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Ist Jim Knopf ein Anstrengungsverweigerer?

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Photo by Veri Ivanowa on unsplash.com

Ihr alle kennt doch sicherlich Michael Endes wunderbare Buch „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“? Das haben wir gerade wieder gelesen. Natürlich bewegt die Geschichte meine Kinder, denn Jim ist ja ein Waisenjunge, der als kleines Baby per Paket auf Lummerland landet und dann von Frau Waas großgezogen wird. Als Lummerland zu klein wird, weil Jim zu groß, verlassen Lukas und Jim über Nacht die Insel und brechen zu großen Abenteuern auf. Nachdem sie die mandalanische Prinzessin Li Si aus den Fängen des Drachen Frau Mahlzahn gerettet haben, kommt es auf der Heimfahrt nach Mandala zu einem kleinen spannenden Dialog zwischen Jim und ihr. Li Si ist ganz überrascht, dass Jim, obwohl älter als sie, noch nicht lesen und schreiben kann. Jim laviert sich so ein wenig raus, obwohl ihm die Situation unangenehm ist. Unterm Strich beharrt Jim, darauf, dass er diese Fähigkeiten ja nicht braucht, er käme auch wunderbar ohne zurecht.

Als ich diese Szene nun neulich abends erneut Maxim und Nadeschda vorlas, musste ich ein wenig schmunzeln und an meine beiden kleinen Anstrengungsverweigerer denken. Als Maxim anfing in der ersten Klasse mit Schreiben, sagte er einmal zu mir: „Mama, warum muss ich das lernen? Ich kenne doch die Buchstaben auf der Tastatur. Das reicht doch. Dann tippe ich eben Briefe….“ – Wenn ich dies so schreibe, muss ich unfreiwillig an den Fortschritt der Technik seitdem denken, denn inzwischen müsste er noch nicht einmal mehr die Buchstaben kennen, sondern könnte alles diktieren. Ich kann einer höheren Macht danken, dass die gängigen Spracherkennungsprogramme nun doch noch nicht so gut funktionieren, dass meine Kinder auf die Idee kämen, nun gar nicht mehr schreiben lernen zu müssen.

Doch eine ähnliches Gespräch, wie es zwischen Jim und Li Si im Buch stattfand, hatten Maxim und ich dann doch in den vergangenen Tagen. Maxim lernt jetzt in der dritten Klasse gerade noch einmal richtig die Uhr – mechanisch und digital – lesen. Maxim fällt das sehr schwer. Ja, schon längt hätte er die Uhr lernen müssen, aber da es eben in unserem Alltag so ist, dass ich die Kinder überall hinfahren und abholen muss, wozu. Es war einfach nie die Notwendigkeit da, dass Maxim die Uhr lesen können musste. Auch wenn er mittlerweile mit seinen Freunden im Dorf alleine auf den Spielplatz geht. Da gibt es eine Kirchturmglocke, die schlägt. Und so waren die Abmachungen: „Wenn die Glocke fünfmal schlägt, kommst Du nach Hause.“ Das hat bisher immer wunderbar funktioniert. Nun haben wir uns also durch die Uhr gequält. Und so langsam geht es auch, jeden Tag eine wenig besser. Aber auch, weil wir eben jeden Tag üben. Und jeden Tag unserer guten Freundin der „Anstrengungsverweigerung“ mal für einen kurzen Moment, mal für eine ganze Weile „Guten Tag“ sagen.

Am vergangenen Wochenende war Maxim dann mit einem guten Freund verabredet. Schon zwanzig Minuten vor der Zeit war mein Sohn fertig angezogen, gefrühstückt und bereit für den Ausflug. In freudiger Erwartung kam er alle 30 Sekunden in die Küche, um zu fragen: „Mama, wie lange noch? Wann kommt denn der Karl?“ Als ich ihm sagte: „Schau auf die Uhr am Backofen und rechne es Dir aus.“ antwortete mein Sohn: „Nee, das kann ich nicht und ich brauche das auch nicht.“ Ich antwortete nur: „Okay, dann wirst Du eben nicht wissen, wie lange Du noch warten musst.“ Aber ich dachte bei mir: „Ja, irgendwie hat mein Sohn zumindest im Moment in seinem Leben recht, so behütet und umsorgt er wird, braucht er sich nicht um eine Uhrzeit kümmern. Das ist mit Sicherheit für die Zukunft nicht tragfähig, und genauso wie das Lesen und Schreiben ist das Lesen der Uhr eine Kulturfähigkeit, die er einfach irgendwann lernen muss, um im Leben zu bestehen.“ Und so lernen wir nun fleißig die Uhr. Auch wenn uns manchmal die „Anstrengungsverweigerung“ dabei im Wege steht.

