Meine Karriere, seine Karriere, unsere Karriere? – Vom Zurückstecken, Unterordnen oder klassischer Arbeitsteilung in der Familie

happy family with two kids walking at sunset

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Meine Berufstätigkeit beschäftigt mich gedanklich nach wie vor. Gerade im Augenblick, wo wir uns noch in die 1. Klasse einfügen, wo wir nach einer langen und erholsamen Sommerpause wieder in unseren Tritt und Rhythmus kommen müssen. Gerade jetzt ist die „Familienarbeit“ wieder sehr intensiv und eine Teilzeitarbeit egal in welchem Umfang eher fraglich. Doch auch meine Kinder werden größer, eine irgendwie geartete Altersversorgung braucht es dann auch einmal irgendwann und ob wir uns auf den beruflichen Erfolg meines Mannes auf Dauer verlassen können, ist auch nicht immer gewiss. Insofern ist ein sich vollständig aus der Arbeitswelt verabschieden auf Dauer nicht unbedingt eine Option. Über Katharina’s Beitrag „Mein Mann, seine Karriere und ich und warum diese Überschrift für uns doch nicht passt“ auf Kinderleute bin ich auf Berdiens Blogparade „Mein Mann, seine Karriere und ich“ auf ihrem Blog Bejewly aufmerksam geworden und mache gerne mit.

Als Richard und ich uns kennenlernten, arbeiteten wir in ähnlichen Jobs in ein und derselben Branche. Gleichberechtigt arbeiteten wir und teilten uns unseren Alltag. Im Gegensatz zu Katharinas Erfahrung, war er auch ein Partner, der mich immer ermutigte, meine Hobbys aufrechtzuerhalten bzw. eingeschlafenen Hobbys wieder aufzugreifen. Er richtete mir sogar eine eigene Werkstatt zum Malen ein. In unserer Lebensplanung sagten wir immer: „Derjenige der mehr verdient, bestimmt den Wohnort und den Lebensmittelpunkt.“  Es gehört zu den Ungerechtigkeiten des Lebens und der Wirtschaft und zu Richards Verhandlungskünsten, dass er schnell deutlich mehr verdiente als ich und zügiger in seiner Karriere vorankam. Insofern war bei unserer Familienplanung klar, dass ich in Elternzeit gehen würde und danach für das Kind vorerst beruflich zurückstecken würde. Mich vollständig aus dem Berufsleben zu verabschieden, stand damals nicht zur Diskussion. Auch im Adoptionsprozess hielt ich an der Idee fest, nach einem Jahr wieder – zwar reduziert – in meinen alten Beruf einzusteigen.

Doch das Leben hatte vielleicht anderes im Sinn mit mir. Denn es kam alles anders. Wir adoptierten nicht nur ein Kind, sondern gleich zwei. Meine Schwiegermutter, die Teil einer Unterstützung hätte sein können, erkrankte an Krebs und starb zehn Monate nach Ankunft von Maxim und Nadeschda. Und erst mit der Zeit zeigte sich immer mehr, wie viel Fürsorge, Unterstützung und konstante Präsenz unsere beide Kindern von einem Elternteil brauchten und bis heute brauchen. So blieb ich also weiter Zuhause. Ich kann zwar inzwischen ein wenig freiberuflich arbeiten und habe ein Buch geschrieben. Doch eine Aufgabe in einem regelmäßigen Angestelltenverhältnis ist zur Zeit noch undenkbar. Denn der Hauptteil der Fürsorge für Maxim und Nadeschda liegt bei mir. Ich kümmere mich um die Schule, begleite Hausaufgaben und tägliches Üben, ich organisiere ihre Hobbies und Verabredungen, ich sorge für die richtige Begleitung durch Ärzte, Therapeuten etc. Ich sage Abendtermine ab, wenn Richard auf Geschäftsreise ist und der eine Abend mit Kinderfrau schon ausgeschöpft ist, ich komme später zu Fortbildungen oder Seminaren, wenn Richard einen Geschäftstermin hat und die Kinder nicht zur Schule bringen kann. Ich bleibe Zuhause, wenn der Babysitter krank ist. Wie Katharina schrieb: Ich habe meine berufliche Karriere aufgegeben, damit wir eine Familie sein können.

Doch vielleicht gibt es ja gar nicht MEINE Karriere und SEINE Karriere. Dass Richard so erfolgreich im Job ist und so viel Geld verdient, dass wir auf ein zweites Gehalt nicht angewiesen sind, liegt ja auch daran, dass ich mich zuhause um (fast) alles kümmere. Er kann weitestgehend frei agieren und muss niemals auf meine Termine oder die Kinder Rücksicht nehmen. Denn ich bin ja immer verfügbar. Richard weiß diese Freiheit zu schätzen und rechnet mir dies hoch an. Insofern ist sein beruflicher Erfolg ein Stück weit auch meiner. Genauso wie die stetige Entwicklung unserer Kinder und unser Zusammenwachsen als Familie auch ein Großteil meines „Verdienstes“ ist. Mit vielen Schritten, die Maxim und Nadeschda gegangen sind, weiss ich, dass sie diese nur gehen konnten, weil ich immer für sie da bin. Weil Richard und ich ihnen in unserer klassischen Arbeitsteilung – der Vater verdient das Geld und die Mutter kümmert sich um das Zuhause – eine sichere Umgebung geben, in denen sie wachsen und heilen können.  So ist es dann vielleicht UNSERE Karriere. Doch eben nicht nur in beruflicher Hinsicht, sondern unsere Karriere als Familie.

Letztendlich hat unsere Arbeitsteilung auch etwas sehr privilegiertes. Und dies nicht nur, weil ich nicht jeden Morgen wie so viele im Stau stehen muss, um in irgendein Büro zu fahren. Nein, denn ich kann meine wenigen – aber mit zunehmendem Heranwachsen von Maxim und Nadeschda immer größer werdenden – Freiräume nutzen, um mir selbst neue Perspektiven zu eröffnen. So wie ich es ja bereits mit meiner Ausbildung begonnen habe. Mit dem Muttersein haben sich für mich auch neue Horizonte eröffnet, die ich anders nicht hätte erfahren können. Wahrscheinlich hätte ich nie ein Buch geschrieben, geschweige denn würde mich nun mit einem zweiten gedanklich tragen. Wahrscheinlich hätte ich nie diesen Blog begonnen. Ich hätte mich nicht so intensiv mit Kindesentwicklung, Erziehung und der Begleitung von traumatisierten Kindern beschäftigt. Und sicherlich hätte ich nie in Erwägung gezogen, eine Ausbildung zu machen, die wenig mit meinem vorangegangenen Berufsleben zu tun hat. Somit hat das auch alles sein Gutes.

Vielleicht muss man einfach den Begriff der Karriere anders definieren. Denn es geht im Leben ja nun nicht nur um den beruflichen Erfolg und immer mehr Geld auf dem Konto. (Vorausgesetzt der Lebensunterhalt ist gesichert.) Vor allem geht es doch darum, ein erfülltes und glückliches Leben zu haben. Das wäre für mich „Karriere“. Und wenn ich mir in guten Momenten Maxim und Nadeschda, unsere Kinder, betrachte, dann weiss ich, mein Leben ist mehr als erfüllt.

3 Gedanken zu “Meine Karriere, seine Karriere, unsere Karriere? – Vom Zurückstecken, Unterordnen oder klassischer Arbeitsteilung in der Familie

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