine geeignete Schule zu finden, in der das Adoptivkind besser aufgehoben ist. Treten gesundheitliche Herausforderungen oder späte Entwicklungsdefizite auf, müssen auch diese die Adoptiveltern alleine in den Griff bekommen.

Die Jugendämter, in deren Zuständigkeit die Begleitung von Adoptivfamilien fällt, können das nicht leisten. Die Personaldecke ist zu dünn. Oft sind sie schon mit der Betreuung und Begleitung von Pflegefamilien überfordert und überbelastet. Ebenso bieten wenige freie Adoptionsvermittlungsstellen eine entsprechende langfristige Begleitung nach der Adoption an. Da mag es die ein oder andere geben, die spezielle Seminare zur Nachsorge und zur Wurzelsuche anbieten. Das ist besser als nichts, aber zu wenig. Noch immer gibt es zu wenige freie Beratungsstellen, Bildungseinrichtungen oder Therapeutennetzwerke, die sich der fürsorglichen langfristigen Begleitung von Adoptivfamilien annehmen. Meist fehlt auch die entsprechende Erfahrung und spezifische Kompetenz. All zu oft wird in Frühförderstellen oder Sozialpädiatrischen Zentren dann mit Standardrezepten hantiert, die aber nie bei einem Adoptivkind helfen werden. Es gibt eben doch weniger Adoptivkinder mit entwicklungsspezifischen und seelisch emotionalen Herausforderungen als andere Kinder. Ja, auch hier mag es eine Frage der Fallzahlen sein.

So bleibt Adoptivfamilien kaum etwas anderes übrig, als tatsächlich Eigeninitiative zu ergreifen und sich selbst zum besten Spezialisten für das eigene Kind zu entwickeln. Nur so besteht eine Chance, wenn Schwierigkeiten auftauchen, die bestmögliche Hilfe und Unterstützung für sein Kind zu finden. Genauso bedarf es viel eigenes Engagement der Adoptiveltern, sich selbst fortzubilden und sich die passenden Seminare zu suchen, auch wenn dies heißt, weite Reisen durch die Republik zu unternehmen, um einen Spezialisten aus der „Adoptionsszene“ zu hören. Und schließlich ist es auch den Adoptiveltern überlassen, sich unter einander zu vernetzen und im regelmäßigen Austausch Hilfe bei kritischen Fragestellungen zu finden. Nur so können sie verhindern, ganz alleine auf weiter Flur mit ihrem hilfebedürftigen Adoptivkind zu stehen.

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Charlotte’s Sonntagslieblinge (6)

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Ben White, unsplash.com

Jeden Sonntag rufe ich mir inspiriert von  Mirjam von Perfektwir all die positiven Kleinigkeiten in unserem Alltag ins Gedächtnis, die diesen so unglaublich bereichern. Hier sind sie wieder, meine drei Sonntagslieblinge der vergangenen Woche:

  1. Maxim, Nadeschda und ich verbringen gerade ein verlängertes Wochenende in den Bergen. Beide Kinder reiten jeden Tag und wir verbringen die Nachmittage viel draußen mit Spaziergängen und Ausflügen. Am späten Nachmittag genieße ich jeden Tag für ein paar Minuten auf dem Freisitz die langsam hinter den Bergen sich verabschiedende Sonne und bin dankbar für die vielen schönen Momente mit meinen Kindern.
  2. Meine Bürobaustelle schließt sich nun wirklich zum Ende des Monats. Ich kann anfangen einzuziehen.
  3. Die Impulse meiner Weiterbildung lassen mich vor allem hier, in dieser bizarren Bergwelt, noch einmal die Natur ganz anders erleben. Sie öffnen den Blick für Neues und das ist großartig.

Für heute bin ich dankbar und freue mich auf die neue Woche. Habt auch Ihr einen wunderbaren Start in einen wunderbaren Montag!

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Mehr im Einklang mit meinen Adoptivkindern (2) – Maxim

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Annie Spratt, unsplash.com

Wieder mehr im Einklang mit meinen Kindern zu sein, ist mein Thema in dieser Woche. Wie schon in meinem Post zu Nadeschda geschildert, hat mich dabei ein Artikel einer amerikanischen Adoptivmutter zu „Attuning to Family Harmony“ inspiriert. Alex Chase stellt ins Zentrum ihrer Ausführungen die Aussage, dass Adoptivkinder über ihr Verhalten sagen, was sie ertragen können und was nicht.

Von Beginn an hatte Maxim Schwierigkeiten mit Nähe, mit körperlicher Nähe, mit emotionaler Nähe. Solange er nicht selbst über sie entscheiden kann, ist Nähe für ihn schwer zu ertragen. Vor allem von mir, seiner Mutter. Manchmal erscheint es mir, als wäre ich, seine Mama, für ihn eine bedrohliche Person in seinem Leben. In meiner Gegenwart ist er zuweilen angespannt und angestrengt. Mehr als mit anderen Menschen. Der Blickkontakt fällt ihm schwer und ebenso körperlich Nähe und Zuneigung. Das zeigt sich vor allem in Situationen des Übergangs, wie beim Verabschieden morgens in der Schule oder beim Abholen nach der Schule. Oder wenn wir lange vertraut zusammen vorgelesen haben, zieht er sich unvermittelt wieder zurück. Genauso kann er häufig nicht mit Lob und Freude über etwas, was er erfolgreich bewältigt hat, umgehen. Ich spüre förmlich, wie ihm dann alles zu viel wird. Er kann mit dieser Nähe nicht umgehen, sie macht ihm Angst.