Jim Knopf ist mit Sicherheit kein Anstrengungsverweigerer. Er lernt ja dann auch irgendwann Lesen und Schreiben mit Prinzessin Li Si. Doch ich fand die Verbindung von seiner Geschichte als Adoptivkind, die ihn auf seiner Reise ja auch einholt, und sein vehementes Ablehnen von Lesen und Schreiben können einfach sehr treffend für unsere immer wiederkehrende Situation.

Nehmt dies als Auftakt zu meiner versprochen Reihe an Beiträgen zum Thema „Anstrengungsverweigerung“ in den kommenden Wochen.

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1000 Fragen an mich selbst #12

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Photo by Milada Vigerova on unsplash.com

Die Ferien sind da. Ostern steht vor der Tür. Und dennoch Zeit, einen Moment innezuhalten und mich den nächsten Fragen zu „1000 Fragen an mich selbst“, der spannenden Blogparade von Johanna von Pinkepank zu widmen. Diesmal waren ein paar harte Brocken dabei: Glück, Ängste, in die Zukunft schauen, die letzten Minuten im Leben… Da musste ich an der ein oder anderen Stelle schlucken. Doch wie immer hat es Spass gemacht und neue Impulse an deren oder anderen Stelle gesetzt. Doch lest selbst…..

221. Gibt es Freundschaft auf den ersten Blick? Nicht wirklich denke ich, aber dennoch glaube ich, dass es irgendetwas gibt, so einen ersten Impuls, in dem man denkt: “Mmmhh, diese Person möchte ich näher kennenlernen.“ Und dann entwickelt sich etwas, oder eben auch nicht.

222. Gönnst du dir selbst regelmäßig eine Pause? Nein, viel zu wenig.

223. Bist du jemals verliebt gewesen, ohne es zu wollen? Ja, und es hätte mir vielleicht ungeahnte Möglichkeiten in meinem Leben eröffnet. Mein Leben wäre ein anderes geworden. Es war ein Mann, der am anderen Ende der Welt lebte. Doch ich habe gekniffen. Vielleicht war es gut so. Denn anstatt dieser flüchtigen Liebe hinterherzureisen, bin ich hier geblieben und habe meinen Mann kennengelernt.

224. Steckst du Menschen in Schubladen? Nein.

225. Welches Geräusch magst du? Das Vogelgezwitscher in den frühen Morgenstunden.

226. Wann warst du am glücklichsten? An dem Tag, an dem ich Mutter wurde.

227. Mit wem bist du gern zusammen? Mit meinen Kindern und meinem Mann.

228. Willst du immer alles erklären? Ja, vor allem bei meinen Kindern. Doch lerne ich, dass es in manchen oder auch vielen Situation gar nicht darum geht etwas zu verstehen, sondern einfach einmal die Emotionen rauszulassen, ohne irgendwelche Erklärungen.

229. Wann hast du zuletzt deine Angst überwunden? Als ich am Freitag Abend den Beginn der „Odyssee“ im griechischen Original vorlesen sollte.

230. Was war deine größte Jugendsünde? Auf einem Fährschiff nach England mit 15 zum ersten Mal heimlich zu rauchen.

231. Was willst du einfach nicht einsehen? Wie man sich so gehen lassen kann, wie meine Mutter es gerade im Moment tut. Leiden, um des Leidens willen und zu faul zu sein, das Leiden abzustellen. Das will ich einfach nicht nachvollziehen.

232. Welche Anekdote über dich hörst du noch häufig? Meine Ersatzmutter in den USA erzählt jedes Mal, wenn wir dort sind, immer gerne wieder, wie sehr ich als Jugendliche Gartenarbeit gehasst habe und mich immer wieder beschwert habe: „You make me do slave-work.“

233. Welchen Tag in deinem Leben würdest du gerne noch einmal erleben? Jeden Tag, der schön und erfüllt war. Davon gibt es im Moment nicht so viele. Ich hoffe, aber, dass sie nun bald mit dem Frühling wiederkehren.

234. Hättest du lieber mehr Zeit oder mehr Geld? Weder noch, wenn ich so darüber nachdenke. Denn weder mehr Geld noch mehr Zeit würden meine aktuellen Belastungen lösen. Ich glaube auch, dass die Zeit die ich habe im Grunde ausreichend ist, nur müsste ich lernen und mich durchsetzen, um sie in Teilen anders zu nutzen.

235. Würdest du gern in die Zukunft schauen können? Ja, mit Blick auf meine Kinder schon. Es würde mich beruhigen, zu wissen sehen, dass alles gut wird. Doch auf der anderen Seite stellt sich die Frage, was passiert, wenn die Zukunft mir kein gutes bIld zeigt? Ach, vielleicht ist es besser nicht zu wissen, was die Zukunft für einen parat hält.

236. Kannst du gut deine Grenzen definieren? Nein, dies ist meine wunde Stelle.

237. Bist du jemals in eine gefährliche Situation geraten? Nein, nicht wirklich.

238. Hast du einen Tick? Mein Mann würde sagen, ich hab einen Putzfimmel und muss bei jedem Staubkorn schon zum Staubsauger greifen. Ich halte es für mein ganz natürliches Bedürfnis, meine Umgebung um mich herum einfach schön zu haben.

239. Ist Glück ein Ziel oder eine Momentaufnahme? Weder noch. Für mich ist es eine Haltung.

240. Mit wem würdest du deine letzten Minuten verbringen wollen? Mit meinen Kindern und meinem Mann.

Mehr meiner Antworten auf “ 1.000 Fragen an mich selbst“ findet Ihr hier, hier und hier zum Beispiel….

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Charlotte’s Sonntagslieblinge (80)

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Photo by Jordan Whitt on unsplash.com

Ferien! Endlich Ferien! Mein Gott, was für Wochen liegen hinter uns, seit den Weihnachtsferien und eigentlich kommt doch das neue Jahr jetzt erst mit Ostern so richtig in Fahrt. Aber hier war es einmal wieder anders. Bleibt zu hoffen, dass das Tempo der Ereignisse nun etwas nachlassen wird. Aber wer weiß! Nach einer geschäftigen, aber für mich erfolgreichen Woche freue ich mich nun auf die Ferien, die wir zum ersten Mal seit langem – mit der Ausnahme von zwei Tagen – Zuhause verbringen werden, über diese drei Sonntagslieblinge:

  1. Endlich haben wir am Wochenende das Haus österlich geschmückt und dekoriert. Sehr schön! Und trotz aller Belastung mit meiner Mutter und meiner Ausbildung, bin ich meinem Ziel, dieses Haus bis Ostern in Ordnung zu haben, in greifbarer Nähe. Das Dachgeschoß hat endlich wieder eine Funktion und ist keine Abstellkammer mehr, ich habe meine Ablage mit Monate altem Papierkram endlich gemacht, Nadeschdas Zimmer ist umgeräumt und ausgemistet. Wir waren fleißig und das tat gut!
  2. Ich habe tatsächlich mich durchgebissen und meine Seminararbeit in dieser Woche fertig geschrieben und sie am Donnerstag an meine Mentorin geschickt. Die darf sie jetzt bis Ostern lesen und dann lege ich den finalen Schliff an. Kaum kann ich es glauben, dass ich das noch irgendwie geschafft habe.
  3. Mein Rücken quälte mich so sehr, dass ich trotz der arktischen Temperaturen wieder jeden zweiten Tag laufen gegangen bin. Jetzt geht es dem Rücken und vor allem meiner Seele besser. Es tat so gut, morgens erst einmal den Kopf freizulaufen.

Habt eine großartigen Sonntag und einen wundervollen Start in die Osterwoche!