Führe ich mir das, was ich zum Urvertrauen geschrieben habe, wieder vor Augen, ist sein Verhalten nachvollziehbar. Denn für Maxim ist es schmerzhaft, sich in eine existenzielle Abhängigkeit zu begeben. So war seine frühe Erfahrung, folgt man Rech-Simon und Simon in ihren „Survivaltipps für Adoptiveltern“ im übertragenen Sinne: „Ich begab mich in eine Abhängigkeit von meiner leiblichen Mutter. Und aus dieser Abhängigkeit folgte eine schmerzhafte Trennung.“ Um diesen Schmerz zu verhindern, hält er auf Gedeih und Verderb an seiner (gefühlten) Autonomie fest und bekämpft jede drohende Abhängigkeit. Natürlich ist die Abhängigkeit von mir, seiner Mama, am größten. Deshalb nimmt er sie im übertragenen Sinne auch als Bedrohung war.

Bis heute fällt es mir schwer, das zu akzeptieren. Er ist eben nicht das Kind, das mich überschwänglich auf dem Schulhof begrüßt und mir um den Hals fällt, der mich immer und immer wieder mit Liebkosungen überhäuft. Er kuschelt wenig. Er ist wenig anhänglich. Mit der Zeit habe ich gelernt, ihn zu lassen. Er braucht Raum, um meine Fürsorge und Zuneigung anzunehmen. Nur wenn er diesen Freiraum hat, kann er selbst seinem eigenen Bedürfnis nach Nähe nachspüren und für sich einfordern. Ja, je mehr ich ihn loslasse, um so mehr Nähe ist zwischen uns. Seine freigewählte Nähe! Und dann ist es doch so, dass er nach einem Nachmittag, an dem er mit mir genau diesen Freiraum erlebt hat, abends auf einmal kommt und auf meinem Schoß sitzen möchte oder mich einfach von hinten fest umarmt.

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Mehr im Einklang mit meinen Adoptivkindern (1) – Nadeschda

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Mit freundlicher Unterstützung von unsplash.com

Wenn der Druck meiner eigenen Überforderung nachlässt, lichtet sich der innere Nebel und der  Blick wird frei auf das, was wirklich wichtig ist. Wieder mehr im Einklang mit meinen Kindern zu sein, scheint das Thema dieser Woche zu sein. Erleuchtend war dabei ein Artikel einer amerikanischen Adoptivmutter zu „Attuning to Family Harmony“. Alex Chase schildert dort, wie sie mit mehr Achtsamkeit für das Verhalten ihres Adoptivsohnes zu mehr Harmonie im Familienalltag fand. Und allen voran stellt sie die Aussage, dass Adoptivkinder über ihr Verhalten sagen, was sie ertragen können und was nicht. Zeichen der Überforderung sind immer deutlich zu erkennen.

Nadeschda geht seit diesem Sommer in die Schule. Manchmal war ich versucht, mir einzureden, dass der Wechsel nicht so eklatant für sie ist, wie für ihren großen Bruder. Denn sie kannte das Schulgebäude, sie kannte die Abläufe, sie kannte ihre Lehrerin, wir waren oft gemeinsam in der Mensa essen, damit sie auch dieses Umfeld kennenlernt und erfährt, sich dort zurecht zu finden. Dennoch, die Veränderung ist groß für sie und fordert sie sehr. Sich im neuen Schulalltag zurecht zu finden, ist ein enormer Kraftakt für sie. Das habe ich nun verstanden. Sie hat es mir durch ihr Verhalten deutlich vor Augen geführt.

In den ersten Schulwochen lief alles noch am Schnürchen. Nadeschda ging gerne in die Schule, doch genauso freute sie sich, wenn ich sie abholte. Da ich wusste, dass nach dem Mittagessen eine weitere Betreuung am Nachmittag zu viel für sie sein würde, hatte ich uns alle nach den Ferien so organisiert, dass die Kinder zwar beide noch in der Schule essen, ich sie aber vor der Nachmittagsbetreuung abhole. Je länger der Schulalltag voranschritt, um so öfter zeigte sich bei Nadeschda, dass sie am Nachmittag zunehmend anhänglich wurde. Umso mehr verwundete es mich, als sie auf einmal in der Abholsituation mittags in der Schule immer öfter forderte, doch noch länger bleiben zu dürfen. Bis zu dem Punkt, dass sie sagte, sie wolle auch in die Nachmittagsbetreuung gehen. Das Schulgelände verließ sie nur unter Protest. Das hielt mehrere Tage an. Bis zu einem Mittag in der vergangenen Woche: Wieder wollte sie länger spielen, wieder konnte sie sich schwer von der Schule lösen. Ich liess sie noch ein paar Minuten spielen. Doch sie geriet in Streit mit zwei Klassenkameradinnen. Und auf einmal brach alles in ihr zusammen. Sie weinte nur noch verzweifelt, tobte erst, weil sie nicht nach Hause gehen wollte, schrie und schlug um sich, bis sie nur noch bitterlich auf meinem Schoß weinte und jammerte: „Ich will nach Hause, Mama.“ Bis zu diesem Satz hatten wir fast eine Stunde auf dem Schulhof gesessen.

Wieder musste ich an den Artikel denken. „If he couldn’t leave a birthday party, without a rage, he wasn’t ready to go in the first place.“ Ja, wenn Nadeschda den Schulhof nach dem Mittagessen nur unter Protest verlassen konnte, dann war der Zeitpunkt überschritten für sie. Dann war es einfach zu viel. Auch wenn sie mir verbal etwas anderes sagte. Erneut wurde mir bewusst, wie wichtig es in dieser Zeit ist, langsam zu machen, viel Ruhe in unserem Alltag walten zu lassen und meine Kinder erst einmal in ihrem neuen Lebensabschnitt ankommen zu lassen. Denn meine Kinder zeigen in ihrem Verhalten, was sie brauchen, nicht in ihren Worten.