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1000 Fragen an mich selbst #11

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Montag, eine neue Woche beginnt und bevor ich mich gleich wieder mit meiner Seminararbeit beschäftige, gibt es zum Wochenbeginn die nächsten Runde der „1.000 Fragen an Dich selbst“, der spannenden Blogparade von Johanna von Pinkepank. Heute geht es Freundschaften, Glück, das Erbe der Eltern, Streit und mögliche Geheimnisse…

201. Wie gut kennst du deine Nachbarn? Die einen zu gut, nämlich aktuell meine Mutter und mein Bruder. Mit den anderen hatten wir in unserer kinderlosen Zeit gelegentlich Kontakt, doch nun sind unsere Lebensstile zu unterschiedlich – ich brauche einfach meinen Schlaf und kann nicht mehr die Nacht zum Tage machen, und wiederum die Nachbarn gegenüber kenne ich kaum.

202. Hast du oft Glück? Grundsätzlich wahrscheinlich schon – auch wenn die Frage im Moment etwas absurd auf mich wirkt. Aber dennoch, sicherlich habe ich oft ein „glückliches Händchen“, wie man so schön sagt. Im großen und ganzen hat das Leben und das Schicksal es doch sehr gut mit mir gemeint.

203. Von welcher Freundin unterscheidest du dich am meisten? Irgendwie unterscheiden sich alle engen Freundinnen von mir, jede auf ihre Art. Und genauso verbinden uns unterschiedliche Gemeinsamkeiten. Diese Mischung macht ja den Reiz einer Freundschaft aus. Wenn die Unterschiede zu groß werden, fehlt in meinen Augen die Basis für eine gemeinsame Freundschaft.

204. Was machst du anders als deine Eltern? Oh, dafür reicht der Platz hier kaum aus. Das wäre mal einen eigenen Post wert. Ich glaube der entscheidendste Unterschied ist, dass ich meine Kinder bedingungslos liebe und keine Erwartungen an sie habe.

205. Was gibt dir neue Energie? Laufen, Lesen, Langeweile.

206. Warst du in der Pubertät glücklich? Nein. Ich habe still gelitten.

207. Wann hast du zuletzt eine Nacht durchgemacht? Als wir im vergangenen Frühjahr aus den USA zurückgeflogen sind. Trotz Business Class konnte ich nicht schlafen, sondern habe gelesen.

208. Womit beschäftigst du dich am liebsten in deinen Tagträumen? Mit Texten, die mir durch den Kopf gehen.

209. Blickst du dich oft um? Nein. Für mich gibt es kein Zurück, ich schaue nur nach vorne.

210. Was wissen die meisten Menschen nicht über dich? Das variiert von Umfeld zu Umfeld, in dem ich mich bewege. In der Schule von Maxim und Nadeschda weiß niemand, dass ich diesen Blog habe. In der Akademie weiß niemand, dass Maxim und Nadeschda adoptiert sind. Meine Freundinnen wissen nicht immer alles aus meinem Alltag. Und je nachdem, wann sie in mein Leben getreten sind, wissen sie auch nicht alles aus meiner Vergangenheit. Es gibt also nicht wirklich die eine Tatsache, die niemand über mich weiß.

211. Worüber hast du mit deinem Partner immer wieder Streit? Über das Aufräumen. „Das bisschen Haushalt macht sich von allein, sagt mein Mann….“ Nein, ganz so ist es nicht. Nur ist Richard’s Toleranz, was herumliegende Dinge angeht, nur so unendlich viel größer als meine.

212. Worauf freust du dich jeden Tag? Auf meine Kinder.

213. Welche Freundschaft von früher fehlt dir? Keine. Wenn sie heute nicht mehr da ist, dann passt sie auch nicht mehr zu mir und meinem Leben.

214. Wie gehst du mit Stress um? „Augen zu und durch.“ Ein wenig mehr Achtsamkeit würde mir aber sicherlich gut bekommen.

215. Gibst du dich gelegentlich anders, als du bist? Nein. Warum sollte ich mich verstellen?

216. In welchen Punkten gleichst du deinem Vater? Ich bin fast so früh grau geworden wie er.

217. Kann man Glück erzwingen? Nein. Aber wo ein Wille ist, ist ein Weg.

218. Welcher Streittyp bist du? Früher stumm und schweigend. Doch zunehmend werde ich auch laut. Und Türen schlagen hat manchmal etwas sehr befreiendes.

219. Bist du morgens gleich nach dem Aufwachen richtig munter? Nein, erst nach dem ersten Kaffee.

220. Wie klingt dein Lachen? Das fällt mir schwer, im Moment zu beantworten. Der Klang ist zur Zeit zu wenig präsent. So richtig laut und von Herzen habe ich in den Wochen nicht gelacht.

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Charlotte’s Sonntagslieblinge (79)

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Photo by Kevin Gent on unsplash.com

Hinter uns liegt dann doch wieder eine „Großkampfwoche“. Es ist unfassbar, wie viele Dinge erledigt werden und Sachen organisiert werden müssen, wenn die Mutter krank ist und den Wohnort wechselt. Nun denn, immerhin grenze ich mich langsam ein Stück weit ab, pflüge durch die To Dos ohne Rücksicht auf Verluste, um so mehr Zeit für mich und vor allem wieder für meine Kinder zu finden. So war ich zum ersten Mal in diesem Jahr wieder regelmäßig abends und am Wochenende in der Akademie. Die wenige Zeit, die Maxim, Nadeschda und mir blieb, haben wir auf Übsparflamme verbracht und uns stattdessen Zeit genommen, einfach auch mal nur eine Stunde zu spielen, zu erzählen, bei Kakao und Kuchen – und das fast an jedem Nachmittag nach der Schule. Herrlich! So sind an diesem Sonntagmittag nun dies meine drei Sonntagslieblinge der vergangenen Woche:

  1. Heute morgen lagen meine Kinder bei Nadeschda im Bett und Maxim hat seiner kleinen Schwester aus ihren Lieblingsbüchern vorlesen, von Ponys und Feen und kleinen Prinzessinnen. All die Geschichten, die ich schon auswendig kann, weil ich sie so oft vorlesen musste, und nicht mehr so begeistert jubele, wenn ich sie vorlesen soll. Welch wunderbare Geste des großen Bruders, der kleinen Schwester am frühen Sonntag Morgen einen Herzenswunsch zu erfüllen.
  2. Nadeschda hat nun in der Schule mit dem Flötenspieles begonnen. Stolz zeigte sie mir die Töne, die Töne die sie schon spielen kann. Mir wurde es ganz warm ums Herz beim wunderbaren Klang und der Klarheit der Töne, wie sie sie auf der Flöte erklingen lässt. Welch ein Geschenk!
  3. In der Akademie haben wir am Wochenende mit einer freien Arbeit im Plastizieren begonnen. Optional zum Plastizieren eines Kopfes aus Ton. Es fügte sich, dass ich die einzige war, die mit der freien Arbeit begann. Über drei Stunden werkelte ich in einem großen Werkraum ganz alleine vor mich hin. Mit Pappe, Holz, Folie, Draht, Schnüren und einer Heißklebepistole. Eine fantastische Erfahrung. Verbunden mit der Erkenntnis, dass ich nicht unbedingt für das kreative Arbeiten in der Gruppe gemacht bin.

Habt einen wundervollen Sonntag und einen gelungenen Start in die neue Woche!

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Mein „Couch-Vormittag“ – Ironie und Realität der Fürsorgearbeit

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Photo by Toa Heftiba on unsplash.com

Zum Weltfrauentag hatte die wundere Claire von Mama streikt wieder einmal zum Netzprotest zu #craearbeitmusssichtbarwerden aufgerufen. Zu Recht! Vor allem ein Zitat hat mich nachhaltig beschäftigt, dass es mich zu einem weiteren Beitrag inspiriert hat: „Ich bezahle doch einer Mutter eines gesunden 9-Jährigen nicht ihre Couch-Vormittage.“ hatte ein männlicher User Claire geschrieben. Mmhhh, Couch-Vormittage sind durchaus etwas Wunderbares. Morgens wenn die Kinder das Haus Richtung Schule verlassen haben, der Mann sicher beschäftigt ist im weit entfernten Büro, dann lässt es sich doch wunderbar auf dem Sofa ausruhen, die Nägel lackieren, ein nettes Buch oder eine nette Frauenzeitschrift lesen, vielleicht einmal mit einer lieben Freundin, die gerade genauso auf der Couch chillt, telefonieren. Über Stunden bis es dann Zeit ist, dass die lieben Kinder wieder aus der Schule kommen. Und auch dann muss frau ja nicht wirklich die Couch verlassen, denn die Kinder sind ja schon so groß, dass sie die Hausaufgaben alleine machen und dann auch noch den Müll rausbringen, die Spülmaschine ausräumen, die Wäsche zusammenlegen und das Abendessen vorbereiten. Herrlich! Was für ein Leben! – Doch irgendetwas stimmt nicht an diesem Bild. Warum muss ich an Fernsehserien wie „Vorstadtweiber“ denken, wo die Damen tatsächlich ihre Vormittage – neben vielem anderen – Proseccoschlürfenderweise verbringen. Aber das wirkliche Leben sieht anders aus. So wie etwa meines zu Beginn der Woche – und im übrigen irgendwie jeden Tag:

06:00h Mühsam quäle ich mich aus dem Bett. Die Nacht war wieder kurz und unruhig. Nadeschda schläft einmal wieder bei uns im Bett. Nach einem Kaffee packe ich Brotdosen für die Schule, räume die Küche auf, schmeiße die Waschmaschine an und gehe duschen.

06:30h Ich wecke Maxim und Nadeschda, ziehe sie an, schaue, dass ihre Ranzen gepackt sind, mache Frühstück.

07:25h Die Kinder und Richard verlassen das Haus. Ich räume die Überreste des Wochenendes auf, sauge und wische im Erdgeschoss. Danach mache ich mich zu Ende fertig.

08:15h Ich sitze am Schreibtisch, lese und ergänze den neuen Mietvertrag meiner Mutter, drucke ihren Versicherungsantrag aus, schreibe ihren Wochenplan mit allen Arzt- und Therapieterminen, mache ihre Finanzübersicht, gucke, ob die Krankenkasse endlich die Rechnungen erstattet hat, überleg noch, wann wir ein neues Bett kaufen können, recherchiere, wie und wo sie einen Schwerbehindertenausweis bekommt. Über meinen Hausarzt organisiere ich ihr ein Rezept für ein Medikament, das sie vermeintlich „dringend“ braucht.

09:15h Bei meiner Mutter bin ich 10 Minuten zu spät. Eigentlich hätte sie schon angezogen sein müssen, da wir eventuell zum Arzt hätten gehen müssen. Doch sie steht immer noch im Bademantel Kaffeetrinkenderweise in ihrem Zimmer. Sie schaut mich an mit den Worten: „Was willst Du hier?“ Sie hat vergessen, dass wir zum Arzt wollten und dass sie ein paar Dinge unterschreiben muss. Ganz Anstrengungsverweigerin  fragt sie, ob sie nicht später die Dinge unterschreiben kann. Das Schreiben fällt ihr seit dem Schlaganfall schwer. Ihre Unterschrift üben, wie sie soll, tut sie nicht. Ich verneine, denn später habe ich keine Zeit und sie wird dann schlafen oder spazierengehen, oder was auch immer tun. Widerwillig setzt sich meine Mutter hin, geht mit mir die Papiere durch und unterschreibt. Beim Wochenplan, in den ich auch ihre täglichen Übungen geschrieben habe, wird sie noch missmutiger: „Da habe ich keine Lust zu.“ Als sie dann ihren geballten Unmut über ihre neue Wohnung entlädt und wir auf ihren alten Vermieter kommen, dessen Nachzahlungsforderungen ich bezahlt habe, denn Mietrückstände muss man in Deutschland einfach bezahlen, knallt es. Sich mit alten Vermietern zu streiten, steht jetzt einfach nicht auf der Agenda, weder auf meiner – denn ich habe keine Zeit dafür mich um 50,00 EUR zu streiten- , und vor allem nicht auf der Agenda meiner Mutter. Sie muss gucken, dass sie fit wird, um einigermaßen alleine zu leben. Das will sie ja eigentlich auch. Doch die Übungen des Physiotherapeuten macht sie nicht, Schreiben übt sie nicht und Gedächtnistraining macht sie schon mal gar nicht. Stattdessen sitzt sie lieber vorm Fernseher. Aber dafür braucht man ja mindestens eine 100qm Wohnung….(????) Nun ja, am Ende verlasse ich als böse Tochter mit knallender Tür und Tor (- Ach, es ist einfach großartig, dass wir an unserem Haus gegenüber so ein riesiges schmiedeeisernes Tor haben, dass so richtig laut scheppert, so richtig laut, dass es die ganze Straße hört, wenn man es mit voller Wucht zuknallt. – ) das Gelände.

10:30h Ich schicke Krankenhausrechnungen meiner Mutter an die Krankenkasse, fahre zum Arzt, hole besagtes Rezept ab, gehe in die Apotheke und bestelle das Medikament, das meine Mutter ja so dringend braucht.

11:20h Wieder Zuhause schreibe ich noch einen Post für meinen Blog und stelle einen zweiten online. Mittlerweile schmeiße ich auch die dritte Ladung Wäsche in die Waschmaschine und lege die erste von heute morgen, die inzwischen im Trockner war zusammen.

12:30h Ich gehe wieder zu meiner Mutter. Ich repariere ihre Brille, worum sie mich heute morgen gebeten hatte und sage ihr, dass das Medikament heute nachmittag kommt. Spazieren war sie nicht. Stattdessen hatte sie sich, wie die Pflegerin mir sagte, ins Bett gelegt. Beleidigt. Ist ja klar. Ich lasse meine Mutter in ihrem Bett und gehe wieder. Wichtigere Menschen brauchen mich jetzt: Ich hole Maxim und Nadeschda von der Schule ab.

Nach meinem „Vormittag auf der Couch“ folgt nun ein Nachmittag so wie wir ihn immer verbringen: Hausaufgaben machen, Üben, Instrumente spielen, zwischendrin ein wenig Hausarbeit (Waschmaschine Nr. 2 ist zum Zusammenlegen bereit). Und dann geht es auch schon zum Sport für Maxim und Nadeschda. Auf dem Weg fahren wir noch einmal zur Apotheke, holen das Medikament für meine Mutter ab und kaufen Wasser für sie. Ist ja wichtig, sie muss ja viel trinken. Um halb sieben wieder Zuhause, koche ich Abendessen, dann bringe ich meine wunderbaren Kinder ins Bett, wir lesen „Jim Knopf“ weiter, ich genieße Nadeschda’s Lachen und Maxim’s Wärme, der sich schon verschlafen an mich kuschelt. Beim Einschlafen sagt Nadeschda – wieder in unserem Bett -: „Mama, ich brauche Deine Hand, damit ich etwas Schönes träume.“ Als ich sie ruhig atmen höre, stehe ich auf, gehe runter, lege Waschmaschinenladung Nr.3 zusammen. Mittlerweile ist es 20:30h. Ich bin seit 06:00h ohne Pause für die Familie in Fürsorge tätig. Das sind über 14 Stunden. Nur mal so. Ich kann dankbar sein, dass Richard währenddessen auf Nadeschda’s Elternabend sitzt. Beim Wäsche zusammenlegen kommt mir das Zitat aus Claire’s Beitrag wieder in den Sinn und anstatt mein Buch – „Into the Magic Shop“ von James R. Dotty – weiterzulesen, setze ich mich an den Rechner und schreibe diesen Post.

Die Realität einer Mutter sieht anders aus, als das gemeine Bild ist. Der Haushalt macht sich nicht von allein, das hatten wir ja auch schon mal anderer Stelle , die Kinder werden eben nicht von alleine groß und wenn dann auch noch ein zu pflegender Elternteil dazukommt, dann ist es gänzlich vorbei mit der Möglichkeit zu Arbeiten, geschweige denn einen Vormittag auf der Couch zu verbringen. Ich kann dankbar sein, dass ich nicht arbeiten muss, doch wäre meine Mutter nicht da, so hätte ich dies in der Zeit getan, oder für meine Ausbildung gearbeitet, die mir die Möglichkeit gibt, wieder in geregelten Verhältnissen mehr Geld zu verdienen.

Den Männern da draußen, die wirklich glauben, wir würden einen Vormittag auf der Couch verbringen, denen empfehle ich, mal einen Vormittag mit einer Mutter „eines gesunden 9jährigen“ zu tauschen, anstatt „Vorstadtweiber“ abends zu schauen. Das reale Leben ist meist erhellender als jede Spätabendserie….